Fahrt nach Tarragona

Es war ein echter Reisetag, an dem ich im Grunde nichts geschafft habe, außer 300 Kilometer voranzukommen. Viel zu viel, möchte man meinen, es war auch anders geplant, doch eine Eingebung ließ mich alle Pläne umwerfen, spontan hört ich auf meine Intuition.
Ich wollte eigentlich ins Ebro-Delta, das mir vor vielen Wochen in Marokko von einem deutschen Päarchen empfohlen worden ist. Mein Navi zeigte mir 200 Kilometer an, also bei der Fahrtgeschwindigkeit der Transe ein guter halber Tag. Trotzdem dauerte es länger als erwartet, zumal ich die erste echte, brenzlige Situation beim Fahren zu überstehen hatte. Die Sohle meiner Sandale hatte sich im Gaspedal verklemmt, so dass ich die Bremse nicht rechtzeitig erreichte. Eh ich verstanden hatte, was geschehen war, rollte ich ziemlich rasch auf meinen Vordermann zu. Zum Glück halte ich immer mehr Abstand als notwendig, was sicher diskutabel ist, denn diesmal war dieser doppelte Abstand wirklich notwendig. Eine sanfte Vollbremsung später stand ich noch einen halben Meter hinter dem anderen Auto und pustete kräftig durch. Das war mir noch nie geschehen und ich merkte, dass ich nicht ganz auf der Höhe war, also machte ich eine längere Espresso-Pause, die ich anscheinend dringend benötigt hatte. Trotzdem stand ich etwas neben mir, die sonst übliche Konzentration konnte ich nur zu 70% aufbringen.
Die nächste Situation folgte nur wenige Kilometer später, ein deutscher Lastwagen überholte mich und schlug derartig scharf ein, dass ich wieder beinahe vollbremsen musste, um eine Kollision zu vermeiden. Diesmal war es zwar nicht meine Schuld, was meinen Nerven trotzdem relativ egal war. Fast zwei Monate geschieht nichts, dann zweimal am Tag beinahe die Katastrophe. Vielleicht steht der Pegel jetzt wieder auf Null und es geschieht wieder lange Zeit nichts.

Als ich mich langsam dem Ebro Delta näherte, wurde mir immer unbehaglicher zumute. Heute und morgen Vögel anschauen? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Vögel sind gut und schön, vor allem, wenn sie ihren Weg in meine Bratpfanne finden. Aber ansehen? Es soll ein schönes Gebiet zum Radwandern sein, doch als ich darüber nachdachte, erblickte ich wie durch Zufall die Berge links neben mir, die einen in Spanien eigentlich überall begleiten. Auch das Radwandern wurde in meinem Kopf immer unwahrscheinlicher. Eigentlich war ich beinahe am Ziel, hatte meine Etappe für diesen Tag beendet. Doch kurzerhand änderte ich meine Meinung und fuhr weiter nach Tarragona. Damit habe ich auch die Region Valencia endgültig verlassen und bin in Katalonien angelangt. Ich kann jetzt etwas zur Ruhe kommen, wesentlich langsamer Reisen, doch wenn ich den Rough Guide betrachte, gibt es hier sicher wesentlich mehr, was mich interessiert als bisher auf der Strecke. Ich kann das nur hoffen, denn durch Spanien auf diese Weise durchzuhetzen kann nicht Sinn und Zweck sein. Eine Strecke von 300 Kilometern an einem Tag verbietet sich eigentlich von selbst, mal sehen, ob ich das in Zukunft stark reduzieren kann. Morgen jedenfalls schaue ich mir erst einmal Tarragona an. Nachdem ich Sargunt heute so glorreich hinter mir gelassen habe, kommt diese alte Römerstadt gerade richtig.
Wahrscheinlich sind alte Steine für mich wesentlich mehr von Interesse als Lebewesen. Nun, erstere sind viel verlässlicher und gehen auch nicht weg, egal wie man sich benimmt. Vielleicht liegt mir der Besuch alter Städte deshalb so gut, im Gegensatz zu dem Erkunden von Nationalparks.

Für heute Abend bin ich noch fest entschlossen, meine Novelle weiterzuschreiben, die ich bislang so vernachlässigt habe. Dem Schreiben tun diese Reisetage nicht gut. Also muss ich sie verträglicher gestalten. Schon alleine, um meine Arbeit nicht zu gefährden. Sollte ich in dieser Geschwindigkeit weiter fahren, bin ich Ende August in Istanbul. Und meine Schriften sind auch nicht fertig.

So relax, calm, piano.