Perpignan

Ich habe heute Morgen gegen 10:30 die Grenze überschritten. Warum ich dabei ein wehmütiges Gefühl hatte, weiß ich nicht, aber es war so. Vielleicht weil es hier in Frankreich doch völlig anders ist, so dass das Ende dieses Abschnitts diesen Namen verdient, auch wenn ich es gestern noch nicht so gesehen habe. Jedenfalls wurde ich ca. 2 Kilometer nach der Grenze von Polizisten angehalten. Niemand anders außer mir, natürlich. Die Transe wurde untersucht, ich hätte ja jemanden einschmuggeln können. Darum ging es den Beamten, ich frage mich nur, warum immer ich es bin, der angehalten wird. Langsam sieht man mir meine 40 Jahre doch an, trotz langer Haare, so dass ich doch einmal aus dem Klischee des Drogen konsumierenden Jugendlichen herauskommen muss. Sei es drum, sie haben niemanden gefunden, keine echte Überraschung also.

Mein erstes Ziel war Perpignan, zu meiner aller größten Überraschung fand ich beinahe sofort einen Parkplatz. Hatte ich mich in Spanien immer so umständlich angestellt oder gibt es hier nicht so viele Autos?
Das Gefühl in diesem kleinen, kompakten Zentrum zur Mittagszeit erschien mir wirklich anders als in Spanien. Viele Leute saßen in den Restaurants und lunchten, so ein Anblick hat etwas ungemein entspannendes, denn die Hektik lassen die Leute in ihren Büros, wenn sie überhaupt existiert. Mein Französisch ist in den vier Wochen wieder etwas eingeschlafen, die Worte kommen nicht mehr ohne Weiteres über die Lippen, aber das wird sich geben.
Perpignan selbst hat viele mittelalterliche Gebäude, allen voran das ehemalige Handelszentrum Loge de Mer, ein gotischer Bau aus dem 14./15. Jahrhundert, das daran erinnert, dass die Stadt einmal einer der wichtigsten Umschlagplätze für Waren in dieser Gegend war. Heute befindet sich darin passender Weise ein Restaurant.
Nach einigem Umherlaufen habe ich das getan, was auch die Franzosen um diese Zeit tun, sich in ein Café zu setzen und einfach die Zeit genießen. Ich glaube, dass ich damit dem südfranzösischen Lebensgefühl viel näher komme als mit allen Sightseeing-Objekten hier zusammen. Es wirkt beinahe ein wenig verschlafen, aber das kann mir recht sein.

Perpignan

Neben den vielen mittelalterlichen Gebäuden befinden sich hier eher Bauten aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, die – wundervoll in Erdfarben bemalt – wieder an italienische Renaissance-Städte erinnern. Was mir besonders gut gefallen hat, war die Vielzahl an kleinen Plätzen, die immer einige Cafés oder Restaurants aufwiesen. Es war schön, dieses Lebensgefühl zu beobachten.
Ich ging ein wenig weiter, den Berg empor, das Stadtbild änderte sich gravierend. Plötzlich gab es keine Cafés mehr, keine chicen Restaurants, die Menschen, wahrscheinlich Araber, saßen zwar immer noch draußen, aber auf ihren eigenen Campingstühlen. Alles wirkte sehr ärmlich und verrucht, wirklich sicher habe ich mich nicht gefühlt. Besonders um den Place du Puig herum war es unheimlich, die Menschen starrten mich an wie einen Fremdkörper, der ich sicher auch war. Trotzdem gehört diese Erfahrung dazu, denn es ist nicht alles Dolce Vita, besonders nicht im Süden Frankreichs mit einer traditionell hohen Arbeitslosenquote.
Ich lief nicht davon, sondern versuchte, diese Atmosphäre aufzusaugen. Nicht dass die Menschen unzufrieden oder aggressiv wirkten, sie strahlten einfach nur den Eindruck aus, den Leute haben, die nicht alles vom Leben geschenkt bekommen, diese Mischung aus Misstrauen und Hoffnung. Ich hoffe, dass ich nicht selbst einmal so werde, wenn ich es nicht schon längst bin.

Irgendwann hatte ich genug, das Zentrum Perpignans ist recht kompakt und in wenigen Stunden zu erkunden. Da ich in Frankreich bin, hatte ich beschlossen, meine „Schlafgewohnheiten“ zu ändern. Viele französische Gemeinden machen es ihren Campingplatzbetreibern nicht leicht, in dem sie kostenlose oder sehr günstige Stellplätze für Camper anbieten. Etwas ungerecht, wenn man bedenkt, dass die Mehrzahl derjenigen, die wenig Geld haben, mit Zelten unterwegs ist, diejenigen jedoch, die sich ein Wohnmobil für 50.000 Euro aufwärts leisten können, gratis oder günstig unterkommen. Heute profitierte ich davon, denn ich hatte mein Budget bereits reichlich strapaziert. So wählte ich den Ort Gruissan direkt am Mittelmeer, unweit von Narbonne. Die See nahm mich sofort gefangen, denn ich campe direkt am Jachthafen. Es ist ein wunderbarer Stellplatz, bereits mit sicher über Hundert Wohnmobilen besetzt, der aber so riesig ist, dass wir uns noch nicht auf die Nerven gehen. Ich werde in Kürze den Ort etwas näher erkunden, den Schiffen beim Schaukeln zu sehen und an meinem Roman arbeiten, der einmal mehr wieder viel zu kurz gekommen ist.
Leider habe ich den Verdacht, dass der Akku meines Asus den Geist aufgibt, das wäre eine Katastrophe für meine Arbeit und ich müsste wieder einmal darüber nachdenken, meine technische Ausrüstung aufzustocken. Drei Kameras habe ich verbraucht, zwei Uhren bislang und wer weiß, was jetzt noch kommt. Nur das Auto, das älteste Teil meiner Ausrüstung, schnurrt nach fast 9000 Kilometern wie eine Katze, ähem, eher wie ein alter Brummbär, aber das war schon immer ihre Art.

Alles in allem mache ich mir im Moment einige Gedanken über das Geld, denn bereits außerhalb der Saison komme ich kaum aus. Ich werde mir etwas einfallen lassen, dazu sind Herausforderungen schließlich da. Die Variante der Stellplätze ist verlockend, wenn auch nicht so sicher wie Campingplätze. Aber manchmal muss man eben etwas riskieren. Ich bereite mich gerade ein wenig darauf vor. Schon komisch, dass mein Sicherheitsdenken so ausgeprägt ist, man sollte meinen, jemand, der eine solche Reise unternimmt, ist eher ein Teufels Advokat. Weit gefehlt, wenn dann eher ein Teufelchen und Advokat schon gar nicht.

Gruissan