Sefrou

Heute war es endgültig so weit, der Akku war leer. Diesmal richtig. Ein durchschlagendes Unwohlsein hielt mich Teile der Nacht wach, so dass mir morgens die Energie für die einfachsten Handgriffe fehlte. Mein Körper mahnte mich, langsamer zu werden, ich kam diesem Wunsch nach. Selbst jetzt noch, nach einem sehr ruhigen Tag, bin ich noch lang nicht der Alte.
Ich fuhr trotzdem ab, denn die bloße Nähe zu Féz hätte es mir nicht erlaubt, einfach von dieser Stadt fernzubleiben. Sicher hätte ich mich bis aufs Blut ausgelaugt, wäre nach Féz gefahren, nur um das schlechte Gewissen zu unterdrücken, nicht gefahren zu sein. So also machte ich mich auf nach Sefrou, einer kleinen Berberstadt 30 Kilometer südlich von Féz. Scheinbar um mich zu zügeln wird derzeit auf der gesamten Strecke gebaut, so dass überall Geschwindigkeitsbegrenzung galten. Ich hielt mich akribisch daran, zum Leidwesen der Einheimischen, die mich an möglichen und unmöglichen Stellen überholten, nur um bald darauf von der nächsten Polizeikontrolle angehalten zu werden. Mich winkten sie immer lächelnd durch.
Der Campingplatz hier sieht eher aus wie eine Baustelle, beinahe wollte ich bereits wieder fahren, doch dann kam doch noch ein Angestellter, der mir versicherte, dass geöffnet wäre. Ich war ganz froh, hier bleiben zu können, denn mein innerer Akku blieb konstant unter dem Minimum. Vielleicht war es auch die Geschwindigkeit der letzten Wochen, die vielen Eindrücke, die mein scheinbar frittiertes Gehirn noch nicht verarbeitet hat. Der bloße Gedanke daran, Meknes, eine weitere Königsstadt, zu besichtigen, ließ mich schwindeln. So blieb ich also in Sefrou, hielt mich einige Stunden auf dem Campingplatz mit Nichtstun auf, doch half es nicht sehr. Ich sehnte mich nach Oualidia und einem heißen Tag am Strand zurück, stattdessen war es kühl und ich wagte kaum einen Schritt aus dem Camper. Als ich mich endlich aufraffen konnte, war es bereits Nachmittag.

Ich schaffte es bis zum Tor der Medina, dann traf ich auf den klammeraffenartigsten Marokkaner, der mir bislang begegnet ist. Er lief sicher 100 Meter neben mir, ich konnte aber in diesem Augenblick keine Gesellschat ertragen, schon gar nicht von diesem zwielichtigen Faux Guide.
Wohl weil ich lange Haare habe, rief er mir zu:
„I was in Woodstock.“
Wie alt, dachte er eigentlich, wäre ich? Frechheit.
Ich wurde etwas schroff, was mir jetzt und bereits kurze Zeit danach Leid tat, doch anders wusste ich mir nicht zu helfen.
Er blieb freundlich und verabschiedete sich mit den Worten: „I wasn’t really in Woodstock.“
Als ich später Nina davon erzählte, lachte sie sich kaputt. Es ist wirklich eine kleine und lustige Episode.
Es war Markttag in Sefrou und somit herrschte reichlich Getümmel. Die Auswahl an Markenartikeln war riesig, Unterwäsche von Hugo Boss, Armani T-Shirts, Jeans von D&C – alles, was des Marokkaners Herz jubeln lässt. Wenn eines Tages einmal die Regeln des Copyrights Einzug halten, läuft halb Marokko sicher nackt herum. Auch ein interessanter Gedanke. Ich nahm nicht viel wahr von der Stadt, sie ist bestimmt an normalen Tagen beinahe schläfrig, entspannend, heute jedoch war es mir sofort zu viel. Ich zog mich in ein Internetcafé zurück, zum Glück war bald darauf Nina online, so dass wir sicher über eine Stunde chatten konnten.
Nebenher verfolgte ich ein Cricketmatch der zurzeit stattfindenden T20 Weltmeisterschaft, England gewann gegen Pakistan und ich war froh, dass KP wieder zu seiner alten meisterlichen und spektakulären Form zurückgefunden und diesen Sieg förmlich heraus geschlagen hat.
Dass die CDU die Wahl am Sonntag in NRW voraussichtlich verlieren wird, interessiert mich weniger, was ich als gutes Zeichen betrachte. Politik ist etwas für eine bestimmte Sorte Mensch, die an Intrigen und faulen Kompromissen Gefallen finden. Beides war noch nie meine Sache. Somit bleibe ich lieber bei einer der fairsten Sportarten. Die ist wenigstens ehrlich. Zumindest in England.

Das ist sicher einer der kürzesten Berichte, doch auch das geschieht beim Reisen – die Tagesform ist manchmal unter der Norm, wie auch sonst im Leben. Morgen fahre ich weiter, Richtung Volubis, von dort ist es auch nach Meknes nicht weit. So werde ich sicher meine letzten Tage beschließen und hoffe, mich rechtzeitig für das Finale meines Marokko-Besuchs zu erholen.