Nizza

Gestern also waren wir in Nizza.
Vor beinahe 20 Jahren war ich schon einmal hier, damals als Student, der meinte, etwas für sein Französisch machen zu müssen. Zwei Wochen Sprachunterricht, zusammen mit anderen Studenten aus aller Herren Länder. Irgendwie klar, dass die Sprache schnell nicht mehr im Vordergrund stand. Ich habe also beste Erinnerungen an Nizza, auch wenn es schon sehr lange her ist.
Wir campten in Cagnes, also einige Kilometer entfernt, mitten in einem Tal, von dem aus wir erst einmal in Richtung Meer kommen mussten. Es ging erstaunlich schnell, das öffentliche Nahverkehrssystem funktionierte perfekt. Binnen Minuten waren wir am Meer, kurze Zeit später in einem Bus, der uns nach Nizza bringen sollte. Im Rough Guide hatte ich gelesen, dass Nizza voller „faded charme“ sein sollte. Ich kann für mich diese Einschätzung nicht bestätigen. Der Anblick, der sich uns erbot, als wir den Flughafen passiert hatten, war der einer schier endlosen Sichel aus Promenade, Strand, Meer und einer Reihe eleganter Hotels aus der Belle Epoque. Die See aber ist das herausragende Element. Sie bestimmt die Stadt, alles darum fügt sich ins Bild, eher als Statist, denn als Protagonist. So verwunderte es auch nicht, dass wir schon recht bald aus dem Bus ausstiegen, um diese gewaltige Sichel entlangzuspazieren, denn nur auf diese Weise kann man Nizza verstehen. Der Strand besteht aus groben, harten Kieseln, viele von Faustgröße, die es einem nicht einfach machen zu laufen. Aber seit wann war das Laufen am Strand schon einfach? Bald wechselten wir auf die Promenade, wurden von Joggern überholt oder von „Bladern“ umkreist. Auch ein breiter Fahrradweg sorgt für einen guten Verkehrsfluss, während die Autos kaum zu stören scheinen, denn sie sind wegen der breiten Promenade immer weit entfernt. Wir genossen den Spaziergang unter der immer wärmer werdenden Sonne.
Vieux Nice liegt am Ende der Sichel, woran ich mich kaum noch erinnern konnte. Wir bogen ein in eine Welt, die so anders schien, die eleganten Hotels, die die Fassade auf der anderen Seite zum Meer bilden, wurden abgelöst durch verwaschene Gebäude im mediterran – italienischen Stil.
In dieser Welt fand ein Blumenmarkt statt, der uns sehr gefiel, auch wenn er natürlich vor allem für die Touristen gemacht ist. Trotzdem steht dieser nicht im Vordergrund, denn bald folgte der normale Markt, auf dem viele Franzosen einkauften. Ich habe immer das Gefühl, dass wir in Deutschland eigentlich nur Mist essen, denn die vollen, reifen Produkte guter Qualität bleiben wohl eher alle in den Heimatländern der südlichen Hemisphäre unseres Kontinents. Wer kann es ihnen verdenken?
Wir schlenderten durch die engen Gassen, ließen uns von den Eindrücken gefangen nehmen. Besser kann man eine Stunde nicht verbringen. Noch war es nicht Mittagszeit, die Plätze noch leer oder besser angefüllt mit den leeren Tischen, die ihre Gäste bereits gedeckt erwarteten. Kellner machten sie fertig für den Ansturm, der sicher bevorstand. Eigentlich finden Nina und ich provencalische Touristenrequisiten wie Tischdecken oder bunte Salatschüsseln kitschig und mitunter hässlich. Doch hier empfanden wir es anders. Hier passen sie her. Sobald wir aber wieder in Berlin sind, würde so etwas in der hintersten Ecke verschwinden. Also ließen wir es beim Bewundern.

