Alexandroupolis

Es wurde nichts daraus, aus meinem letzten Besuch einer Taverne in Griechenland. Ich habe so interessante Menschen auf dem Campingplatz kennengelernt, dass es sich erübrigt hat, weil wir so lange redeten. Timo ist Fotograf, ein Kreativer, der sich mit seinen eigenen Projekten irgendwie über Wasser hält. Er wusch mir den Kopf, wegen meiner Unfähigkeit, mich selbst anständig zu vermarkten, was seiner Meinung nach auch Schriftsteller tun müssen. Nur wer laut ist, wird gehört. Auch wenn mir das natürlich nicht gefällt, weiß ich doch, dass er recht hat. Er versprach auch, mir die Kontaktdaten eines Literatur–Agenten zu schicken, den er kennt und von dem er große Stücke hält (Anmerkung 18 Monate später: Der Agent hat sich nach Einsendung des Manuskripts nur noch einmal gemeldet und um Zeit gebeten. Trotz Nachfrage blieb es danach bei der berühmten Stille, er hat sich letztlich nie wieder gemeldet. Auch eine Art von Geschäftsgebaren.). Ich weiß gar nicht, was ich mehr fürchte, die vielen Absagen von den Verlagen oder die kritische Meinung eines Experten zu meinen Werken. Am Ende werde ich nicht drum herum kommen, irgendwann muss ich einmal nach „draußen“, Schelte ertragen, vielleicht auch die Wahrheit über mein eigenes, nicht existierendes Talent. Was fürchte ich eigentlich? Die Furcht an sich. Nicht mehr. Natürlich kann ich durch eine solche Erfahrung nur lernen. Ich glaube auch, dass ich Timo nicht zufällig getroffen habe. Ihm und seiner Lebensgefährtin bin ich bereits in Sarajevo auf dem Campingplatz begegnet. Damals haben wir nicht miteinander geredet, sind einfach nicht ins Gespräch gekommen. Nun war es anders, es war Zeit. Und die haben wir genutzt.

Auch in anderer Hinsicht war es ein erfolgreicher Tag. Ich habe viel geschafft, überarbeitet, neu geschrieben. Langsam wird ein Werk daraus. Das konnte ich machen, weil es im Grunde hier in Alexandroupolis nicht viel zu tun gibt. Ich war in der Stadt, ein moderner Grenzort mit starker Militärpräsenz. Nichts Außergewöhnliches, doch genau das Richtige, um sich auf die Türkei vorzubereiten. Letztlich habe ich selbst das kaum getan, werde wahrscheinlich so wie immer lesen, bevor ich morgen weiterfahre.
Es war übrigens die erste längere Unterhaltung mit Leuten, die über den normalen Smalltalk hinausging. Ich merke, dass sie mich angestrengt hat. Ob man es verlernt, mit Menschen zu kommunizieren? Oder von ihrer Intensität und Leidenschaft überwältigt werden kann? Das würde heißen, dass auch ich mich erst wieder daran gewöhnen muss, wenn ich wieder zurück bin.
Morgen wechsle ich wieder das Land. Vier Wochen Griechenland sind wie im Flug vergangen, ich konsumiere die Orte wie andere Leute Zigaretten. Ob es genauso flüchtig ist wie Nikotinqualm, werde ich sehen. Letztlich zählt nur der Moment, nichts weiter. Auch in der Türkei wird die Saison bereits beendet sein und ich werde zusehen müssen, wo ich unterkommen werde. Viele Campingplätze sind sicher bereits zu. Aber es muss ja nicht immer die sichere Variante sein. In der Türkei ist es erlaubt, wild zu campen. Ich werde es mir einfach anschauen. (Anmerkung 18 Monate später: Die meisten Campingplätze sind ganzjährig geöffnet.)