Bushat
Gestern Abend hatte es noch Streit gegeben, einige Polen waren angekommen und hatten sich – unbeabsichtigt – auf den nicht erkennbaren Weg gestellt, so dass wir – ein ungarisches Pärchen und ich nicht mehr hätten hinausfahren können. Der Ungar ist auf den männlichen Polen losgegangen wie eine Furie, mit dem Resultat, dass diese eingeschnappt war und sein Territorium nur um wenige Zentimeter verschoben hatte. Das reichte, um vorbei zu kommen, aber die Luft war natürlich dick.
Vor dem Schlafen musste ich mich noch auf Fliegenjagd begeben, sicher ein halbes Dutzend dieser lästigen und nutzlosen Viecher erschlug ich. Ich dachte, ich hätte sie alle erwischt, doch am Morgen wurde ich vom Gebrumm von mindestens wieder einem halben Dutzend dieser frechen Biester geweckt.
Um sechs war ich also wach, stand jedoch nicht auf. Ich bereue so etwas immer, denn das, was danach folgt, kann man nicht mehr als Schlaf bezeichnen, sondern wüstes und anstrengendes Träumen. Um acht öffnete ich wieder meine dicken und angeschwollenen Augen.
Ein toller Start also, meine Laune war nicht gut. Die Straße in Richtung Albanien auch nicht. Langsam quälte ich mich über eine Art Gebirgsstraße, die so viele Löcher hat wie mein Portemonnaie. Ich kam durch verschlafene Nester und niemand würde denken, dass das eine Grenzstraße ist. Wenigstens kamen mir eine ganze Reihe von ausländischen Fahrzeugen entgegen, Deutsche, Italiener, Niederländer, also war ich zumindest richtig, was nicht immer feststand. Ich habe nämlich vergessen, eine gescheite Landkarte von Albanien zu kaufen. Typisch. Meine Vorbereitungen sind auch nicht das, was man das Gelbe vom Ei nennt. In Griechenland jedenfalls dürfte Garmin wieder funktionieren. Hoffe ich zumindest. Seit Slowenien kocht sie auf Sparflamme, keine Ahnung, warum die Firma meint, dass man bei Fahrten im Balkan keine genauen Anweisungen brauchen kann.
Irgendwann stand ich dann doch an der Grenze, meine Laune war nicht besser, der viel zu geringe Koffeinstoß vom Morgen war zu lasch gewesen. Und nun befand ich mich an dieser ominösen Grenze, zu einem Land, bei dem alle nur den Kopf schütteln, wenn man es erwähnt. Alles Vorurteile.
Es war jedenfalls der lustigste Grenzübertritt, den ich bislang erlebt habe. Der Grenzer schaute auf die Transe und wollte sie von innen sehen. Nicht um zu kontrollieren, sondern um zu erfahren, wie ich sie ausgebaut hatte.
„Cool“ sagte er nur, während er meinen Pass zum Abstempeln seinem Kollegen im Kabuff gab. Es dauerte dann nur noch eine Minute, dann war ich durch. Ich traute der Sache noch nicht, wahrscheinlich hatte ich nur die Grenzkontrolle, nicht aber den Zoll hinter mir. Gleich müsste ich bestimmt alles ausräumen, so wie ich es im Internet recherchiert hatte. Aber nichts geschah. Nach wenigen Metern war ich auf der Hauptstraße, eigentlich kaum eine Erwähnung wert, geschweige denn ein Abenteuer.
Ich fuhr auf den wie ich fand anständigen Straßen, überholte Rinder und Eselskarren. Es ist eine andere Welt. Wie in Marokko winkten die Leute, wenn sie sahen, wo ich herkam. Doch anders als im nordafrikanischen Land hatte ich hier eher den Eindruck, dass es echte Grüße und keine Bettelei war.
Ich erreichte Shkodra nach wenigen Kilometern. Die mächtige Burganlage sah ich bereits von Weitem. Dann wurde es aber doch noch abenteuerlich. Über einen breiten Fluss führte eine uralte Holzbrücke. Lastwagen und PKWs fuhren darüber, immer abwechselnd, erst in die eine Richtung, dann in die andere. Das Gebilde machte auf mich den Eindruck, dass es jeden Moment nachgeben könnte, denn für den Verkehr der modernen Art ist es sicher niemals gebaut worden. Vorher hatte ich gesehen, dass eine neue Brücke gebaut wird. Die ist sicher bitter nötig. Einen anderen Weg gibt es aber noch nicht.
Vorhin habe ich geschimpft, doch Garmin hilft natürlich immer noch. Die Koordinaten des ersten Campingplatzes in Albanien halfen mir, diesen ohne Schwierigkeiten zu finden. Obwohl ich ihn sicher ohne gefunden hätte, denn überall sind Schilder. Es ist ein einfacher Platz, leider schattenlos. Aber immerhin. Ich hielt es für besser, ein wenig auszuruhen, daraus wurde dann letztlich ein fauler Tag, an dem ich nur recht viel geschrieben habe.
Als die Hitze etwas nachließ, fuhr ich mit dem Rad in den kleinen Ort Bushat, der im Grunde nur aus zwei Cafés und einem Mini-Markt besteht. Mir fielen hier die Müllberge auf, die sich mitten in dem Dorf am Straßenrand türmten. Irgendwer hat sie angesteckt, so dass alles verkohlt ist. Es roch nicht sehr gut. In der Ferne sah ich Berge, sehr malerisch.
Morgen werde ich versuchen, mit dem Rad die 20 Kilometer nach Shkodra zu fahren. Es ist alles ebenes Gelände, also hoffe ich, dass es nicht zu anstrengend wird. Vielleicht bin ich aber auch zu faul und nehme das Auto. Letztlich steht es hier doch nur in der prallen Sonne. Mal sehen.
Bislang war es ein ruhiger Start in Albanien. Mal sehen, ob es so bleibt…