Wieder hatte ich mir etwas vorgenommen.
Zwar schmerzten meine Beine noch von der gestrigen Wanderung, aber ich beginne langsam, meinen Körper zu verstehen. Zwar verspüre ich, wenn ich anfange zu laufen, noch immer Muskelkater, aber der verschwindet mit der Zeit. Eigentlich bereits nach ungefähr einem Kilometer, dann werden die Beine wieder leicht. Zumindest eine zeitlang. Noch habe ich nicht verstanden, wie oft und wann ich pausieren muss, um möglichst lange auf den Beinen bleiben zu können. Es ist nie ein Konditionsproblem, sondern immer ein muskuläres.
An diesem Tag wollte ich nach Ploumanach, um dort ein weiteres Stück dieser beeindruckenden Küstenlandschaft zu sehen. Ich hätte auf Asphaltstraßen abkürzen können, um dorthin zu gelangen, wollte aber nochmals nach Trégastel an die Küste. Wieder einmal herrschte Ebbe, so dass ich einen großen Teil des Weges wattwandern konnte. Eigentlich war es kein Watt, sondern ein Stück verlängerter Strand, der bei Flut dann nass wird. Aber das verstand ich erst am Folgetag. Also später.
Am Ende des Plage St. Anne fiel mir ein alter Katamaran auf. Er war sehr schmutzig, was ich erst bemerkte, als ich schon ziemlich dicht davor stand. Auch die Fenster fehlten oder waren zerbrochen. Ein Wrack also, auch wenn der Rumpf noch gut aussah, so weit ich das als Landratte beurteilen konnte. Doch das einst stolze Schiff lag hier und verrottete vor sich hin. Die Takelage war noch gespannt, die Drähte in Ordnung, sodass ich mich kurzerhand nach oben schwang. Es war ein ziemlich trostloser Anblick. Der Motorraum war überflutet, der Wohnbereich voller kaputter Möbel. Der Herd sah noch ansehnlich aus. Das war aber auch das Einzige. Trotzdem erstaunte mich der Platz. Ziemlich groß, wie ich fand. Würde so etwas zum Leben darin reichen? Nur so eine Idee. Müßige Gedanken an einem herrlichen sonnigen Tag. Kurz darauf setzte ich meinen Weg fort.
Fast hatte ich meine Reiseziel bereits erreicht. Ein kleines Stück an der stark frequentierten Straße entlang, dann lag der Hafen von Ploumanach vor mir. Bei Ebbe ist es immer ein seltsamer Anblick. Statt lustig schaukelnde kleine Boote liegen dieselben schräg im Matsch, der den Meeresboden bildet. Aber daran hatte ich mich längst gewöhnt. Ich musste um das ganze Hafenbecken herumlaufen, um den kleinen Ort zu erreichen. Er interessierte mich nicht besonders. Die Küste dafür umso mehr. Was mir allerdings auffiel, war die Tatsache, dass mehr Menschen unterwegs waren. Trégastel ist von den Touristenmassen etwas verschont geblieben, zumindest um diese Zeit. Ploumanach anscheinend nicht. Viele Urlauber betraten mit ihren Badelatschen die steinigen Wege, für die ich feste Wanderschule gewählt hatte. Aber das ging mich nichts an. Die Wege waren verschlungen, teilweise durch Bäume vor der Sonne geschützt. Aber immer wieder tauchten sie auf, diese skurrilen Felsformationen. Besonders auf die Île de Costaérès hatte ich wundervolle Ausblicke, mit diesem verwunschenen Schloss darauf, das übrigens Zweitwohnsitz von Didi Hallervorden ist. Es zieht die Blicke von allen auf sich. Nicht schlecht gewählt, Didi.

Ploumanach

Nach einem Rechtsschwenk befand ich mich fast wieder in der Stadt. Auf einem kleinen Strand, dem Plage Saint-Guirec, war viel zu viel los. Zwei Schulklassen tobten und tollten umher. Ich machte, dass ich fortkam. Fluchtartig. So wie Dutzende andere auch.
Es ist eine neue Erfahrung. Bislang war ich bei meinen Wanderungen immer recht einsam unterwegs. Die Tatsache, dass ich die Pfade mit so vielen teilen musste, nahm mir einen Teil des notwendigen Abenteuer-Gefühls. Natürlich lohnte sich der Marsch entlang der Küste trotzdem, die Eindrücke sind nicht minder imposant im Vergleich zum Vortag. Trotzdem entfaltete sich nicht die gleiche Wirkung. Der Zauber wirkte etwas weniger, ohne jedoch vollkommen zu versiegen. So wurde es immerhin zu einer wundervollen Wanderung.
Als ich das Senioren-Ressort Perros-Guirec aus der Ferne erblickte, beschloss ich umzukehren. Schließlich musste ich ja auch wieder zurück. Den meisten Teil der Strecke blieb ich auf dem Küstenpfad, doch ich wollte noch einen Blick auf dieses winzige Fischerörtchen Saint-Guirec werfen, an dem ich vorher vorbeigelaufen war. Hätte ich mal diesem Drang widerstanden. Denn ich fand wieder ein bisschen Disney World. Eine Creperie an der anderen, dazu die typischen britischen Souvenirs, die immer dieselben sind. Tassen, T-Shirts, Galette, usw. Und ziemlich voll war es auch . Irgendwo mussten die vielen Menschen auf den Wanderwegen ja hin. Also war es Zeit zu gehen. Noch nicht einmal einen Kaffee gönnte ich mir. Es gefiel mir einfach nicht.
Langsam spürte ich den langen Marsch in den Beinen. Es war an der Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Vorher besuchte ich den SuperU, vergaß trotzdem so einiges. Wie ich das immer schaffe. Zwar brauche ich oft nur einige wenige Artikel, trotzdem vergesse ich immer ein oder zwei davon. Aber das ist nicht mehr zu ändern. Ich war auch müder als ich mir eingestehen wollte. Als ich endlich den Laden verließ, lief ich wesentlich langsamer als noch am Morgen. Dieses Mal nahm ich die Abkürzung auf Asphaltstraßen. Es war kein schöner Marsch, nur ein effizienter. Kräfte sparen, auch wenn ich nichts übrig hatte, was ich hätte sparen können. An diesem Tag habe ich nicht die notwendigen Pausen gemacht, wie ich heute verstehe. Zu allem Überfluss verlief ich mich in dem Gewirr der Straßen in Landrellec. Nicht schlimm, aber in dem müden Zustand, in dem ich mich befand, zählte jeder Schritt. So erreichte ich irgendwann den Campingplatz.
Ich merke allerdings, dass ich fitter bin, als noch vor einigen Wochen, auch wenn mein Weinbäuchlein etwas anderes vermuten lässt. Nach einer Stunde hatte ich mich soweit erholt, dass ich schreiben konnte, was ich in Zukunft immer auf die späteren Stunden verschieben werde. Es ist nur ein Reisejournal. Es liest sowieso niemand außer mir.
Danach war ich soweit wiederhergestellt, dass ich problemlos nochmal einen kleinen Strandspaziergang machen konnte. Erstaunlich. Das Meer war wieder da, einige Leute trauten sich sogar zu schwimmen. Für mich ist das nichts. Zu kalt, zu nass, zu sandig. Aber ich mag es, mich auf einen Felsen zu setzen und dem Meer zuzuhören.
Das ist schließlich auch etwas.