Wanderung zur Kapelle Profitis Ilias

Ein Tag der Entscheidungen.
Auch wenn es sich gestern noch nicht abgezeichnet hat, so kam es doch dazu, dass ich plötzlich vor einer Auswahl an Möglichkeiten stand. Vielleicht hätte ich mich vor ein paar Tagen noch darüber gefreut, aber jetzt stresste es mich einfach nur.
Aber der Reihe nach.
Heute Morgen beim Aufstehen traf ich noch relativ leicht die Entscheidung, einfach doch noch einen Tag hierzubleiben. Plötzlich erschien es mir nicht so schlecht, mir fiel noch eine Wanderung ein, die ich machen konnte, jetzt, in meinem ausgeruhten Zustand. Auch nach der grausamen Yogasession, 36 Minuten mit Breath and Flow, die mich an meine physischen Grenzen brachten, fühlte ich mich erfrischt und zu neuen Elan bereit.
Ich ließ mir Zeit, denn die Wanderung heute würde nicht lange dauern. Nur vier bis fünf Kilometer, zwar einen Berg hoch, aber das schien mir machbar.
Gegen zehn aber sah ich doch noch einmal die Fährverbindungen durch.
Und plötzlich war sie wieder da.
Die Fähre am 10.10. von Heraklion nach Milos, von dort hätte ich nach Sifnos weiterfahren können.
Welch eine Ironie.
Tagelang habe ich lamentiert, dass die gestrichen worden ist, jetzt aber war sie da, als wäre sie nie fort gewesen. Das eigenartige aber war: Ich hatte mich damit abgefunden, dass sie nicht mehr da war. Und umgesattelt. Im Kopf hatte ich alles bereits geplant, noch drei (bzw. jetzt zwei) Nächte in Chania, dann zwei Nächte in Piräus. Und plötzlich kam diese Variante ins Spiel.
Und nun galt es, eine richtige Entscheidung zu treffen.
Es war erst zehn, ich hätte problemlos meine Sachen packen können, den Bus um zwölf nach Chania nehmen und von dort nach Heraklion durchfahren können. Dann, morgen, wäre um ca. 16 Uhr die Fähre gegangen, die auf Milos um zwei Uhr nachts eingetroffen wäre. Dann um acht Uhr morgens geht dort eine Fähre nach Sifnos.
Und diese Tortur habe ich mir durch den Kopf gehen lassen.
Es war nicht nur die Nachtfahrt nach Milos und die Tatsache, dass ich dort erst um acht Uhr hätte weiterfahren können.
Plötzlich schien mir die Fahrt nach Heraklion, die Unterkunft in einem schäbigen Hotel mit anschließendem Nichtstun bis zum Ablegen der Fähre den Aufwand nicht wert. Zwei volle Reisetage hätte ich verloren, nur um für zwei Tage nach Sifnos zu kommen.
Das war es mir nicht wert. Nein, das war zu viel Energie. Für eine kleine Kykladeninsel, die ich schon mindestens ein halbes Dutzend mal besucht habe. Es erschien mir klein. Zu klein, um das alles auf mich zu nehmen.
Stattdessen aber haderte ich mit dieser Entscheidung. Sie fiel mir nicht so leicht, wie ich es hier gerade darstelle. Plötzlich wurde aber die Zeit wichtiger.
Hätte ich das alles ein paar Tage früher gewusst, wäre es wahrscheinlich anders gekommen. Dann wäre ich hier schon zwei Tage früher abgefahren. Ich wäre von Chania oder Rethymno aus bequem am Sonntag nach Heraklion gefahren, von dort dann auf die Fähre.
Aber so ist mir das alles zu viel.
Es ist eigenartig, ich habe den Eindruck, dass ich früher spontaner war. Das Reisen hat mir keine Mühe bereitet und ich hätte es alles anders gesehen. Aber jetzt überlege ich oft, ob es den Aufwand lohnt. Und manchmal ist das eben nicht der Fall.
