Pappenheim

Als der Morgen graute, wusste ich, dass ich an diesem Tage Abschied von den Alpen nehmen würde. Zwar hatte ich noch gestern darüber nachgedacht, doch noch nach Reutte zurückzufahren, aber letztlich weiß ich, dass ich so etwas nie mache. Zurückfahren.
Trotz eines frühen Starts in den Tag ließ ich mir Zeit. Ein wenig wehmütig stimmte es mich doch, nach nun 23 Tagen die Bergwelt zu verlassen. Dann aber war es so weit, noch die Scheiben vom Ford geputzt, durch die ich kaum noch schauen konnte und dann ging es los. Ich war wieder einmal erstaunt, wie schnell das Land flacher wird. Die Gipfel verschwanden im Dunst des Morgens, dann war es still, denn sie riefen nicht mehr. Irgendwie verspürte ich kaum noch Lust weiterzureisen. Jede Wanderung in einem seichten Mittelgebirge konnte mich nicht mehr interessieren, auf Städtetouren bin ich nicht eingestellt. Das Gefühl ist anders als auf einer wirklich großen Reise, auf der man weiterfährt, sich ständig auf Neues einlässt. Ich mache gerade die Erfahrung, wie es ist, eine Gegend etwas intensiver als sonst erfahren zu haben. Und ich stelle fest, dass es nachwirkt. Der Eindruck ist stärker, hat sich eingeprägt und lässt mich nicht so schnell los wie zum Beispiel ein schneller Besuch in den Julischen Alpen in Slowenien oder einen Wandertag im Apennin.

Ich fuhr also weiter bis ins Altmühltal, da sitze ich nun in Pappenheim und genieße die fränkische Gelassenheit. Die Hügel sind sanft, die Natur ausladend, der Herbst kündigt sich noch stärker an als in den Alpen. Und doch wirken Letztere noch so stark nach, dass ich im Moment nicht anders kann, als es bei einem kurzen Aufenthalt zu belassen. Diese Gegend hat mehr verdient als nur eine Stippvisite. Es ist ganz sicher herrlich hier, aber am Ende kann es mich für den Augenblick nicht verzaubern. Das ist es aber, was ich möchte. Ich möchte mich auf den Zauber einlassen können.
Wenn ich es recht bedenke, würde ich eine Fahrt wie meine Europatour wahrscheinlich heute anders gestalten. Statt 15 Ländern nur 5, die aber dafür richtig. Es geht nicht darum, Trophäen zu sammeln, sondern tiefe Erfahrungen zu machen, die man eben nicht mitbekommt, wenn man so schnell wie ich wieder abfährt. Wohl dem, der es sich natürlich leisten kann. Ich spiele gerade extrem mit dem Gedanken, wenn die Zeit meines Campers gekommen ist, was hoffentlich erst in zweieinhalb Jahren der Fall sein wird, erst einmal keinen mehr anzuschaffen. Und einfach mal für einige Monate zu Fuß loszuziehen. Eine Wanderung von hier bis nach Sizilien. Nur zum Beispiel. Auch der Jakobsweg wäre interessant, aber bitteschön von Berlin aus. Ich weiß ja jetzt, dass das Laufen intensiver ist, meditativ und ausgleichend. Die Entdeckung der Langsamkeit mache ich ja gerade durch, denn ich musste auf der ganzen Fahrt nur selten tanken. Schön, wenn das wegfällt. Dann wäre ich eben ein Pilgerer der besonderen Art. Ein toller Gedanke, beinahe beginne ich bereits, diese Reise zu planen. Aber jetzt ist erst einmal Schluss damit. Denn noch ist diese Fahrt nicht beendet. Ich weiß noch nicht, wo ich morgen hinfahren werde. Nach Berlin noch nicht, aber weiter in jedem Fall.