25.3., 26.3., 27.3. + 28.3.
4 days to go….
Die Idee ist verrückt. Ein Jahr lang werde ich die Staaten des Mittelmeerraums besuchen, ein Jahr lang in meiner „Transe“ wohnen, meinen selbst ausgebauten Camper. Seit fast zwei Jahren plane ich die Reise, erst nur sehr langsam, so als wenn alles nur eine Art Traum ist, den man zwar träumt, aber nie zu realisieren gedenkt.
Aber Das war hier anders, denn alles in meinem Leben schien auf diesen Moment hinzusteuern, ohne dass ich viel dazu tun musste. Mein Job stellte sich als eine unangenehme Nebenerscheinung dar, die mich in allen Belangen behinderte und mir somit half, meinen Weg selbst zu suchen. Waren es die Chefs, die mich einengten oder einfach nur das falsche Umfeld für einen Querdenker wie mich – wahrscheinlich eine Mischung aus beidem und noch vielem mehr. Dass ich mich vor ca. 10 Monaten entschied, mich endlich meiner Karriere als Schriftsteller zuzuwenden, war für mich wie eine Befreiung. Und diese Reise, die so lange weit weg lag, rutschte unaufhaltsam immer näher.
Dabei habe ich anfangs versucht, mich dagegen zu wehren, habe mich bemüht, ein kleines Designgeschäft aufzubauen, das ich neben dem Schreiben gut zu betreiben gedachte. Doch wie so oft interessierte sich keiner für meine sehr speziellen Reiseprodukte, interaktive Karten für das Internet. Insgeheim habe ich es wohl nicht sehr weit vorangetrieben. Halbherziges Marketing bringt eben keine Kunden, die mich somit auch nicht an meinen Plänen hindern konnten. Den Rücken habe ich jetzt frei, den Traum zu erfüllen, den so viele träumen, einfach weg, alles hinter mir zu lassen und der Sonne entgegen zu fahren.
Eine ehemalige Kollegin sagte mir an meinem letzten Tag: „Sei froh, du hast Riesenglück.“ Das sehe ich auch so, das Erbe meiner Eltern und meiner kürzlich verstorbenen Großmutter versetzt mich jetzt in die Lage, für längere Zeit auf das Malochen der Arbeitswelt verzichten zu können. Dabei war sie mir in der Firma nie wohlgesonnen, doch in diesem Moment sagte sie die Wahrheit, das spürte ich. Genauso wie ihren Neid, den ich ihr allerdings nicht übel nahm. Ja, ich hatte Glück und ich habe jetzt vor, mir dieses Glück zu nehmen und es zu nutzen für ein echtes Abenteuer, das in unserer Zeit so selten geworden ist.
Die ursprüngliche Idee war, einmal um das Mittelmeer herum zu fahren. Afrika, Europa, Asien zu vereinen in einer spektakulären Fahrt entlang den seichten Gewässern des Binnenmeeres. Diese Idee habe ich leicht modifiziert, denn es gibt leider noch Staaten, vor allem in Nordafrika, deren Sicherheitslage alles andere als gut ist. Algerien und Libyen habe ich beschlossen zu meiden, noch bevor sich Körnel Gaddafi entschieden hatte, wegen eines Streites mit der Schweiz seine Grenzen für alle Europäer dichtzumachen. Und in Algerien werden immer wieder Touristen entführt, einem kleinen Feigling wie mir ist das schon zu viel. Also starte ich in Marokko. Nun, ich fahre natürlich in Berlin los, doch betrachte ich es eher als das „mich auf den Weg zum Startpunkt zu machen“. Irgendwann Anfang April werde ich dann mit der Fähre von Südspanien nach Marokko übersetzen und das erste Mal in meinem Leben in Afrika stehen. Das Schöne daran: Ich habe bislang weder Tickets gebucht noch sonst einen festen Plan. Ich möchte ca. einen Monat in Marokko bleiben, dann geht es zurück nach Spanien. Im