Barcelona – Parc Güell und anderer Gaudì

Operation Schusters Rappen lief heute Morgen an. Ich hatte einige Tage zuvor festgestellt, dass meine Sandalen derartig abgelaufen sind, dass diese trotz perfekten Sitzes meinem Vorhaben einer Reise nicht länger dienen. Gestern nun bemerkte ich zu allem Überfluss, dass der Camper einen unangenehmen Geruch verströmte, der zum Einen von einem längst vergessenen und in seinem eigenen Saft schwimmendem Apfel und zum Anderen von den alten Sandalen herrührte. Beides stellte ich ab, in dem ich sowohl den Apfel als auch die Schuhe aus dem Camper verbannte. Der Eintritt wird bis auf Weiteres verweigert. Den Apfel musste ich nicht ersetzen, wohl aber die Sandalen, also machte ich mich heute früh auf zu einem bekannten Discounter, der gerade heute welche im Angebot haben sollte. Garmin war mir dabei gar nicht freundlich gesinnt und kannte einige Straßen nicht, so dass ich rasch in dem verwirrenden System aus Schnellstraßen gefangen war. Eine volle Dreiviertelstunde brauchte ich zum Laden, nur um festzustellen, dass es keinen discountereigenen Parkplatz gab. Also suchte ich wie üblich mit bester Laune nach einem auf der Straße, doch ohne Erfolg. Mittlerweile war ich näher am nächsten Discounter, den ich dann auch wirklich ansteuerte. Diesmal hatte ich Glück, der Parkplatz war noch nicht ganz voll. Der Laden schon und eine Menschentraube verriet mir, wo sich die heutigen Angebote befanden. Ich drängelte mich durch die vielen Wühltischarme, bis ich an der richtigen Stelle stand. Ich muss dazu anmerken, dass ich sehr früh losgefahren war, um pünktlich zum Geschäftsbeginn dort zu sein, kenne ich doch das Trauerspiel um die Lockvogelangebote dieser Läden. Das Geschäft war gerade einmal 10 Minuten auf, doch die Auswahl bereits stark eingeschränkt. Nach einigen blauen Flecken hatte ich ein Paar in der Hand, es gefiel mir nicht. Also suchte ich weiter und nach noch mehr blauen Flecken und Kratzern fand ich endlich, was ich gesucht hatte. Ich nutzte ebenfalls die Gelegenheit, um endlich längst benötigte Dinge zu kaufen, also war die Fahrt heute Morgen durchaus sinnvoll. Nun bin ich also stolzer Besitzer neuer Trekking-Sandalen. Mal sehen, ob die auch alpentauglich sind wie die anderen.
Ich kam später zurück zum Campingplatz als erwartet, letztlich war ich wieder nicht vor ein Uhr in der Stadt und bin von drei effizienten Schreibsessions weit entfernt. Im Augenblick schaffe ich nur zwei, aber immerhin.

