Philippi

Ein Tag nach meinem Geschmack. Die geöffneten Vorhänge sorgten dafür, dass morgens die Sonne in den Camper hineinschielte und mich früh weckte. Endlich konnte ich vor acht den Tag beginnen. Ich stürzte mich gleich in die Arbeit. Nach einer guten Session war ich gegen zehn aufbruchbereit, hatte also genug Zeit im Gepäck, um mir Philippi anzusehen. Ich musste nur wenige Kilometer fahren, um die Stätte zu erreichen. Der Tag war noch recht kühl, dafür war die Luft schneidend klar, schon vom Campingplatz aus konnte ich die Insel Thassos sehen und – wie ich meine – auch den Berg Athos.
Das antike Philippi selbst liegt ebenfalls an einem Hügel, vor einer kilometerweiten Ebene. Schon als ich darauf zufuhr, sah ich zu meinem Erschrecken die Akropolis von Weitem. Sie liegt sehr hoch und ich wusste, dass ich es mir nicht entgehen lassen würde, sie zu erklimmen. Am Eingang erwartete mich eine Überraschung: Es war anscheinend der Tag des Touristen oder so etwas in der Art, der Besuch aller historischen Anlagen war heute gratis. Eigentlich hätte ich meine Reise planen müssen, Epidauros, Mykene, Athen – alles an einem Tag. Wer es mag?

Meine Erkundungen startete ich beim Theater. Es ist nicht so gigantisch wie andere, dafür sind die Aufbauten der Bühne etwas besser erhalten. Es muss früher auch als Amphitheater genutzt worden sein, das besagte eine Inschrift im Museum. Brot und Spiele, das alte Konzept, mit denen man Massen ruhig hält. Das sollten die heutigen Politiker bei der Harz4-Debatte beachten, sonst geht es ihnen wie den französischen Adligen 1789.
Da ich überhaupt nichts über die Stadt wusste und auch Infotafeln durch deren Nicht-Existenz glänzten, ging ich geradewegs zum Museum. Wie schon erwähnt, wurde die Stadt von Philip II. gegründet. Ich habe im Grunde das antike griechische Mazedonien (nein, das ist kein Widerspruch) ignoriert, was ich jetzt etwas bedaure. Hier erfuhr ich wenigstens etwas über den König, der seinem Sohn so brillant das Feld bereitete. Auch wenn Philippi eher eine unbedeutende Stätte diesbezüglich ist. Das Museum bot nicht sehr viel, meine Hoffnung, auch mehr über die Schlacht zu erfahren, wurde nicht erfüllt. Stattdessen sah ich einige römische Statuen, auch mazedonische Bestattungsbeigaben.

Nun aber gab es kein Halten mehr. Ich musste zur Akropolis hinauf, schon wegen des Ausblicks. Es ist ein recht steiler Aufstieg, der gutes Schuhwerk erfordert. Langsam wurde es auch immer heißer, so dass ich gut bedient gewesen bin, so zeitig aufzustehen. Oben angelangt besichtigte ich die wenigen Bauwerke, eigentlich nur einige ruinöse Türme. Allein die Aussicht ist es jedoch wert. Die Ebene lag vor mir, ein gewaltiger Berg im Hintergrund, alles sehr malerisch. Leider wusste ich nicht genug über die Schlacht, Historiker schätzen, dass an die 200.000 Soldaten teilgenommen haben. Die dürften in die Ebene unter mir gepasst haben. Es muss ein unvorstellbares Gemetzel gewesen sein, denn die Krieger waren Veteranen, Haudegen, die die Schlacht von Hand ausgefochten haben. Römer gegen Römer. Bruder gegen Bruder. Vater gegen Sohn. Das ist hier geschehen.

Doch auch die antike Stadt hat ihre Reize. Von oben sieht die Ausgrabungsstätte eigentlich am beeindruckendsten aus. Als ich wieder unten war und sie mir ansah, warf sie mich nicht vom Hocker. Ich schaute mir das römische Forum an, einige Säulen, ansonsten nur wild in der Gegend herumliegende Steine. Dahinter eine alte Basilika, die noch etwas vom früheren Glanz behalten hat, auch wenn nur noch wenige Steine stehen. Überlebt aber hat ein Boden aus roten Klinkern in römischem Stil. Es müssen kundige Bauleute gewesen sein, denn nach so vielen Jahrhunderten ist der Boden noch intakt.
Weitere Ruinen folgten. Leider gibt es keine Erklärungen, so also wusste ich nicht, was ich sah. Ohne Wissen setzt auch keine Vorstellungskraft ein, damit verblasst das Erlebte viel zu schnell.

Gegen halb eins war ich fertig. Nun setzte ich die Reise fort und habe es heute wirklich geschafft, zu arbeiten, zu erleben und zu reisen. Zwar kann ich das nicht jeden Tag machen, denn ich sah eigentlich viel zu oft auf die Uhr, die immer drängte, doch sind es wertvolle Tage, weil effektiv. Ich bin jetzt in Alexandroupolis angekommen, die Stadt sehe ich mir erst morgen an, aber laut Rough Guide gibt es nicht viel. So also kann ich mich auf Istanbul vorbereiten, die Vorfreude setzt langsam ein. Ich hatte schon befürchtet, ich würde gänzlich gleichgültig bleiben. Es sind noch ca. 50 Kilometer bis zur Grenze. Dann nehme ich nach vier Wochen von Griechenland Abschied. Ich werde das morgen feiern, in einer Taverne. Das gönn ich mir einfach. Mit Retsina und Ouzo und kleinen frittierten Fischen. Darauf verzichte ich schon seit Wochen. Nun ist es aber genug.