Catania

Von wegen. In der Nacht begann es zu regnen. Und hörte den ganzen Tag nicht wieder auf. Ich schaffte es zwar zeitig aus dem Bett, aber schon der Gang zum Waschraum durchnässte mich vollkommen. So etwas. Der Tag drohte ins Wasser zu fallen.
Ich war über diese Entwicklung allerdings nicht sehr traurig. Im Gegenteil. Da es nun einmal so war, konnte ich auch das Beste daraus machen und arbeiten. Wenn man das Schreiben überhaupt so bezeichnen kann. Einige Stunden machte ich mir Gedanken über die Geschichte, mit dem Resultat, dass ich im Grunde schon ziemlich genau weiß, was geschehen muss. Auch im nächsten Roman, der sicher der schwierigste wird, weil ich möglichst keine Widersprüche einbauen möchte. Dann begann ich, quetschte meinen Kopf aus und entwickelte einen Charakter. Die habe ich nämlich noch nicht geplant, die werden sich erst im Laufe der Geschichte zeigen. Ganz sicher gibt es wieder einen Bösewicht, der wirklich ziemlich böse ist. Die anderen sind es allerdings auch immer etwas. Langweilig wären die vollständig Guten, daher lasse ich sie heraus. Sonst wird es noch zu kitschig.

Ich verbrachte meine Zeit also sinnvoll, bekam langsam einen Rhythmus. Es wäre schön, wenn ich diesen behalten könnte. Wenn ich eines Tages nicht mehr reise, werde ich sicher noch intensiver arbeiten können, denn eines habe ich auf der Fahrt gelernt: Disziplin. Zumindest soweit ich das überhaupt kann. Darauf will ich weiter aufbauen, denn ganz sicher kann ich Romane wie diese, in denen es um Abenteuer und ein bisschen auch um Menschen geht, wesentlich schneller schreiben. In jedem Fall macht es unheimlichen Spaß, stellte ich heute wieder fest. Der innere Schweinehund war letztlich auch nicht so groß, wie ich gedacht hatte. Wenn man ihn erst einmal überwunden hat, wird er ganz klein. In jedem Fall ist es neu, die Storyline schon in dieser Tiefe bearbeitet zu haben. Ich glaube aber, dass es für die Geschichte nur gut sein kann. Freiheiten habe ich schon noch genug.

Ansonsten passierte heute nicht mehr viel. Die Gegend, in der sich der Campingplatz befindet, scheint mir nicht besonders gut zu sein. Ich bin mir nicht sicher, woran ich so etwas festmache, denn Menschen waren bei dem Wetter nicht unterwegs – außer mir natürlich, der unbedingt Brot brauchte. Allerdings sind die Straßen recht vermüllt, was mich immer an Salford erinnert, die schlimme Gegend in Manchester, in denen im Jahre 2000 nur Asoziale gewohnt zu haben scheinen. Einschließlich mir, wohlgemerkt. Auch die Häuser hier erinnerten mich so sehr daran, obwohl ich keine Unruhe spürte. Aber das habe ich in Salford auch nicht, bis ich einige Szenen beobachtete und selbst erlebte, was es heißt, in einem sozialen Brennpunkt zu wohnen. Mir kann das hier egal sein, denn ich bin nur Gast. Trotzdem ist es natürlich interessant. Schlimm muss es für Menschen sein, die nicht die Stärke haben, sich gegen die Härte in einem solchen Viertel zu wehren. Vielleicht auch Leute, die zwar die notwendige Intelligenz besitzen und feinfühlig genug sind, um unter einer solchen Atmosphäre zu leiden, auf der anderen Seite aber wirtschaftlich nicht die Mittel haben, dort herauszukommen. Eigentlich ist es sicher für jeden schlimm. Aber vielleicht täusche ich mich hier auch und es ist einfach völlig normal.

In jedem Fall machte der Regen den Geschäften zu schaffen. Im Discounter mit dem passenden Namen „ARD“ tropfte das Wasser durchs Dach. Undicht und voller alter Konserven, die keiner haben möchte. Sehr aussagekräftig. Auch im Baumarkt tropfte es. Vielleicht sind sie nicht auf das nasse Wetter eingestellt?
Danach wagte ich den Versuch, bei fünf Grad und ungeheizten Waschräumen zu duschen. Es ist eine unglaubliche Überwindung, halb nackt in der Dusche zu stehen, frierend, mit Gänsehaut, das Wasser eiskalt, nur um zu hoffen, dass es bald wärmer wird. Es wurde zum Glück, der Dampf heizte ein wenig, so dass es erträglich wurde. Ich glaube, dass diese Temperaturen das Maximum sind, was ich bei dieser Fahrt ertragen möchte. Minusgrade auf Dauer könnte ich sicher nicht aushalten. Warum auch? Aber ich habe Glück, einige Tage soll es noch regnen, dann aber wird es wieder wärmer – pünktlich zu Weihnachten also. Ein warmer Tag im Winter wäre doch passend für diese Gelegenheit?
Ich bin gar nicht sicher, ob es nicht besser wäre, wenn es morgen wieder regnen würde. Dann käme der Roman sicher richtig voran. Am Besten schreibt es sich im Augenblick ungestört von allen touristischen Attraktionen. Mal sehen, wie sich das hier im Winter entwickelt.