Chania

Gestern spazierte ich noch eine Weile durch Chania. Besonders der Hügel inmitten der Altstadt gefiel mir. Hier befand sich die minoische Stadt. Und auch die griechische und römische. Viel ist davon nicht mehr zu sehen, aber in der byzantinischen Stadtmauer befinden sich Artefakte aus dieser alten Stadt. Sie besteht in Teilen aus dem Marmor der Tempel, gut sichtbar sind besonders die alten runden Säulen, die mit eingemauert wurden.
Wahrscheinlich befinden sich noch große Teile der antiken Stadt unter der modernen von heute. Unter dem Beton und Asphalt, gut geschützt für kommende Generationen. Vielleicht ist das auch besser so.
Jedenfalls entdeckte ich einen Platz, der ausgegraben wurde. Gut sichtbar sind die Grundmauern und auch Gassen. Ich weiß nicht, aus welcher Epoche diese Ruinen sind. Jahrtausende wurde hier gesiedelt, daher sicher im Laufe der Zeit auch viel verändert. Leider ist das archäologische Museum hier zurzeit geschlossen. Daher werde ich wohl eher im Internet über Chania lesen müssen, was nicht einmal halb so gut ist.
Auf jeden Fall besuchte ich noch den höchsten Punkt der Altstadt. Die Aussicht auf Chania ist herrlich, die Bucht mit dem alten Hafen liegt genau darunter. Witzigerweise erinnert mich das Gelände an das etwas versiffte Gegenstück dazu in Berlin, RAW, es scheint sich eine alternative Szene hier durchgesetzt zu haben. Auf alle Fälle haben sie sich das Filetstück gesichert. Beneidenswert. Ich möchte nicht wissen, wie solch ein Ort in fast jeder anderen Stadt der Welt genutzt werden würde. Hier passt es jedenfalls ganz gut.
Am heutigen Sonntag passiert bislang nicht viel. Ich muss zugeben, etwas müde zu sein. Ich kenne das von anderen Reisen, ab und zu muss ich eine Pause einlegen. Nicht weil ich es körperlich nicht schaffe, aber mein Geist scheint sich diese Auszeit nehmen zu wollen, zu bunt und durcheinander sind die Eindrücke.
Hinzu kommt, dass ich nachts friere und dadurch nicht besonders gut schlafe. Der Wetterbericht sagt 20 Grad, aber ich kühle trotz des Sommerschlafsacks aus. Es ist wirklich eigenartig. So kam es, dass ich mal wieder meine Wanderhose tragen musste. So etwas ist wirklich merkwürdig. Aber egal.
Der Tag begann jedenfalls mit etwas Organisatorischem. Ich musste mal wieder waschen. Halb so wild. Natürlich las ich Nachrichten, denn heute findet die Schicksalswahl in Deutschland statt, der Tag, an dem theoretisch Frau Merkel abtreten wird. Praktisch aber nicht, sie geht erst, wenn eine neue Regierung gebildet ist. Das kann wahrscheinlich dauern. Ich habe schon vor Wochen gewählt. Daher war für mich der Wahlkampf eigentlich vorbei.

Erst gegen elf machte ich mich auf in die Stadt.
Tatsächlich fand ich einen alternativen Weg mit dem Rad, nicht etwa die Straße entlang, sondern am Strand. Manchmal musste ich schieben, weil der Sand zu weich war, um darauf fahren zu können, aber das ist unwichtig. Alles, um nur diese gefährlichen Hauptstraßen zu meiden, ist gut. Ich glaube, dass ich sogar schneller war. Immerhin ist der Weg direkter. Dieses Mal fuhr ich fast bis zum alten Hafen, bevor ich das Rad anschloss. Danach verlor ich mich wieder im Gewirr der Gassen. Es war lustig. Zuvor war ich an den Tavernen des alten Hafens vorbeigelaufen. Sie waren voller Touristen, die hier frühstückten. Oder frühshoppten. Bier und Wein. Oder härteres. Interessant. Ich folgte irgendwann der Hafenstraße, passierte die alten Stadtmauern im Osten und kam in einen Teil der Stadt, in dem sich eigentlich nur noch Einheimische aufzuhalten schienen. Es ist der modernere Teil der Stadt. Auch hier lief ich am Meer entlang, ein Café/Bar an dem anderen. Hier herrschte ebenfalls Gedränge, anscheinend treffen sich die Griechen Sonntag Morgen auf einen Kaffee. Warum auch nicht? Die Welten aber schienen getrennt, in der Altstadt die Touristen, weiter draußen nur die Einheimischen. Dabei sind die Cafés im modernen Teil fast stylischer. Jedenfalls sind es nicht die Kaffenions der alten Tage, die oft sehr altbacken sind. Die modernen Griechen gehen offensichtlich mit der Zeit. Und recht haben sie damit. Ich habe mich übrigens dazugesellt und sitze im modernen Teil der Stadt in einem Café direkt am Meer. In der Altstadt sind mir die Touts zu aggressiv. Hier gibt es sie nicht.
Jetzt, am frühen Nachmittag, sind die Cafés aber alle wieder leer, wahrscheinlich sind die Griechen in den Tavernen. Oder am Strand. Ich werde nicht mehr allzu viel unternehmen, es war ruhig heute. Und es tut mir ganz gut.
So bereite ich mich auf die Schicksalswahl heute Abend vor. Ich bin etwas aufgeregt. Und ich hoffe, dass es nach 16 Jahren endlich zu einem Wechsel kommen wird. Auch wenn ich weiß, dass es uns nicht schlecht geht, finde ich, dass es gerechter im Land zugehen sollte. Mit einem Weiterso ist das nicht möglich. Und Umweltschutz auch nicht.
Warten wir also ab. Ich habe jedenfalls eine Flasche Retsina besorgt. Entweder betrinke ich mich, um die Sorgen zu vergessen. Oder ich feiere.
Alles Blödsinn natürlich. Es kommt, wie es kommt.
Ich kann mich erinnern, dass ich vor acht Jahren, bei Makis auf dem Campingplatz auf Sifnos, ebenfalls die Bundestagswahl verfolgt habe. Damals war ich wirklich niedergeschlagen. Es war die Hochzeit Merkels, sie regierte danach unangefochten weitere acht Jahre. Nun ist es damit vorbei.
Und etwas Neues kann beginnen. Und darin liegt tatsächlich ein Zauber.
Ich muss gestehen, dass ich hoffnungsvoll bin.