Donoussa, Stavros und Kalotaritissa

Reisetag.
Es hat etwas Ergreifendes, abzufahren und nicht zu wissen, was einen erwartet. Schon viel zu lange hatte ich dieses Gefühl nicht mehr, nun aber war es so weit.
Zu der humanen Zeit um acht Uhr sollte die Express Skopelitis nach Donoussa abfahren. Trotzdem war ich bereits um halb sechs wach, viel früher als ich hätte aufstehen müssen. So aber hatte ich noch Zeit für eine kurze Yoga-Session. Auch nicht schlecht.
Ehefrau Nina stand erst um halb sieben auf, wir frühstückten schnell, packten den letzten Rest und waren abfahrbereit. Natürlich hielt uns das Kitten, das uns in den letzten Tagen immer einmal wieder über den Weg gelaufen war, kurz auf. Es wollte aber nur Futter, das ich ihm gab. Ich habe immer ein paar Krümel Trockenfutter dabei. Wer weiß, welches Leid ich unterwegs immer mal wieder lindern kann.
Dann aber war der Aufenthalt in den Muses Studios beendet, ich setzte den Rucksack auf und schob das Faltrad, während Nina ihren Rollkoffer bequem ziehen konnte. Warum ist es für mich eigentlich immer so beschwerlich? Kann nicht an mir liegen, sondern an meinem Schicksal.
Wir waren pünktlich eine halbe Stunde vor Abfahrt an der Mole. Trotzt der frühen Stunde aber hatten sich schon andere Reisende eingefunden. Es war entspannt. Kurz vor der Abfahrt verpackte ich das Faltrad, das auf der Reise bislang eher Ballast darstellt.
Ich hoffe, dass es sich ändert.
Zehn Minuten vor Abfahrt kontrollierte noch ein „Hafenangestelter“ unsere Impfpässe. Sehr interessant. Dann fuhr die berühmte Express Skopelitis ein. Die kleine Fähre ist weit über ihren Einsatzbereich der kleinen Kykladen hinweg bekannt. Eine Art Rockstar, auf der jeder mal fahren will. Ehefrau Nina jedenfalls gefiel die kurze Überfahrt sehr gut.
Langsam entfernte sich Amorgos. Die hohen Berge waren rasch in eine Art Dunst getaucht, die Konturen der Insel verliefen, auch wenn dieser Brocken inmitten der Ägäis nie verschwand. Vor uns lag Donoussa, das winzig wirkte im Vergleich zu Naxos, das dahinter liegt.
Kaum anderthalb Stunden waren wir unterwegs, dann liefen wir auch schon in Donoussa ein, wenn man das so bezeichnen kann, denn es handelt sich beim Hafen nur um einen Betonklotz im Meer, so wie auf den meisten Inseln übrigens. Aber das reicht ja auch.
Schon wartete unser Wirt unseres Studios auf uns. Wir verluden die Koffer und das Faltrad, das wirklich viel Platz verschlingt. Es war eine kurze Fahrt, auch wenn er die Umgehungsstraße nahm. Wir waren vielleicht fünf Minuten unterwegs.
Kurz nach halb zehn waren wir erfolgreich in unser Studio eingezogen. Es war nicht so schön, wie ich es erwartet hatte, erfüllte aber alle Kriterien, bis auf die Lage. Für den angekündigten Meerblick mussten wir uns aber ganz schön strecken. Ich habe das Gefühl, dass wir nicht das bekommen haben, was wir gebucht hatten. Aber uns war es nicht wert, uns aufzuregen. Wie viel Zeit verbringt man schon in einem Appartment?
Den Rest der Zeit verbrachten wir am Strand. Ein Gang durch Stavros dauerte tatsächlich nur ein paar Minuten. Es gibt einen Minimarkt, einen Gemüse- und Obsthändler und einen Buch- und Modeshop, daneben natürlich einige Tavernen und Cafés.
Mehr geschah im Grunde nicht. Eigentlich in perfekter Kykladentag, wobei ich mich fragte, was wir an den anderen Tagen hier machen sollten. Immerhin hatten wir drei Nächte gebucht. Aber das war eine Frage für einen anderen Tag.

Und an diesem nächsten Tag entschieden wir uns für eine Wanderung. Ehefrau Nina borgte sich meine Wanderschuhe, die witzigerweise passten, ich zog die Trekkingsandalen an, die ich in diesen Gegenden bevorzuge, auch wenn die Wanderungen durchaus anspruchsvoll sind und eigentlich besseres Schuhwerk erfordern. Aber es war gut so. Auch das Wetter spielte mit, der Himmel war bedeckt, für griechische Verhältnisse sogar eher kühl, was ein Manko in den letzten Tagen generell war. Es ist zu kalt für die Jahreszeit.