Uhrzeigersinn fahre ich dann ums Mittelmeer herum, bis in die Türkei werde ich keine Probleme mit Visa bekommen. Erst in Syrien wird es etwas haarig. Daher habe ich eine kurze Unterbrechung meiner Reise Ende des Jahres geplant, denn in Berlin sind die Botschaften von Syrien, Jordanien und Ägypten, bei allen Reiseländern muss ich erst Visa beantrage (Anmerkung mehr als ein Jahr später: Der arabische Frühling hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber dazu dann, wenn es soweit ist). Vorher kann ich es leider nicht machen, denn man muss innerhalb eines halben Jahres in diese Länder einreisen. Auch werde ich mir vom ADAC ein sogenanntes Carbet de Passage besorgen, ein Zolldokument, das mir die Einreise in die Länder südlich der Türkei ermöglicht. Vom Schock, 5000 Euro Pfand beim ADAC hinterlegen zu müssen, habe ich mich die letzten Monate erholen können. Im Moment bin ich durchaus bereit, dieses Risiko einzugehen, alles im Zeichen des Abenteuers. Diverse Unterlagen habe ich besorgt, einen internationalen Führerschein habe ich ebenso wie internationale Fahrzeugpapiere (und iwe sich herausstellte umsonst. Aber nicht gratis). Der Ausweis und Pass ist erneuert, Passbilder habe ich dabei, die komplette Reihe der Rough Guides/Lonely Planets im interessanten Wechsel, um ja auch immer informiert zu sein. Den ganzen letzten Sommer hindurch habe ich damit zugebracht, den Camper so zu verändern, dass er einigermaßen praktisch ist für eine Fahrt wie diese. Er ist 15 Jahre alt, war bis vor einem Jahr noch weiß, was ich als langweilig empfand. Daher habe ich die Kiste kurzerhand blau angemalt. Erst den Plastikaufsatz oben, dann die Beifahrerseite hinten. Auf die Fahrerseite malte ich dann die Mittelmeerkarte. Die Aktion war so zeitaufwendig, dass ich nicht fertig geworden bin. So sind die Fahrertüren noch immer weiß, die Hecktüren ebenfalls. Sei es drum, das wird mir nicht im Weg stehen.
Mein Mechaniker Nico aus dem nicht sehr vertrauenserweckend klingenden Ort Caputh bei Potsdam, den ich seit einem Jahr mit den unmöglichsten Aufträgen das Auto betreffend versorge, hat bislang für jede abstruse Idee eine Lösung gefunden.
Er montierte auf Ebay ersteigerte, völlig falsch zusammengefügte, Fahrradträger, legte Stromleitungen, baute eine Haltevorrichtung für mein Ersatzrad à la Jeep, und – dafür werde ich ihm ewig dankbar sein – brachte die Transe trotz aller Unkenrufen von allen Seiten glorreich durch den TÜV. Dass er die kleinen Rostbeulen ignorierte, die sich wie zur Zier um sämtliche Radkästen ranken, begründete er glaubhaft damit: „Wenn’s zu perfekt ist, wird’s in Afrika eh nur geklaut.“
Wo er recht hat, hat er recht.
Noch drei Tage. Heute Morgen lag ich sehr früh wach und zählte die Tage, oder besser Nächte, die ich noch in meinem Bett zu Hause mit einer festen Behausung um mich herum verbringen würde. Morgens ist das für mich keine leichte Angelegenheit, es dauerte sicher einige Minuten, doch dann stand die Zahl fest: 3. In Gedanken gehe ich immer wieder die Hinfahrt durch, meine erste Etappe zum Start also. Ich habe Laurence, meiner besten Freundin, versprochen, sie zu besuchen. Seit ungefähr vier Jahren haben wir uns nicht mehr gesehen, sie wohnt am Rande der Bretagne, die zwar nicht direkt auf der Strecke nach Südspanien liegt, doch den Umweg nehme ich gern in Kauf. Wenn nicht jetzt dann nie.
