Palermo – Monreale 

Es war gestern ein feucht-fröhlicher Abend. Zusammen mit einigen anderen Reisenden feierten wir, aßen Pasta und tranken viel zu viel Wein. Das Ergebnis war das Übliche. Die Nacht war unruhig, am Morgen hatte ich natürlich einen kräftigen Kater und aus dem Bett kam ich auch nicht rechtzeitig. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sehr früh zu starten, denn ich hatte einen weiten Weg vor mir, gegen mich arbeiteten die unmöglichen Öffnungszeiten der sizilianischen Attraktionen. Gegen zehn war ich jedoch unterwegs, meiner Berechnung nach sollte es reichen. Wer konnte ahnen, dass ich beinahe ein Desaster erleben würde. Der erste Bus kam nicht. Zwanzig Minuten stand ich an der Haltestelle, war schon soweit zu verzweifeln. Bevor ich mich jedoch wieder auf den Heimweg machte, kam er doch noch. Den zweiten Bus erreichte ich rennender Weise in letzter Sekunde, bevor er mir vor der Nase wegfahren konnte. Hier rächte sich das gestrige Gelage, denn nach dem üppigen Zuspruch an Alkohol bin ich immer völlig außer Form. Meine Lunge stach, das Herz raste, aber ich hatte es geschafft, saß im Bus. Was aber auch nicht half, denn der bewegte sich kaum vorwärts. Zehn Minuten später hatten wir vielleicht zweihundert Meter geschafft. Es war zum Verrücktwerden. In der Stadt war ich dann weit nach elf. Um den nächsten Bus nach Monreale zu nehmen, musste ich an der Porta Nuova vorbei zum Piazza Indipendenza laufen, sicher ein kleiner Fußmarsch von mehr als einem Kilometer. Wenigstens ging es voran, sicher schneller als in den Öffentlichen. An der Haltestelle angelangt, wartete ich zusammen mit vielen anderen Touristen, die die gleiche Idee gehabt hatten wie ich. Stoisch ertrugen wir das Voranschreiten der Zeit, wohl wissend, dass mit jeder Sekunde unsere Zeit im Dom Monreales abnehmen würde. Als der Bus endlich kam, war es bereits weit nach halb zwölf. Wie zu erwarten war, bewegten wir uns im Schneckentempo voran, erst durch den Verkehr gehemmt, dann durch die satte Steigung, mit der jeder Diesel zu kämpfen gehabt hätte. Endlich waren wir da, es war bereits Viertel nach zwölf. Uns blieb eine halbe Stunde, um eine der schönsten Kirchen in Sizilien zu sehen, außen ein wuchtiger, normannischer Bau, innen aber fein dekoriert. Man muss sich das vorstellen, ich war über zwei Stunden unterwegs, um letztlich 30 Minuten Zeit zu bekommen. Ich machte das Beste daraus.

Im Dom wurde mein Blick sofort in die Höhe gezogen. Herrliche, byzantinische Mosaike zieren die Wände, überall glitzern die goldenen Steine herab. Der Chor wird von einem gewaltigen Jesus geziert, der einer Hagia Sofia zur Ehre reichen würde. Die Bilder im Schiff sind allesamt auch von unten gut zu erkennen. Selbst ich konnte ihnen folgen, erinnerte mich an so manche Bibelgeschichte.
Ich kann nicht sagen, dass ich auf meine Kosten kam, wenn ich denn etwas bezahlt hätte. Ich schaute mich um so gut ich konnte, entdeckte dann den Aufgang zur Terrasse. Eigentlich war es bereits zu spät, doch der Wächter gab mir zehn Minuten, was sicher reichen würde. Nun, es reichte gerade, um kurze Blicke zu werfen. Auf dem Weg nach oben erblickte ich von oben den Klostergarten. Ich liebe diese Gewölbe, die den Blick auf den Innenhof freigeben, auch wenn ich das alles nur von oben sehen konnte. Aber immerhin. Durch enge Gänge erreichte ich bald die Terrasse, erblickte unter mir in der Ferne Palermo. Die Berge umkreisen die Stadt als wollten sie sie beschützen. Leider begann es zu regnen, so dass die Fotos sicher nicht so geworden sind, wie ich es erhofft hätte. Dennoch genoss ich diesen friedlichen Ausblick auf die nervöse Stadt, die von oben so still aussieht.
Bald schon wurden wir wieder hinuntergerufen. So lange ich konnte blieb ich noch im Dom, sicher nicht mehr als fünf Minuten, dann ging plötzlich das Licht aus. Punkt 12:45 wurde der Dom geschlossen, vor dem späten Nachmittag würde er nicht mehr geöffnet. Wenigstens habe ich ihn gesehen, auch in der kurzen Zeit war es ein Erlebnis der besonderen Art.

