Gegend um Manavgat

Wie schnell doch die Zeit weiterhin voranschreitet. Monatelang wartete ich auf Nina, von den acht Tagen, die sie hier sein wird, ist nun die Hälfte um. Wir machen das Beste daraus, so wie in jeder Minute, die wir zusammen sind. Natürlich ist es anders, als wenn ich allein reise. Allein die Tatsache, dass wir wegen des Rückfluges in der Nähe von Antalya bleiben müssen, macht uns eine Spur unbeweglicher. Hier in der Gegend um Manavgat herum ist nicht mehr viel, das uns beschäftigen könnte, morgen fahren wir vielleicht nach Alanya, ein weiterer touristischer Ort oder aber wir entscheiden uns, gänzlich in die andere Richtung zu fahren, wieder in Richtung Kas oder Fethiye. So viele Möglichkeiten haben wir nicht mehr, denn durch die Entfernungen und die kurze Zeit möchten wir möglichst wenig Zeit im Auto verbringen. Auf der anderen Seite will ich Nina auch nicht die teilweise unmöglichen Campingplätze zumuten, von denen der jetzige, Orsay, schon eine echte Perle ist.

Die wenigen lichten Stunden waren heute wieder geprägt von prallem Sonnenschein. Es ist noch immer sehr angenehm, beinahe heiß, auch wenn es ab 17 Uhr nicht mehr möglich ist, sich vor dem Camper aufzuhalten. Monstermücken und eine durchdringende Feuchtigkeit, die sich eiskalt auch in die dickste Kleidung vorschiebt, machen es unmöglich.

Heute hatten wir nicht allzu viel vor, aufgrund der Tatsache, dass der Camper aussah wie er eben nach Monaten des resistenten Nichtputzens aussieht, machte ich mich wegen meiner viel gepriesenen Konfliktvermeidungsstrategie endlich daran, ihn aufzuräumen. Sonst hätte es mit Nina sicher richtigen Ärger gegeben (so war es nur ein ordentlicher Naserümpfer). Ich war selbst erstaunt, wie viel Dreck sich ansammelt, vor allem, was ich fand. Dinge, die ich längst verloren glaubte. Oder anderes, das längst aufgebraucht war, aber noch immer im Schrank stand. Und das seit Italien. Ich war fasziniert, werde aber ganz sicher nicht aus dieser Erfahrung lernen. Ich sehe Schmutz meist erst, wenn andere Menschen mir sagen, dass er da ist. Wie bei vielem anderen auch. Es kann vor meiner Nase geschehen, ich sehe es jedoch erst, wenn jemand die Güte hat, es mir zu zeigen. Aber vielleicht sind wir alle so.

Gegen halb zwölf machten wir uns endlich auf den Weg. Ziel sollten die Berge sein, die sich unweit unseres Domizils erhoben. Nach einigem Suchen fanden wir die richtige Straße in Richtung Akseki. Und dort wanden wir uns die Serpentinen hinauf. Die Transe schnaufte, stampfte, ackerte, gab aber nie auf. Sicher ist sie ein wenig ungelenk, doch zuverlässig wie sonst kein anderes Fahrzeug. Irgendwo sah ich ein Schild, das mir Ahmetler anzeigte. Es war ein winziger Pfad, wenigstens geteert, hier sollte es also in Richtung einer sehenswerten Schlucht gehen. Beinahe im Schritttempo bewegten wir uns, die Straße eng und voller Schlaglöcher, trotzdem kam uns immer wieder ein Fahrzeug entgegen. Wir fuhren durch einen Wald, kamen an einem ruhigen Fluss vorbei, die Berge hoben sich in die Höhe und wir konnten geheimnisvolle Höhlen in der Höhe entdecken. Ab einem Punkt wurde die Straße noch schmaler, der Abgrund neben uns immer steiler. Wir begegneten Menschen, die völlig anders aussahen, als die hippen Türken in den Zentren. Nur wenige Kilometer Inland liefen die Leute in ihren traditionellen Kleidern herum, statt des Jeeps benutzten sie Esel, um Dinge zu transportieren. Die Fahrt jedoch wurde zwar interessanter, aber immer gefährlicher. Einen ausgehöhlten Felsen passierten wir, das Dach des Wagens passte gerade noch darunter. Ich betete, dass uns niemand entgegen kommen möge, Ninas Fingernägel krallten sich in die Armlehne, sie sagte aber nichts. Bei der nächsten Gelegenheit beschloss ich, dass es an der Zeit war, einzusehen, dass der Camper für solcherlei Touren nicht taugt. Hier, an einer breiteren Kurve, konnte ich wenden und wir fuhren zurück zur Hauptstraße. Ganz sicher lohnt es sich, diesen Weg zu erkunden, die Schlucht, die bereits unter uns begonnen hatte, war malerisch und wild, aber sie muss auf andere warten, die besser ausgerüstet – in diesem Fall motorisiert – sind.

Wir fuhren noch einige Kilometer auf der Hauptstraße in die Berge hinein, waren immer wieder überrascht, wie wild und schön es hier ist. Leider scheinen die Menschen hier wenig Sinn für die Natur zu haben, denn sie laden ihren Müll mitten in der Landschaft ab. Es scheint mir ein südländisches Problem, denn seit Montenegro, vielleicht auch schon Kroatien, kann ich das beobachten. Wie schade ich das finde, kann ich kaum ausdrücken, aber so ist es nun einmal.
Gegen drei hatten wir genug, ich war angestrengt vom Autofahren und die Schatten wurden bereits länger. Unglaublich eigentlich, dass man einen Tag bereits um diese Zeit beendet, aber so ist es nun mal. Ich weiß, ich wiederhole mich, doch mich belastet der Rückzug der hellen Zeit. Vielleicht kann ich besser damit umgehen, wenn ich in einigen Wochen in der Nähe einer charismatischen Stadt verweile, in der auch die Abendstunden noch lohnenswert sind. Ob ich diese hier finde, möchte ich bezweifeln. Rom könnte ich mir vorstellen. Aber ich bin nicht gerade in der Nähe.
Ganz im Ernst, ich mache mir viele Gedanken, wo ich die Reise fortsetzen kann. Unter diesen Voraussetzungen scheint mir ein Schwenker in Richtung westeuropäischer Zivilisation nicht verkehrt.
Aber darüber mache ich mir erst in einigen Tagen Gedanken, wenn Nina wieder fort ist.