Eigentlich darf man ja nicht zugeben, dass man Angst hat. Ich tue es mal trotzdem. Auch wenn es so viele Globetrotter geben wir, die mich auslachen und meine Reise als Schönwetterfahrt abtun würden, für mich ist es doch das größte Abenteuer, das ich bislang erlebt habe. Es ist auch eine Sache der Lebenseinstellung. Ich campe für mein Leben gern, bin dadurch unabhängig, kann bleiben, wo ich will, solange ich will. Doch werde ich es so lange Zeit in dieser Art der Behausung aushalten? Es wird nichts anderes als meine Wohnung sein, bis zu dem Punkt, da ich mich nicht mehr daran erinnern werde, wie es sich in einer gemauerten Wohnung lebt. Das Experiment muss sein, denn schon vor Jahren habe ich angefangen, genau von einem solchen Leben zu träumen. Das Ziel war damals, zu wohnen und zu arbeiten, in einem riesigen Camper, der mich von Ort zu Ort begleitet. Zwar habe ich es wegen des Fehlens jedweden unternehmerischen Talentes nicht geschafft, von dem was ich tue zu leben, doch gehört das als Schriftsteller nicht irgendwie dazu? Keine Ahnung. Trotzdem möchte ich eine gewisse Arbeitsroutine entwickeln. Mein Ziel ist es, jeden Tag von dieser Fahrt zu schreiben. Da ich generell sehr unorganisiert bin, arbeite ich schon seit jeher mit festen Tageszielen, nur so kann ich gewährleisten, dass ich überhaupt etwas zustande bringe. Zwei Schreibsessions am Tag möchte ich machen, jeweils ca. 700 – 1000 Worte lang. Eine Session wird immer eine Geschichte/Roman/Novelle sein, die mit dieser Fahrt direkt nichts zu tun haben wird. Die andere wird eine Art Tagebuch, jeden Tag werde ich meine Eindrücke aufschreiben, ein wenig so wie hier, in diesem Dokument, dass ich weiter fortführen werde. Auch hier werde ich ca. die gleiche Zahl an Wörtern anstreben, denn ich habe gemerkt, dass man sich einerseits nicht zu kurz fassen darf, wenn man nicht die Seele des beschriebenen Events verlieren möchte, andererseits auch nicht zu viel schreiben darf, sonst geht die Dynamik und Spannung verloren. Es ist am Ende immer eine Art Gefühlssache, aber nach mehreren Jahren Übung werde ich das schon hinbekommen. Diese Zahlen sind ja nicht in Stein gemeißelt, wie auch sonst nichts auf dieser Welt.
Aufgrund der Tatsache, dass ich alleine fahre, ist es ohnehin wichtig, das Erlebte zu teilen. Da ich nicht sehr gut rede, aber besser schreibe, liegt das ohnehin nahe und es wird mir die Erinnerung bewahren. Ob das, was ich in dieser Zeit zu Papier – oder besser in den Computer – bringe, jemals jemand anderes lesen wird, weiß ich nicht, doch ist das bislang ohnehin mein Schicksal, sowohl als Schriftsteller als auch als Dichter. Wichtig ist das letztlich nicht, denn wenn man als Schriftsteller für andere schreibt, oder schlimmer noch, um anderen zu gefallen, ist man in meinen Augen ohnehin nur Auftragnehmer, vielleicht ein besserer Angestellter, der nach Aufmerksamkeit heischt. Das sage ich jetzt aus meiner Sicht, kann sein, dass sich das einmal ändert. Auch ich muss schließlich irgendwann von etwas leben. Und um ehrlich zu sein, natürlich finde auch ich es immer schön, wenn andere meine Geschichten lesen und sich vielleicht auch gut unterhalten fühlen. Also ganz ohne Streicheleinheit komme ich auch nicht aus, obwohl ich mich dafür nicht besonders mag.
Nur noch eine kleine Trivialität mir jetzt noch vor meinem Start am Montag im Weg: ein Zahnarzttermin. Meine Leidensgeschichte der letzten Wochen diesbezüglich erspare ich Ihnen, doch ist sie der Grund, dass ich meine Reise mit einer Woche Verspätung antrete. Man weiß nie, warum so etwas geschieht, doch habe ich auch gelernt, dass alles seinen Grund hat, auch wenn man diesen nicht immer gleich sieht.