Sizilien

Es war eine lange Fahrt am heutigen Tag. Leider schaffte ich es wieder nicht sehr zeitig aus dem Bett, ich denke, dass es wieder an den niedrigen Temperaturen liegt, die mich daran hindern aufzustehen. Irgendeine Ausrede muss ich ja haben.

Die Fahrt heute zog sich hin, auch wenn ich Autobahn fuhr. In der Ferne konnte ich die schneebedeckten Hügel sehen. Der Pass, den ich vor zwei Tagen genommen hatte, dürfte nun wirklich eingeschneit sein. Für die Rückfahrt werde ich sicher Schneeketten kaufen müssen, auch eine Vorsichtsmaßnahme bei der Alpenüberquerung. Aber das hat nun wirklich noch Zeit, jetzt bin ich erst einmal hier.
Die Autobahn in Kalabrien wird zurzeit erneuert, will heißen, dass eigentlich überall gebaut wird. Das führte dazu, dass es sich wie das Fahren auf einer Landstraße gestaltete, immer mit Gegenverkehr und Tempobegrenzungen. Auch verläuft die Autobahn hier durch mehrere Gebirgsketten, so dass man laufend hoch oder wieder hinunterfährt. In jedem Fall blieb es interessant.

Gegen frühen Nachmittag hatte ich die Fähre erreicht. Ein waschechter Süditaliener kam mir in marokkanischer Manier entgegen, sprach mich sofort in gebrochenem Deutsch an und führte mich persönlich an den Ticketschalter. Dort entbrannte eine heiße Diskussion, ob es sich bei meinem Gefährt um einen LKW oder einen Camper handeln würde. Der Unterschied betrug ca. 40 Euro. Ich vertrat natürlich die Camper-Theorie, der nicht jeder – einschließlich des Beamten am Schalter – sofort folgte. Ich ging soweit, meine Küchenzeile zu präsentieren, bot einen Espresso an. Den nahmen sie zwar nicht an, dafür aber gaben sie mir den günstigeren Tarif, der mit 64 Euro noch immer ziemlich gepfeffert war. Zu guter Letzt wollte natürlich der Süditaliener für seine Unterstützung meiner Theorie fürstlich belohnt werden, schlug seinen Teil bei der Prozedur mit fünf Euro an. Ich gab ihm einen, für besagten Espresso.
Was zu viel ist, ist zu viel.
Auch wollte er sich für die fünf Euro Zigarillos kaufen, von denen er natürlich eine im Mund hatte. Ich habe also etwas für seine Gesundheit getan.

Die Überfahrt dauerte nicht einmal eine halbe Stunde. Viele Italiener blieben gleich im Auto sitzen, machten sich gar nicht die Mühe, an Deck zu gehen. Ich schaute mir Sizilien jedenfalls aus der Ferne an, was eigentlich zu viel gesagt ist, denn die Insel ist an dieser Stelle nur ca drei Kilometer von Italien entfernt und war immer gut sichtbar. Als ich angekommen war, musste ich mich dennoch sputen, wollte ich nicht zu lange in der Dunkelheit fahren. Ich wählte natürlich diesmal die Landstraße, die zumindest auf der Karte einen ausgebauten Eindruck machte. Die Wirklichkeit sah anders aus. Ich musste durch viele Ortschaften, die sich hier zwischen die Berge und das Meer klemmen. Am Anfang lieferte ich mir ein Duell mit einer hübschen, wenn auch sehr jungen Sizilianerin in einem alten Panda. Ohne mich eines Blickes zu würdigen hatte sie mich überholt. An der nächsten Ampel kassierte ich sie, fuhr einfach links vorbei, nur um dann wieder überholt zu werden. Lange Rede, sie gewann das ungleiche Duell, ich sah sie am Horizont verschwinden. Vielleicht sollte ich mich doch einmal rasieren, dann habe ich vielleicht mehr Erfolg.

Die Fahrt wurde danach schwieriger. Oft behinderte mich der entgegenkommende Verkehr, schlichtweg weil kaum Platz war für zwei Fahrzeuge. Garmin behauptete immer, es wären nur 90 Kilometer und um halb fünf wäre ich da, änderte aber ihre Meinung hinsichtlich der Ankunftszeit laufend. Es gibt kaum etwas Deprimierenderes, als immer weiter nach hinten geschoben zu werden. Als wenn man einen Termin bei einem Arzt, oder schlimmer, auf irgendeinem Amt hat, der laufend korrigiert wird, während man wartet. Ich kam wegen des Fahrens kaum dazu, mich umzusehen. In jedem Fall nahm ich einige sehr hübsche Orte wahr, Taormina zum Beispiel. Der Ätna, den ich kurz vor Sonnenuntergang erblickte, war spektakulär. Teilweise in Wolken gehüllt, die Spitze weiß von Schnee, es sah einfach dramatisch aus. Sehr schade, dass ich keine Möglichkeit habe, aus dem Auto heraus brauchbare Fotos zu machen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich nicht ins Dach eine Kamera einbauen lasse, die ich dann von innen auslösen kann. So verliere ich nicht allzu viel Konzentration, die ich besonders auf dieser Strecke brauchte. Auch wegen der Autofahrer, die mir den letzten Nerv raubten. Ich sah es immer kommen, ein Kotflügel tastete sich langsam aus einer Nebenstraße hervor. Dann entdeckten sie mich, zögerten eine Sekunde, so dass ich bis auf wenige Meter herangekommen war. Letztlich entschieden sie fast immer, dass sie ein Fahrzeug wie meines nicht vor sich haben wollten, schossen aus der Lücke und zwangen mich ein ums andere Mal zu Vollbremsungen. Nach einiger Zeit hörte ich auf zu schimpfen. Andere Länder, andere Sitten, nahm es von da an gelassen. Anders geht es auch nicht.

Erst gegen halb sechs kam ich an, bin jetzt in Catania auf dem Campingplatz, wo ich eine Woche bleiben werde, weil ich eine WIFI-Karte für diese Zeit gekauft habe. Letztlich ist es nicht so wichtig, denn ich bin jetzt hier, auf einer Insel, für die ich mir Zeit lassen möchte.
Ich bin angekommen. Meine Fahrt begann vor beinahe vier Wochen bei Silifke, einige Tausend Kilometer entfernt. Nach vielen Abstechern und noch mehr Fahrtagen bin ich genau dort, wo ich hinwollte. So, wie ich es mir vorgenommen habe. Auf der Fahrt heute fiel mir ein, dass ich vorgehabt hatte, das zweite Buch anzufangen. Eigentlich hatte ich Ruhe gesucht, stattdessen Unruhe gefunden. Ich habe es selbst so gewählt. Aber jetzt wird es sicher anders.