Nizza

Irgendwann hatten wir das Ende der italienischen Altstadt erreicht. Wir bogen auf einen riesigen Platz ein – Tromp d’ouil läßt grüßen, denn die eleganten Marmorverzierungen waren hier samt und sonders aufgemalt – den wir recht schnell wieder verließen. Wir hatten den Burghügel umrundet, jetzt beschlossen wir, aufzusteigen. Der kleine Berg hatte von unten eher sanft ausgesehen, hat es aber letztlich doch in sich, denn wir stiegen höher, als ich es vermutet hatte. Die Anstrengung wurde natürlich belohnt, denn die Ausblicke waren einmalig. Wir sahen auf den Hafen mit seinen eleganten Yachten und kleinen Fischerbooten, deren Ko-Existenz sich zu widersprechen scheint. Aber Nizza ist eben Nizza und nicht Monaco. Das ist das angenehme hier, es gibt beides. So fühlte ich mich zumindest nicht völlig fehl am Platz, was in Monaco vor etlichen Jahren definitiv der Fall war, wenn ich mich recht erinnere. Auf der anderen Seite des Hügels sahen wir auf Nizza. Das Meer ist einfach grandios, seine Farben spiegeln und verändern sich. Die Flugzeuge schienen alle eine Extra-Runde zu drehen, um den Fluggästen einen einmaligen Ausblick auf die Stadt zu bieten. Nina war es am Tag vorher nicht aufgefallen. Kein Wunder bei einem Gangplatz.
Nachdem wir die Aussichten lange genug genossen hatten, begannen wir mit dem Abstieg, der wieder einmal erstaunlich leicht und schnell ging. Unseren wohlverdienten Lunch nahmen wir am Strand ein, wo wir eine glückliche Stunde verbrachten. Die Sonne wärmte inzwischen noch mehr, die Kälte der Nacht zuvor war vergessen. An Baden war natürlich nicht zu denken, zu kalt war es in den vergangenen Wochen und Monaten hier gewesen. Aber so etwas muss auch nicht sein. Einige Franzosen wagten es. Es muss fantastisch sein, seine Mittagspause hier zu verbringen. Ich zumindest stelle mir das so vor. Und würde es so machen, wenn ich hier arbeiten könnte.
Nach unserer langen Pause liefen wir wieder durch die Altstadt, es gibt schließlich genug Gassen, die wir noch nicht erkundet hatten. Nun waren die meisten Plätze auf den Terrassen besetzt, wir sahen Schlangen von Leuten, die an den angesagtesten Restaurants anstanden. Unser Weg jedenfalls führte uns an den wohlriechenden Meeresfrüchten und köstlichen Salaten vorbei zum Hafen. Hier sahen wir uns erst die großen Yachten an. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein einzelner Mensch so etwas besitzen kann. Es scheint so irrwitzig, dass es fast schon komisch ist. Ich kann es nicht verstehen, ist es Prestige, Abenteuerlust, Lebensstil oder einfach nur Angabe? Vielleicht eine Mischung aus allem.
Besser jedenfalls gefielen mir die kleineren Boote. Ich kann mir gut vorstellen, in einem umgebauten Fischerboot die Küsten abzufahren. Nun, zumindest, wenn ich mal den Segelschein machen sollte, was angesichts meines Schwindel-Syndroms doch etwas unwahrscheinlich ist. Aber wer weiß das schon?
Langsam senkte sich die Sonne und wir beschlossen, unseren Besuch zu beenden. Wir hatten viele Stunden hier verbracht, es war wundervoll, diese einzigartige Stadt wiederzusehen. Ich war hier einmal sehr glücklich und es ist beruhigend zu wissen, dass sich Nizza in dieser Richtung nicht verändert hat. Es ist ein faszinierender Ort, der ganz sicher für alle etwas bietet. Die Museen von Chagal und Mattisse, neben anderen, haben wir dabei noch gar nicht gesehen. Aber das muss etwas warten. So kehrten wir zufrieden zum Campingplatz zurück. Morgen fahren wir weiter. Ins Var, wo wir beide noch nicht gewesen sind. Der Anfang unserer gemeinsamen Reise war spektakulär, ein Höhepunkt bereits zu dieser Zeit. Es geht sicher geruhsamer weiter. Wir werden es entsprechend gestalten und genießen, was uns in den Weg kommt.