Verdonschlucht bis Grasse

Es ist wieder ein eigenartiges Gefühl, wenn ein Reiseabschnitt zu Ende geht. Mit Ninas Abreise am Sonntag laufen meine französischen Abenteuer ebenfalls langsam aus, vielleicht erst ein oder zwei Tage später, die jedoch ganz im Zeichen von Materialbeschaffung stehen: Ich brauche zwei neue Vorderreifen, weil meine einmal mehr einseitig abgefahren sind.
Ein zweites Mal innerhalb von drei Wochen fuhren wir die Verdonschlucht entlang, wieder ließ ich sie viel zu schnell hinter mir, doch an ein Wandern ist bei dieser Hitze nicht zu denken. Schleppend langsam schlichen wir den Canyon hinauf. Aus Erfahrung wusste ich, dass die 45 Kilometer bis Castellion die schönsten, aber auch die schwierigsten werden würden. Die Schlucht sah jetzt, im gleißenden Sonnenlicht, anders aus, nicht mehr ganz so magisch wie noch vor drei Wochen, jedoch nicht weniger spektakulär. Irgendwann einmal muss ich mir einmal eine Woche Zeit nehmen, um hier ausgiebig zu wandern. Dann aber sicher nicht um Juli.

Castillion erreichten wir nach gut anderthalb Stunden, bei meiner ersten Fahrt hatte mich der Anblick der Kapelle hoch über dem Dorf so sehr beeindruckt. Jetzt auch wieder, so dass wir beschlossen, zumindest eine kleine Pause zu machen. Bei näherem Hinsehen fiel mir auf, dass es nicht weniger als ein halbes Dutzend Campingplätze hier gibt, viele Hotel und Parkplätze, deren Anzahl beinahe im vierstelligen Bereich gemessen werden dürfte. Was beim raschen Durchfahren wie ein idyllischer Ort zum Verweilen ausgesehen hatte, entpuppte sich als böse Touristenfalle. Besonders Camper werden beim Parken unrechtmäßig ausgenommen, es sind die Einzigen, die nur auf zu bezahlenden Flächen stehen dürfen. Ich aber ließ mich nicht überlisten, denn beim Camper handelt es sich immer noch um einen Transit, ein übliches Fabrikat für Lieferfahrzeuge, so dass ich mich zu den PKWs gesellte. Das Dorf war herausgeputzt bis zur Selbstaufgabe, die Souvenirläden und Hotels wechselten sich in einer Tour ab. Zu überkandidelt, zu perfekt, so fuhren wir nach einem kleinen Spaziergang und einem Kaffee weiter.

Der Rest der Strecke bis Grasse war im Grunde nicht weniger interessant als bislang, wir fuhren viele Pässe entlang, deren höchster immerhin 1169 Meter erreichte. Entsprechend langsam bewegten wir uns voran, was den Vorteil hat, dass man als Fahrer zumindest manchmal den Blick heben und die Aussichten bewundern kann. Serpentinen und enge Straßen waren jedoch reichlich vorhanden, so dass die Strecke mich durchaus vor einige Herausforderungen stellte. Mit PKW muss sie sicher zu einem absoluten Ereignis werden, mit dem Camper jedoch ist es bisweilen anstrengend. Für die ca. 110 Kilometer brauchten wir heute beinahe vier Stunden, kamen zur heißesten Zeit des Tages in Grasse an. Es gibt nur einen Campingplatz, der zwar nicht der schönste ist, aber direkt bei einem Auchan liegt, so das wir Vorräte aufstocken konnten. Auch um beinahe 18 Uhr ist es noch unerträglich heiß, so dass dieser Tag als reiner Fahrtag in mein Journal eingehen wird. Es ist ein spektakulärer Abschied von Frankreich, vielleicht werde ich noch die eine oder andere Corniche an der Cote d’Azur abfahren, aber das entscheide ich ein anderes Mal.

Grasse wird morgen unsere letzte Station zu zweit, bevor Nina am Sonntag Mittag abfliegt. Danach beginnt wieder mein einsamer Überlebenskampf inmitten der hungrigen Touristen, die bereits jetzt in Unmengen ans Meer strömen und ich hoffe, die nächsten zwei Monate unbeschadet zu überstehen. Wahrscheinlich wird es erst wieder etwas ruhiger, wenn ich Montenegro erreiche, aber warten wir es erst einmal ab. Das nächste Land ist Italien, zu dem ich an geeigneter Stelle mehr schreiben muss, denn es ist ein Land, das meine Wege immer wieder gekreuzt und beeinflusst hat, ohne jedoch wirklich Teil von mir zu werden. Da war Frankreich an sich schon erfolgreicher, denn hier habe ich ein knappes Jahr leben dürfen. Italien hat mich noch nicht so lange ausgehalten, aber was nicht ist, kommt vielleicht noch. Wie gesagt, ich werde meine Geschichte mit diesem Land immer wieder einstreuen, wenn ich mich an den entsprechenden Orten aufhalte.