So aber ließ ich die Zeit verticken. Mein Zelt blieb aufgebaut, die Sachen quer verstreut darin.
Ich fahre erst morgen ab. Und mache es jetzt so, wie ich es geplant habe.

Nachdem ich mir über mein Vorgehen im Klaren geworden bin, was insgesamt sicher eine Stunde gedauert hat, bin ich gegen elf losgewandert. Mein Ziel: Die kleine Kapelle Profitis Ilias. Diese hatte ich schon von der Taverne aus im Ort gesehen, hoch oben thront sie auf dem Hügel über dem Dorf. Ich hätte sie auch schon vorgestern besuchen können, als ich die Schlucht durchwandert habe, habe es aber nicht getan. Vielleicht weil ich insgeheim ahnte, dass ich noch einmal da sein würde.
Es war ein recht mühseliger Aufstieg. Immer den unregelmäßigen roten Punkten entlang, die jemand hier gemacht hat. Bislang haben sie mir immer den richtigen Weg gewiesen, also beschwere ich mich nicht. Man muss aufpassen, dass man nicht versehentlich auf einen Ziegenpfad wechselt und sich verläuft. Das geschieht schneller als einem lieb ist.
Die Berge beruhigten mich und ich sah schnell ein, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es war so friedlich. Und auch bei Weitem nicht so karg wie anderswo. Ich würde es fast als Heidelandschaft bezeichnen. Jedenfalls farbenfroher, als es von unten aussieht.
Insgesamt eine Stunde brauchte ich, bis ich die Kapelle erreicht hatte. Das letzte Stück war am steilsten, so gehört es sich auch. Dann war ich oben.
Der Blick auf die Berge und auf das Meer in der Ferne waren die leichte Anstrengung wert. Wieder einmal war ich auf dem Dach der Insel, wieder genoss ich die Landschaft unter mir. Kreta hat sicher noch viel mehr zu bieten. Aber hier oben bekomme ich jedes Mal einen Eindruck davon, wie wild und vielseitig die Insel ist.
Die Kapelle ist es nicht wert, aber das ist selten der Fall. Allein wegen der Aussicht war ich hier.
Ich stieg nur ein kleines Stück ab, lief wieder zum Dorf und der malerischen Taverne. Dieses Mal gönnte ich mir nur einen griechischen Kaffee, den ich für einen Euro bekam. Ein Euro. Na ja, dafür schlagen sie bei anderen Dingen zu. Aber nicht so sehr, wie man denkt. Es ist hier immer noch günstig, wenn man nicht gerade im schlimmsten Touristenhotspot diniert.
Nach einer vergnügten Stunde in der Taverne, die sich langsam füllte, denn gegen 14 Uhr macht dort die Küche auf, räumte ich meinen nun dringend benötigten Platz. Bei einem Euro war das angemessen. Ich war sehr lange dort.
Der Weg zurück war dann angenehm und leicht, denn ich konnte am Berg vorbeilaufen, direkt zum Campingplatz.
Und hier bin ich nun wieder, dieses Mal steht nun wirklich die letzte Nacht bevor. Es ist nicht schlimm, eine Woche war ich hier, länger, als irgendwo anders. Vielleicht war es ein bisschen Urlaub, auch wenn ich nicht den Eindruck hatte, hier geruhsam die Zeit verbracht zu haben. Es war insgesamt schon eine recht aktive Reise. Die ja noch nicht vorbei ist.
Muss ich mal sagen, auch wenn sich die letzten Worte fast schon wie ein Fazit anfühlen.
Trotzdem drehe ich morgen die Runde zurück. Chania wartet noch einmal. Weil es eben gut liegt. Und weil ich Heraklion damit gut umgehen kann, in das ich nun wirklich nicht zurückwill.
Es wird trotzdem geruhsam. Denn der Bus fährt erst gegen zwölf.
Trotzdem wird der Tag morgen für das Reisen verwendet.