Moustiers Ste Marie

There is always sunshine after rain. So jedenfalls sah es heute Morgen aus, die Sonne schien und die noch immer feuchte Natur dampfte aus Leibes Kräften, produzierte dabei eine hohe, schweißtreibende Feuchtigkeit. Trotzdem dachte ich, es wäre endlich an der Zeit, den seit mindestens einer Woche fälligen Waschtag einzulegen. Dabei stellte ich mit Verdruss fest, dass manche Waschmaschinen auf Campingplätzen diesen Namen nicht verdienen, dreckige Kragen blieben dreckig, Flecken waren nach wie vor zu sehen, nur rochen die Hemden ein wenig besser. Es hilft nichts, auch das gehört zum Reisen, völlige Sterilität ist beim Campen ohnehin nicht möglich.

Da der Waschgang und das anschließende sorgfältige Aufhängen etwas Zeit in Anspruch genommen hatte, war es bereits 12 Uhr, als wir aufbrachen. Die Richtung war nicht gänzlich klar, wir wollten einen Weg zum See Ste. Croix finden, der sich nur wenige Kilometer entfernt von unserer Position befand. Wir folgten einfach unserer Nase, lagen dabei ausnahmsweise richtig. Unterwegs kamen wir an einem berühmten Restaurant, dem La Bastide de Moustiers, vorbei, das von dem Meisterkoch Alain Ducasse betrieben wird, von dem ich noch nicht, Nina jedoch sehr wohl, gehört hatte. Ein Blick auf die Speisekarte, die zu unserer Verwunderung aushing, überzeugte zumindest mich davon, dass es auf dieser Welt Wünsche geben muss, die man sich nicht erfüllen kann. Solange es nur eine Mahlzeit ist, soll es mir recht sein.

Derweil begann die Sonne sogar für mich etwas zu heiß zu scheinen. Der Weg führte uns mitten durch ein Weizenfeld, nur ein Trampelpfad stand uns zur Verfügung und ich bereute, kurze Hosen angezogen zu haben. Die Striemen der haarigen Weizenähren finde ich noch jetzt an meinen Schenkeln. Es war danach ein sehr angenehmer Weg, gerade richtig, weil schattig im Wald und absolut eben. Für einen Anfang beim Wandern ist so etwas genau das Richtige.
Danach begannen die Dinge, ein wenig auseinanderzufallen. Wir erreichten den See, der friedlich vor uns lag. Selbst ich erkannte jedoch, dass das Wasser sehr hoch stand, denn etliche Bäume waren im See halb versunken. Mit sehr viel Mühe fanden wir einen Uferweg, mussten durch dichtes Gestrüpp, das faulige Wasser roch nicht besonders appetitlich.