Wir liefen erst zum Ort, um den Beginn des Wanderwegs 1 nach Kalotaritissa zu suchen. Er ist überall ausgeschildert. Erst ging es sanft nach oben, wir passierten die Umgehungsstraße und waren rasch auf einem alten Eselspfad. Stavros hinter uns lag bald zu unseren Füßen. Der Weg war leicht zu finden und kurz darauf wurden wir mit pittoresken Aussichten belohnt. Die Sonne zauberte ab und zu Gemälde auf die kargen Felsen, die ins Wasser ragten, das Meer ist hier immer irgendwo zu sehen. Es roch nach wilden Kräutern. Ich muss gestehen, dass ich nicht viel erwartet hatte, liegt doch Kalotaritissa nur ungefähr fünf Kilometer entfernt von Stavros. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass nach 45 Minuten bereits der Abstieg begann und Kalotaritissa vor unseren Augen auftauchte. Wir waren trotzdem nicht besonders schnell. Erst gegen zwölf waren wir am Strand, wo wir uns kurz ausruhten. Noch immer war der Himmel bedeckt, sonst hätte ich nicht so einfach dort sitzen können. Ich mag die Wärme, liebe die Sonne, habe aber auch gehörigen Respekt vor ihren Strahlen.
Die Taverne hier hatte schon geöffnet und es war Zeit für einen leichten Lunch. Griechischer Salat, ein paar Pommes (für Ehefrau Nina, muss ich mal petzen), mehr brauchten wir nicht. Der griechische Kaffee danach war hervorragend, vielleicht der beste auf dieser Reise. Die Taverne war gut besucht, erstaunlich, wenn man bedenkt, wie abgelegen sie ist. Überhaupt sind viele Touristen auf der Insel. Ich sehne mich etwas nach abschwellenden Massen.
Gegen eins machten wir uns wieder auf den Weg, dieses Mal in die andere Richtung, um das Felsmassiv herum, statt drüber hinweg. Ich hatte keine Ahnung, wie weit es sein würde. Wieder mussten wir nach oben. Einige Tage zuvor hatte es einen Offroad-Lauf gegeben, die Schilder entdeckten wir überall. Diesen folgten wir, auch weil wir den Wanderweg nicht entdecken konnten. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir uns auf demselben befanden. Wo sonst soll er gewesen sein? (Anmerkung ein paar Wochen später: Es gibt keinen. Erst bei Mersini fängt wieder einer an.)
Tatsächlich aber verloren wir ihn irgendwann und fanden uns auf der Straße nach Stavros wieder, die sich an den Bergen entlangschlängelt. Laut meiner heruntergeladenen Wanderkarte musste der Weg ganz nahe an ihr entlangführen, aber wir entdeckten ihn erst einmal nicht. Wir liefen also auf der Straße weiter, was nicht so schlimm war. Kaum drei Autos kamen hier vorbei. Erst beim kleinen Ort Mersini fanden wir ihn wieder. Von hier sollten es noch vier Kilometer nach Stavros sein, es kam mir aber weiter vor. Vielleicht, weil die Höhenunterschiede so groß waren und auch weil der Untergrund herausfordernd war. So wie es sich bei einer Wanderung gehört. Das Meer begleitete uns die ganze Zeit. Langsam aber wurden wir müder. Ich weiß nicht, wie oft wir aus größeren Höhen wieder hinunter zum Meer mussten, nur um dann wieder aufzusteigen. Aber es kam vor. Besonders der letzte Abschnitt von Kendros Beach aus erschöpfte uns. Es war bereits 16 Uhr, als wir wieder im Studio ankamen. Ich hatte einen Spaziergang erwartet, bekommen hatten wir eine nette Wanderung, die sich sehen lassen konnte. Es hat Spaß gemacht, auch weil wir praktisch die ganze Insel zu sehen bekommen haben.
Am Abend gönnten wir uns in der zum Studio gehörenden Taverne ein Dinner. Es war ein bisschen wie das Studio selbst, nicht ganz so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Sei es drum.
Morgen werden wir gehörigen Muskelkater haben, das ist fast schon gewiss. Aber das macht nichts. Unser gemeinsamer Urlaub läuft langsam aus. Mir kommt er kurz vor. Aber noch haben wir ein paar Tage.