Valencia

Ein Tag, an dem mir wieder etwas mehr bewusst wurde, dass sich diese Reise verändert. Wie bestellt, begann letzte Nacht mein Rücken zu schmerzen und zwar in einer Art, die ich nur schwer ignorieren konnte. Habe ich es bislang immer geschafft, durch Selbstmassage dem Problem Herr zu werden, war ich letzte Nacht dazu nicht in der Lage. Selbst eine Paracetamol-Tablette schaffte es kaum, die angespannte Muskulatur meines Rückens zu beruhigen. Die Schmerzen hatte Folgen, denn am Morgen wachte ich erst gegen halb zehn auf, wieder einmal schien der halbe Tag verloren. Ich machte das Beste daraus, begann mit einer Schreibsession. Das ist an sich eine gute Sache, denn der Geist arbeitet morgens auf Hochtouren. Meine ganze Konzentration gilt jedoch zur Zeit der Geschichte, das Reisen kommt kürzer, das ist der Nebeneffekt.

Erst gegen 12 machte ich mich auf den Weg nach Valencia. Es war eine wirklich schöne Tour mit dem Fahrrad, denn erst fuhr ich in Strandnähe, dann, nach einem kurzen Stück über Brücken und neben Straßen, traf ich direkt auf die Ciudad de las Artes.
Was für ein Anblick.
Ich bin mir bei moderner Architektur nie ganz sicher, schon gar nicht, ob sie gelungen ist. Immer muss ich an Manchester denken, an das Salford Centre, das im Jahre 2000 gerade eröffnete, als ich nach England gezogen war. Es erinnerte mich eher an eine breite Fresse mit klobigen Zähnen, zumal es – ganz aus Stahl – nach einigen Jahren meines Erachtens immer rotbrauner wurde, also vorzeitig alterte. Hier finde ich die Bauwerke gelungener. Als Erstes sah ich etwas, dass an eine im Sand steckende Miesmuschel aussah. Daneben ein langes Fischrückgrat, mit den einzelnen Gräten gut sichtbar. Dann ein Auge, was es, glaube ich, auch sein sollte, am Ende dann – ich weiß es nicht – etwas Rundes. Nach der Recherche stellte ich fest, dass es sich bei der Miesmuschel um einen Teil des Parque Oceanografico, bei der Gräte um das Museo de las Cienes, beim Auge um das Hemisferic, ein Imax-Kino, handelt. Und das runde Etwas, das laut Rough Guide eine Pistaziennuss darstellt, ist das erst kürzlich eröffnete Palau de las Artes, ich nehme an das Salford Centre Valencias, also ein Theater, Oper, Veranstaltungszentrum, alles, was eben mit Kultur zu tun hat. Besonders gefallen hat mir das Dach des unterirdischen Parkplatzes, ein mit Palmen und architektonischen Kegeln gestalteter Garten. Auf dem riesigen Komplex befinden sich beachtliche Wasserbecken, die beinahe schon an Freibäder erinnern. Schwimmer habe ich jedoch nicht gesehen. Warum eigentlich?

Valencia  und Ciutat de les Arts i les Ciències

Ich setzte meinen Weg fort, entlang der Jardins del Turia. Alles in allem wie gesagt eine wirklich nette Tour, bis ich irgendwann beschloss, das historische Zentrum aufzusuchen. Ich hatte mich nicht vorbereitet, wollte einfach nur ein Gefühl für Valencia bekommen. Mein Weg führte mich sofort auf den Placa de la Reina, die Kathedrale ließ ich erst einmal da, wo sie war, nämlich links liegen. Als Nächstes stieß ich auf eine riesige Markthalle, den Mercado Central. Ich liebe es, zwischen Schinken- und Fischständen hindurch zu spazieren, gekauft habe ich allerdings noch nie etwas. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich diese Einkäufe durch die Hitze des Tages tragen müsste, was einem Stück frischen Fisch sicher nicht so gut tun würde. Dann las ich doch etwas im Rough Guide, nur um sicher zu sein, dass ich nicht allzu viel verpasste. Gleich hinter dem Mercado schließt sich das historische Zentrum an, ich verwendete den Rest des Tages damit, durch die engen Gassen und an erdfarbenen Häusern vorbei zu laufen, sah dabei viele einladende Restaurants und Cafés. Immer wieder traf ich auf die Kathedrale oder den Torre de Serranos, einer der wenigen Teile der alten Befestigungsanlage, die einmal beachtlich gewesen sein muss.
Dann kam das schlechte Gewissen, denn ich hatte eine weitere Schreibsession geplant. Also setzte ich mich in eines der Cafés, um zu lunchen und danach zu schreiben, meist geschieht das gleichzeitig. Es wird meist eine ziemliche Sauerei.
Ich hatte wohl das schlechteste Café der Stadt ausgesucht, denn ich bekam eine Art trockenes Sandwich gefüllt mit Tintenfischringen. Erwartet hatte ich Tapas. Es liegt mir übrigens immer noch im Magen. Zudem war das Ganze auch noch unverschämt teuer, beinahe zehn Euro musste ich für dieses – Mahlzeit will ich es nicht nennen – Sandwich berappen. Jedenfalls konnte ich gut und ungestört schreiben, denn die Kellner kümmerten sich nicht weiter. So war also die Hauptsache, wegen der ich mich dort aufhielt, erledigt.

Der Tag verging sehr schnell, ich machte mich gegen 17:30 auf die Heimfahrt. Die ganze Zeit denke ich eher an die Geschichte, was für einen Schriftsteller auch gut ist. Ganz natürlich ist es auch, dass ab jetzt für eine Zeit die Reise selbst etwas kürzertreten wird. Dabei hatte ich in einer schwachen Minute den Gedanken, vielleicht recht rasch nach Italien zu fahren, um mit Nina dann gemeinsam die Provence zu bereisen. Ich kann mich jedoch gerade jetzt nicht dazu aufraffen. Wieder wären es viele Kilometer, auch doppelte Strecken natürlich und zu allem Überfluss müsste ich wieder recht zügig reisen. Ich werde den Gedanken wieder einmal sacken lassen, im Moment neige ich aber eher dazu, ihn zu verwerfen. Die Geschichte zählt, alles andere werden wir sehen. Ich merke auch, dass ich heute viel gearbeitet habe, es ist ein gutes Gefühl und es macht mir unendlich viel Spaß, diese Geschichte zu entwickeln. Das ist doch die Hauptsache, oder?