Manfredonia

Die Fahrt gestern begann eigentlich gut. Schon früh hatte ich etwas geschrieben, dann gegen halb zehn die Leinen los gemacht. Ich kam nicht weit. Kurz vor der Autobahnauffahrt fielen mir bereits Dutzende parkender Lkws auf. Sie behinderten den Verkehr, so dass ich mich auf nichts anderes konzentrieren konnte. Dann kam die Auffahrt zur Autobahn, ich sah sofort einige Männer mit leuchtend orangen Jacken und ein Polizeiauto. Die Männer hielten mich an.

Es ist schon eigenartig, dass man Menschen, die eine andere Sprache sprechen, trotzdem versteht. Sie machten mir klar, dass die Autobahnpässe für Fahrzeuge ohne Winterreifen gesperrt wären. Ich hatte keine. Also gaben sie mir Tipps, denn in nur 200 Metern Entfernung befand sich eine Werkstatt, die sich auf just die Auswechslung von Sommer- auf Winterreifen spezialisiert hatte. Welch ein Zufall. Also wendete ich, entschied mich aber gegen das Auswechseln der Reifen. Mal eben 400 Euro oder mehr bezahlen kam für mich nicht in den Sinn. So also waren meine Reisepläne nach bereits einer halben Stunde durchkreuzt. Aber an eines kann man sich halten: Alternativen hat man immer. Auch wenn unsere Kanzlerin das nicht wahrhaben möchte (Anmerkung: Das Wort „alternativlos“ ist zum Unwort des Jahres 2010 gewählt worden, geprägt von Frau Merkel. Doktor Merkel. Verzeihung.). Wenn schon nicht über die Berge, dann drum herum. Ich fuhr also wieder zurück zur Küste, überlegte ständig, ob ich nochmals zum Campingplatz zurückfahren sollte, um mich neu zu gruppieren. So ein Quatsch. Als wenn ich mich gruppieren könnte. Ich bog also einfach links statt rechts ab und befand mich bald auf der Küstenstraße in Richtung Taranto. Es ging schneller als erwartet.
Dabei kam mir in den Sinn, dass ich seit Wochen schon nicht mehr wirklich gereist bin, mir also Orte angesehen hatte. Auch an diesem Tag kam es mir nicht in den Sinn. Taranto, Bari, der Haken des italienischen Stiefels – alles lag in greifbarer Nähe. Doch ich wollte einfach nur wieder in den Norden. Eines Tages werde ich vielleicht wieder die Lust und Muße haben, auch hierher, dieses für mich noch recht unentdeckte Land zu erforschen. Hört sich theatralisch an. Ist es auch. Letztlich ist es so wie auf der gesamten Reise, ich entscheide mich. Man kann eben nie alles sehen. Aber einiges eben doch. Heute wollte ich eben einfach weiter.

Nach hundert Kilometern bog ich ab und kam in höhere Lagen. Nichts im Vergleich zu den Gebirgen in Kalabrien. Trotzdem, als ich an einem Hypermarche hielt, um Pause zu machen, kam mir ein eisiger Wind entgegen. Es war kaum auszuhalten, so dass ich mich beeilte, um in dem Supermarkt zu kommen, wo ich eigentlich nicht hinwollte. Ich ergriff den Moment und erstand eine gedeckte Pizza mit Ricotta und Spinat gefüllt. Es gibt manchmal Kleinigkeiten, die einem den Tag retten können. Diese Pizza war ein Gedicht.

Habe ich mich schon einmal über die Dieselpreise beschwert? Nicht oft genug, sicherlich. Als ich abfuhr, lagen diese in Deutschland bei 1,10 Euro. In Spanien war es noch günstiger, in Marokko dann spottbillig, ca. 70 Cent. Die Balkanländer dann waren dann wieder günstig, dort lag der Preis bei ca. einem Euro pro Liter Diesel. Griechenland wartete dann mit einem kleinen Preisschock von 1,25 auf. Die Türkei schlug dem Fass den Boden aus, 1,50 Euro waren normal. Dann kam Italien, zuerst lagen wir bei 1,20. Sukzessive stiegen die Preise, mittlerweile kann ich froh sein, wenn sie bei 1,35 liegen. Oft ist es weit teurer.
Lange Rede, kurzer Sinn. Ich glaube, dass ich meine Fahrt noch zu einer Zeit gemacht habe, in der ich es mir habe leisten können. Dank der Krise von 2008 sind die Dieselpreise abgestürzt. 2010 habe ich noch den letzten Rest des geringen Preises ausgenutzt. Das ist nun vorbei. Die Spirale dreht sich nach oben und es ist beruhigend zu wissen, dass ich meine Chance genutzt habe, bevor es zu spät ist. Dieselkosten machen sicher 20 Prozent meines Budgets aus, wenn nicht mehr. Ein Faktor, den ich kaum im Griff habe und der sicher in den nächsten Jahren prozentual steigen würde. Also, Glück gehabt.

Gestern erwischte ich zu meinem Glück noch eine Tankstelle, die Diesel für 1,30 verkaufte. Ich tankte voll. Das bringt mich sicher in die Toskana.
Ich beendete den Tag auf einem Platz bei Manfredonia. Die Nacht war wieder einmal eiskalt. Heute Morgen beschloss ich, erst am nächsten Tag weiter zu fahren, weil es wieder etwas wärmer werden soll. Und ich muss noch immer diese Bergkette überwinden, auch wenn sie nicht mehr so hoch ist wie in Kalabrien. Morgen also fahre ich weiter verliere also einen Tag, den ich hier natürlich gewinne. Es ist ein herrlicher Morgen, die Luft ist kristallklar, in der Ferne sind schneebedeckte Hügel, das Meer befindet sich nur wenige Meter vom Camper entfernt. Es ist kein verlorener Tag. Ein Wink des Schicksals hat mich in diese Gegend verschlagen. Diesen Wink gilt es zu verstehen. Ich werde mein Bestes geben.