Platamonas

Ein wolkenverhangener Himmel, kühle Temperaturen und ein immer leerer werdender Campingplatz lassen das Gefühl von Melancholie noch größer werden. Beinahe hätte ich mich entschieden, ebenfalls heute abzufahren, so wie die wenigen noch verbleibenden Urlauber. Doch um meine Stimmung stand es nicht sehr gut, irgendwie fühlte ich mich verloren und noch nicht bereit abzureisen. Hatte ich mir vorgenommen, irgendwo eine Woche zu bleiben, um zu arbeiten, stellt sich das im Augenblick als eher störend heraus. In jedem Fall las ich heute wenigstens über Thessaloniki und auch anderes, aber dazu später.

Erst um zehn hatte ich mich wirklich entschieden, aber immerhin bis dahin schon einiges gepackt. Es war einer der seltenen Fälle, in denen ich mich nochmals gestoppt habe, meist komme ich gegen die eigene Dynamik nicht mehr an. Aber ich hätte nicht gewusst wohin, mein schlechtes (Arbeits-) Gewissen wäre mir auf Schritt und Tritt gefolgt und auch war ich nicht auf Thessaloniki vorbereitet. So etwas ist wichtig, denn um einen Ort zu besuchen, muss man bereit für ihn sein. Und der Ort für einen natürlich auch. Nach einigem Hineinhorchen in mich selbst merkte ich, dass beides noch nicht der Fall war. So blieb ich und versuchte, mein gestriges Versprechen einzulösen.
Es war zum Mäusemelken. Mein innerer Schweinehund war plötzlich so stark, dass ich es physisch kaum schaffte, das Netbook anzuschalten. Also lief ich zum Strand, um es dort zu versuchen. Dort las ich erst, mein Gewissen nagte an mir wie eine hungrige Ratte an einem Stück Käse, wild und ungezähmt. Also legte ich los.
Warum es so schwer ist, mit der Überarbeitung zu beginnen, kann ich nur vermuten. Ich kann mir vorstellen, dass ich selbst Angst davor habe, mit dem Unsinn, den ich geschrieben habe, konfrontiert zu werden. Aber nach einigen Zeilen bemerkte ich, dass es kein Unsinn war. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mit meinen Figuren gelitten habe, und gelitten haben sie sehr. Manchmal war ihnen Erfolg beschert, oft nicht, und nicht alle haben überlebt. Jetzt muss ich durch all das nochmals hindurch.
Ich habe zwei Sessions gearbeitet, beide waren sehr intensiv. Ich verbessere inhaltlich und sprachlich, Orthografie und Grammatik mache ich ein anderes Mal bzw. lasse es vielleicht machen. Nicht dass ich es ignoriere, wo ich Fehler sehe, verbessere ich natürlich. Trotz einiger Arbeit habe ich nur vier Seiten geschafft. Vier von 185 (!). Und danach war ich fix und fertig, denn anscheinend strengt mich diese Arbeit mehr an als das Schreiben selbst. Es ist trotzdem schön zu sehen, dass 90 % der Sachen stehen bleiben, manchmal fallen mir bessere Formulierungen ein oder ich muss inhaltlich etwas korrigieren, doch im Großen Ganzen ist es schon recht stattlich. Und es ist der Anfang, bei dem ich noch nicht gewusst habe, wohin mich die textliche Reise führt. Es bleibt abzuwarten, ob ich nicht im Laufe der Zeit schneller werde, weil der Fluss eher später kam. Ich werde in jedem Fall dran bleiben. Es ist schließlich spannend, das weiß ich nach dem heutigen Tag, den ich wie selten spüre, denn ich habe mich anständig verausgabt.

Trotzdem ist es mir hier zu einsam. Die Gegend macht mich beinahe schon traurig, so dass es sicher besser ist, morgen das Weite zu suchen. Auch ist es etwas langweilig. Leider gibt es in Thessaloniki keinen Stadt-Campingplatz, denn das wäre jetzt genau das richtige. Wir werden sehen.
Ich habe heute damit begonnen, mich ein wenig ernsthafter mit der bevorstehenden Etappe in den Orient zu befassen. Istanbul liegt auf dem Weg, das ich sicher in ca. 10 Tagen erreichen werde, vielleicht schon eher. Es wird sicher ein Höhepunkt der besonderen Art. Ebenfalls habe ich recherchiert, wie es nach der Türkei weitergehen könnte. Ich habe kein syrisches oder jordanisches Visum. Aber ich habe Berichte von Reisenden gelesen, die an der Grenze eines bekommen haben. Aber das ist wohl die Ausnahme. Ich beginne langsam damit, das alles etwas entspannter zu sehen. Wenn ich ein Visum bekomme, ist es gut. Wenn nicht, dann soll es eben so sein. Mal sehen, was letztlich geschehen wird, vieles wird vom Wetter abhängen, denn um ehrlich zu sein wird es Winter sein, wenn ich Syrien erreiche. Vielleicht ist es besser, diesen am Meer zu verbringen, nicht in den Bergen.
Das alles sind Entscheidungen, um die ich mich nicht herumdrücken kann. Aber ich habe auch noch Zeit. Es ist wie beim Snooker – easy pots first. Die anderen entwickelt man eben mit der Zeit oder man gewinnt das Spiel schon vorher. Immer vorausgesetzt natürlich, dass man sich keinen groben Schnitzer erlaubt, denn dann wäre der andere dran. Aber das werde ich nicht.
Morgen geht es weiter. Zeit wird es….