Monreale hatte mir nicht mehr viel zu bieten, wahrscheinlich auch Dank des immer stärker werdenden Regens. So also beendete ich bald meinen Ausflug in die Berge vom Palermo. Über zwei Stunden Anfahrt, um eine Stunde dort zu bleiben, ich haderte etwas mit dem Schicksal. Ich bin allerdings selbst schuld, was feiere ich auch so lange.

Wieder im Zentrum angekommen, entschied ich mich, einfach auf Entdeckungsspaziergang zu gehen. Ich fand schon bald eine römische Ausgrabungsstätte, schön gelegen mitten in einem Palmengarten des Piazza della Vittoria. Hier konnte ich die Grundmauern eines römischen Domus bewundern. Auch die Mosaike sind erhalten, es müssen prächtige sein, wenn man nach den Beschreibungen geht. Sie sind leider zugedeckt, um sie zu schützen. Für so etwas habe ich vollstes Verständnis, so bleiben sie wenigstens für die nächsten Generationen erhalten, bevor sie der sizilianischen Luftverschmutzung zum Opfer fallen.
Ich schlenderte weiter, mitten in das Viertel Albergheria hinein. Hier wurden sämtliche Vorurteile Palermos bestätigt. Völlig vernachlässigt, ärmlich, vor sich hin krümelnde Gebäude, die alle sicher schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel haben…. Die Gesichter der Menschen sind hier anders. Verhärmt, misstrauisch, vielleicht sogar eine Spur feindlich. Nachts würde ich sicher nicht hier spazieren gehen. Ich bog auf einen Markt ein, fühlte mich sofort sicherer.
Ich machte viele Fotos auf diesem Erkundungsgang, dokumentierte das Palermo, das Touristen vielleicht nicht zu sehen bekommen. Nicht immer wusste ich, wo ich war, es spielte aber auch keine Rolle. Irgendwann stand ich auf der Via Maqueda, nicht weit vom Bahnhof entfernt. Es war vielleicht das bislang eindrucksvollste Erlebnis in Palermo, ein Ort, der nicht versteckt, was er ist. Ein Armenhaus mitten in der Stadt.
Ich setzte meinen Weg fort, lief auch durch das Viertel La Kalsa, das ebenfalls einen verruchten Eindruck macht. Allerdings fühlte ich mich wesentlich sicherer als noch am ersten Tag. Der erste Eindruck war etwas verflogen, auch wenn es natürlich immer noch genauso heruntergekommen ist. Vielleicht aber meldete sich auch die Müdigkeit, so dass ich nicht aufmerksam genug war für die Atmosphäre, ein Zeichen, dass man einen Besuch besser ein anderes Mal fortsetzt. Ich spazierte noch zum Hafen La Cala, ging dann langsam wieder zurück. Für heute hatte ich genug, auch wenn ich nicht viele Stunden in Palermo gewesen war.

Morgen bleibe ich noch, gehe vielleicht ins archäologische Museum. So sicher ist das aber nicht. Ich hoffe, dann jedenfalls besser in Form zu sein. Da es wieder regnet, ist das vielleicht auch die beste Wahl.