Heute wollte ich in den Park Güell, immer auf den Spuren von Gaudi. Ich lief am Placa Catalunya vorbei auf der Passeig de Gracia. Die kannte ich schon, Nina war hier shoppen gegangen, während ich in einem Café zur Betreuung abgegeben worden war. Auf diesem Boulevard befinden sich zwei Gaudi-Häuser, die ich zugegebenermaßen nur von außen kenne, deren Fassaden jedoch die ganze Abstraktheit von Gaudis Architektur zeigen. Zusätzlich zum architektonischen Genuss ging ich Schaufenstershoppen, die Preiskategorie der Geschäfte entspricht jedoch nicht ganz meinem Budget, zu intensiv ist es gestaltet. Allerdings muss ich zugeben, dass Zegna durchaus Sachen hat, in denen ich mich vorstellen könnte. Immerhin. (Anmerkung 18 Monate später: Solche Anwandlungen kann ich heute nicht mehr verstehen. So verändert man sich eben.)
Ich lief diesmal weiter als das letzte Mal, die Straße ging in die Carrer de Gran Gracia über, die einen engeren und einfacheren Charakter hat. Touristen verirren sich kaum noch hierher. Den Park fand ich ziemlich leicht, er ist selbst für Fußgänger gut ausgeschildert. Ich muss einen Seiteneingang genommen haben, denn es war fast leer. Was man vom Haupteingang nicht sagen konnte, den ich Minuten später erreichte. Dieser wird bereits von zwei prächtigen, dahingekleckerten und mit Mosaiken besetzten Gebäuden umrahmt. Hier war ein beachtliches Gedränge, trotzdem war die Atmosphäre heiter, was ich auf die lustige Architektur zurückführe, die wirklich ihren Reiz hat. Hier, auf der Treppe zum Park, ist auch ein berühmtes Tier, vielleicht ein Salamander, der sich ebenfalls mit Mosaiken besetzt die Treppen hinunter schlängelt. Durch eine Säulenhalle samt Mosaikdecke – entschuldigt bitte, aber Gaudi ist nunmal ohne Mosaike aus Fliesen nicht zu beschreiben – kam ich auf den Hauptplatz mit seinen berühmten Bänken – die – Überraschung -mit Mosaiken geschmückt sind. Das Schöne an dem Park ist, dass überall Musiker spielen. Nicht jedoch die üblichen Möchtegernbanausen, sondern wirklich gute. In der Säulenhalle spielten zwei Streicher Mozart, mit viel Hingabe und Talent verzauberten sie ihre Zuhörer. Auf dem Platz unterhielt ein Guitarrentrio die Touristen, auch diese wussten mit ihren Instrumenten umzugehen. Die Bänke, die sich um den Platz herum schlängeln, sind wirklich sehenswert, hier war die Atmosphäre am heitersten. Ich sah nicht ein trauriges oder genervtes Gesicht, trotz der Enge. Jeder wartete geduldig auf seinen Platz zum Fotografieren oder ruhte sich einfach nur auf den berühmten Plätzen aus.

Ich erkundete den Park, sah noch so manches Kunstwerk Gaudis. Vor allem aber meine ich, Corellis Villa aus dem Roman gefunden zu haben. Es ist die Einzige, die ich sah und sie passt durchaus in meine Vorstellung des Hauses von Martins Mäzen. Das Beste aber war der Aussichtspunkt, den man irgendwann erreicht, wenn man den verschlungenen Pfaden folgt. Ein herrlicher Blick auf Barcelona ist die Krönung des Besuchs. Trotz diesigem Wetter war alles gut zu erkennen, die „Gurke“, die dank London immer meine Aufmerksamkeit findet, Barcelonetta, die Torres, die mit einer Seilbahn den Montjuic-Park mit dem Hafen verbinden, die Sagrada Famiglia – kurz gesagt die einzigartige Skyline von Barcelona lag mir zu Füßen. Ich weiß nicht, warum wir dieses Glanzstück beim ersten Besuch nicht gesehen haben, aber solche Fragen sind müßig. In jedem Fall werde ich mich von Gaudi bei der Einrichtung unserer Wohnung in Berlin inspirieren lassen. Was mich nicht alles inspiriert. Aber egal.

Auf dem Rückweg stellte ich fest, dass anscheinend jeder Meter in einer Stadt dreifach zählt, anders kann ich mir die Schmerzen in den Beinen nicht erklären. Ein Café auf dem Passeig de Sant Joan rettete mich, dort strecke ich gerade meine Füße aus und sauge mir diese Worte aus dem Kopf. Vielleicht ist morgen bereits der letzte Tag in Barcelona, ein absolutes Highlight ist es in jedem Fall und es fühlt sich noch nicht so an, als wollte ich abfahren. Andererseits geht alles weiter, nichts darf man zu sehr festhalten, sonst wird es irgendwann zu einer Farce. Das ist die Quintessenz des Reisens, egal ob es sich um die innere oder die äußere dreht.