Wieder ein Wandertag, mein längster bisher.
Wegen der relativen Kälte und des nicht nachlassenden Windes begann der Tag früh. Zwar lasse ich mich nicht hetzen, folge aber schon meiner inneren Uhr. Auch scheint der Wind in der Früh nicht ganz so heftig zu blasen, aber vielleicht ist das Einbildung.
Schon gestern hatte ich für den heutigen Tag alle Vorräte eingekauft. So etwas entspannt mich, weil ich weiß, dass ich diesbezüglich nichts zu erledigen habe. So etwas erfordert immer ein gehöriges Maß an Planung, aber eben dafür sorgt, dass ich an Tagen wie diesen Luft und Zeit habe, weil ich mich nicht um diese schnöden Einkäufe kümmern muss. Also konnte ich mich problemlos auf die Wanderung konzentrieren.
So ging ich hinunter zum Strand, um den Wanderweg, wie immer der GR34, zu suchen. Man kann hier sicher sein, dass er an der Küste irgendwo auftaucht. Nach wenigen Minuten hatte ich ihn gefunden und begann die Wanderung. Ich wusste, dass ich ca 20 km vor mir hatte, zehn hin, zehn zurück. Noch am Vortag habe ich mit mir gekämpft, ob ich mit dem gesamten Gepäck losmarschieren sollte, einfach um es einmal zu machen. Also von einem Ort zum anderen zu laufen, wie ein echter Wanderer, ohne zurückkehren zu müssen. Aber immer wenn ich auf meinen anscheinend immer voller werdenden Seesack starre, komme ich davon ab. Für solche Abenteuer müsste ich noch mehr Gepäck loswerden. Was auch ginge. Aber immer mit einem weiteren Verlust an Komfort, der ja sowieso bereits stark eingeschränkt ist.
So also musste ich nicht viel tragen, nur etwas Wasser und Proviant. Und den e-reader Punkt und das Tablet, Kamera, Aufladekabel. Also ganz ehrlich, ich muss wirklich mal darüber nachdenken, was ich eigentlich auf solchen Touren brauche.
Der Himmel war übrigens ziemlich bedeckt, was mich dazu veranlasste, mich nicht mit Sonnenschutzcreme einzucremen. Natürlich hatte ich dann abends einen gehörigen Sonnenbrand. Auch wenn die Sonne nur selten zu sehen war und auch nicht heiß schienen, entfaltete sie doch ihre volle Wirkung. Und ich falle immer wieder darauf herein.
Ich genoss wieder herrliche Aussichten, um einmal wieder zum Thema zurückzukommen. Das Wasser spiegelte in Hunderten von Farben. Ungelogen, es ist einfach so reich an Eindrücken. Die Felsen nehmen alle möglichen Gestalten an, die Vegetation ändert sich ständig, so dass es nie langweilig wird. Ich kann es nur wiederholen, es ist ein Fest für die Sinne. Für mich ist es sogar manchmal zu viel. Zu vielfältig sind die Eindrücke, so dass meine Wahrnehmung sich oft gehörige Auszeiten nimmt. Ganz im Ernst, für mich ist das Wandern meditativ. Während ich laufe, drängen sich mir Erinnerungen auf, aus Situationen aus der Vergangenheit, die ich wieder und wieder durchspiele. Natürlich nicht so, wie sie wirklich geschehen sind, sondern wie ich ihnen heute begegnen würde. Und besser lösen könnte. Das ist immer leichter gesagt, denn damals hatte ich eben noch nicht die Erfahrungen. Dennoch lassen sich Situationen immer einmal wieder blicken. Das Gute daran aber ist, dass ich anscheinend irgendwann einmal mit diesen Situationen, oder besser Menschen, fertig bin. Sie tauchen dann nicht mehr auf. Nie wieder. Natürlich sind sie alle physisch schon längst aus meinem Leben verschwunden. Aber mental trage ich offensichtlich immer noch einige von ihnen mit mir herum. Wahrscheinlich ist das ganz normal. Aber auf diese Weise sorge ich dafür, dass ab und an einige von ihnen meinen Kopf verlassen können. Ein paar dürfen bleiben. Denn ich brauche immer abstruse Charaktere für meine Romane.
Wanderung zum Pointe de Corsen
Das Wandern aber lässt auch Ideen freien Lauf. Ich habe damit begonnen, sie aufzuschreiben. Oder zu zeichnen. Sonst gehen sie zu schnell verloren. Diesbezüglich habe ich bereits eine Schrankwand für das Schlafzimmer entworfen und durchgeplant. Sogar einige Schwierigkeiten, auf die ich stoßen werde, habe ich bereits gelöst. Es wird ein ziemlich aufwendiges Projekt, mit alten Koffern und raffinierten Schiebetüren. So stelle ich es mir jedenfalls vor. Es wird gut zu den abgeschliffenen Böden passen. Aber das ist noch gar nicht gemacht.
Auch denke ich immer ernster darüber nach, meine geplante Pilgertour nach Santiago im nächsten Jahr zu verschieben. Oder ganz sein zu lassen. Das beschäftigt mich sehr. Aber eigentlich brauche ich sie nicht. Lieber einmal eine Woche oder zwei in die Alpen fahren und laufen, danach die Ideen nutzen. Ich glaube, das ist besser.(Anmerkung: Sie hat tatsächlich nie stattgefunden)
Die Wanderung heute zog sich natürlich hin. Es ist immer wieder erstaunlich, wie weit Küstenwege sind. Da sieht man einen Felsvorsprung, der gefühlt einen Kilometer entfernt liegt. Trotzdem sind es 5, weil man jede Bucht auslaufen muss. So war es auch an diesem Tag. Ich konnte gut erkennen, wo ich eigentlich hinwollte, schon am Anfang der Wanderung sah ich den Leuchtturm Phare de Trézien, der in der Nähe des Pointe de Corsen stand, den westlichsten Zipfel Frankreichs. Relativ frisch erreichte ich mein Ziel. Hatte ich geglaubt, mir die Ferne des Atlantiks ansehen zu können, praktisch nur Wasser zwischen mir und den Amerikas, wurde ich enttäuscht. Denn ich blicke auf die Île d’Ouessant . Also war ich doch nicht so weit westlich wie ich gedacht hatte.
Kurz darauf machte ich kehrt. Der Rückweg erschien mir naturgemäß länger, weil ich immer müder wurde. Zeitlich gesehen war es kein Problem, um 10 Uhr war ich losgelaufen, gegen 15 Uhr sah ich die Fahnen des Campingplatzes. Ich lief vorbei, denn ich brauchte unbedingt einen Kaffee, und zwar einen richtigen. Nicht die Pulver-Espressi, mit denen ich sonst überleben muss. So also ging ich weiter nach Le Conquet. In der Bar verbrachte ich dann zwei Stunden mit Surfen und Schreiben. Mir gefiel das. Auch konnte ich meine nächsten Reiseziele recherchieren. Es ist immer gut, Optionen zu haben.
Morgen fahre ich ab.
Genau zur richtigen Zeit.