Dann kamen die Mücken.
Dutzende. Ich weiß nicht wieso, aber wenn Nina und ich unterwegs sind, ist immer sie die Leidtragende. Ich zähle einen Mückenstich, sie sicher fünfzehn. Als wir endlich an einem einigermaßen erträglich Ort angekommen waren, wo wir picknicken konnten, zeigte sich, dass Nina gegen diese Art der Mückenstiche allergisch war, was sonst nur am Meer vorkommt. Binnen kurzer Zeit schwollen die sonst winzigen Bisse gehörig an und verhalfen meiner Lebensgefährtin zu einer angemessenen Laune. Auch hatte sie das Tropenmittel mit dem so vielversprechenden Namen „Anti-Brumm“ nicht aufgelegt, dass – nach einigen Tests unsererseits – Mücken vollkommen vertreibt. Sie hatte noch Glück im Unglück, denn nach einer halben Stunde schwollen die Stiche wieder ab. Mein Versuch, einen mückenlosen Rückweg zu finden, blieb leider erfolglos, so dass sie ungewollt wieder mit einigen dieser Viecher in Verbindung trat, die ihr Blut ganz offensichtlich mochten. Es war danach kein schöner Rückweg, denn die Stiche taten weh. Unter normalen Umständen hätten wir eine Weile gewartet, doch kaum meldeten sich die Schmerzen, hörten wir ein leises Krachen. Ich dachte erst, dass irgendwo ein Laster vorbei gefahren wäre, doch wiederholte sich das Geräusch. Ein Blick in die Ferne, die beeindruckenden Berge zu unserer Rechten hinauf, ließ mich erkennen, dass es sich um ein Donnern gehandelt hatte. Dort färbte sich der Himmel wieder einmal lila. Was nun folgte, war der heißeste Moment des Tages. Wieder mussten wir durch das Feld, die Luftfeuchtigkeit gepaart mit sicher an die 35 Grad im Schatten und einer aufgeladenen Atmosphäre wie ich sie selten erlebt habe, machten besonders diesen Abschnitt durchaus interessant. Ich schwitze erblich bedingt selten, doch jetzt lief das Wasser in Strömen. Als wir den rettenden Wald erreichten, hatte der Himmel sich bezogen, die wohltuende Kühle senkte sich auf uns. Auch ließen Ninas allergische Reaktionen auf die Stiche nach, so dass wir die letzten beiden Kilometer in relativer Vergnüglichkeit hinter uns brachten. In einem Bergbach kühlten wir unsere Füße, jetzt, ca. drei Stunden später, beginne ich langsam wieder damit, meine Zehen zu spüren.
Das Donnern wurde immer lauter, die letzten Kilometer liefen wir panisch etwas schneller. Auf dem Platz angekommen, schaffte ich es gerade so, die noch sehr klammen Shirts in den Camper zu verfrachten, bevor der Sturm losbrach. Dort sondern sie jetzt ihre Feuchtigkeit ab, es wird sicher eine Nacht der anderen Art. Aber Hauptsache frisch riechende Kleidung. Sauber ist sie ja nicht.
Ich denke und befürchte, dieser Tag hat Nina endgültig zum Wandermuffel gemacht, ich kann es ihr nicht verübeln. Die Strecke habe ich allerdings auch sehr schlecht gewählt, obwohl es gar nicht übel anfing. Jedenfalls habe ich meine zum Geburtstagsgeschenke – Hightech-Wanderstöcke – eingeweiht, bin mir aber nicht sicher, ob ich jetzt nicht meinem selbstgeschnitzen aus dem Lake District Unrecht getan habe. Allerdings muss ich zugeben, dass diese raffinierten Alustöcke, die kaum etwas wiegen und beinahe wippend den Gang beflügeln, schon etwas Helfendes an sich haben. Wahrscheinlich wird es erst eine Gebirgswanderung zeigen, die ich in den norditalienischen Alpen durchführen möchte.
Morgen jedenfalls brechen die letzten beiden Tage an, die ich mit Nina hier verbringen werde. Sie fliegt Sonntag zurück. Es ist ein wirkliches und ehrliches, trauriges Gefühl, denn Abenteuer gemeinsam zu erleben und zu teilen ist etwas ganz besonderes. Allein ist es zwar auch schön, aber beinahe ein wenig umsonst, denn selbst wenn ich sie aufschreibe, sind sie doch unreflektiert und undiskutiert, somit bleiben sie nur meine und sind von anderen, selbst wenn sie einen Teil meiner Gedankenwelt kennen, nur sehr bedingt verständlich.
Doch so ist es nun mal, und da das Reisen nicht im Vordergrund stehen soll, sondern das Schreiben, kann ich heute sagen, dass ich wesentlich weniger abgelenkt bin, wenn ich allein bin. Das liegt ausschließlich an meiner Disziplinlosigkeit, etwas, woran ich weiter arbeiten muss.
Nun heißt es aber erst einmal, die beiden letzten Tage mit Nina zu genießen. Alles andere kommt später. Dafür ist dann früh genug Zeit.