Ölüdeniz

Erst heute ist mir wirklich aufgefallen, wie schön die Gegend hier eigentlich ist. Die Berge fallen steil ins Meer, der Strand ist weiß und sauber. Auch der Campingplatz liegt etwas abseits und ist somit eigentlich ruhig. Die gestrige Hochzeitsfeier nebenan stellte sich am Ende zwar als sehr laut heraus, die Bässe konnte ich spüren, wenn ich die Wände des Fahrzeugs berührte oder am Herd stand, doch war um elf der Spuk vorbei. Das ging alles noch, wer sich beschwert, ist ein Spaßverderber. Wenigstens feiern sie nicht bis sieben Uhr morgens wie in Italien oder Spanien.

Der Tag von gestern steckte mir in den Knochen. Ich habe es nicht bemerkt, aber schon beim Schreiben des Journals am Abend merkte ich, dass mir die Energie fehlte, um etwas zustande zu bringen. Auch heute kam ich nicht in Gang, trotzdem überwand ich den Schweinehund und arbeitete am Roman. Bald bin ich fertig, vielleicht einige Tage noch, dann freue ich mich auf eine kleine Pause.
Es half nichts, an solchen Tagen muss man das Beste daraus machen. Also wusch ich, was dringend nötig war, auch der Camper sah wieder einmal aus wie … eigentlich wie immer: unaufgeräumt. Die letzten Tage in Strandnähe haben für einen stetigen und dauernden Nachschub an feinen Sandkörnern im Bett gesorgt. Es ist immer wieder aufbauend, sich aufzurichten und das Knirschen zu hören. Trotz Ausschüttelns und Fegens tauchen diese mikroskopisch kleinen, aber immer glitzernden Elemente überall auf. Auch jetzt noch. Außerdem stelle ich fest, dass besonders meine weiße Wäsche gelitten hat. T-Shirts weisen alle einen leichten Gelbstich am Kragen auf, trotz gewaltigen, Gewebe zerfetzenden Rubbelns geht er nicht mehr weg. Ich führe das auf die schwül-warmen Sommertage zurück, die Mischung aus Schweiß und Sonnencreme zerstört sicher auch das beste Hemd. Zum Glück glaube ich nicht an weiße Unterwäsche, aber hier will ich nicht näher ins Detail gehen.

Erst gegen zwölf machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Es war sehr heiß, eine Erfahrung, die ich beinahe vergessen zu haben schien. Hatte ich noch mit dem Gedanken gespielt, etwas wandern zu gehen, kam ich rasch davon ab. Vielleicht morgen, wenn es etwas kühler ist. Also lief ich nur in den Ort, von dem ich nicht das Beste gelesen hatte. Der Rough Guide hatte nicht gelogen. Trotz des wundervollen Strandes, des klaren Wassers, den mystischen Bergen, die an den Urwald erinnern, haben die Türken ein Ressort aufgebaut, das zu den Übelsten seiner Art zählen muss. Überall Kneipen, Fish&Chips, English Breakfast, vollkommen überteuert. Dazu die bekannten Schilder, die die Insel-Programme anpreisen: Eastenders, Coronation Street und sonstige Soaps des Prekariats. Ich muss allerdings gestehen, dass mich diese Welt fasziniert. So lief ich die Promenade entlang und kam an einigen Geschäften vorbei, die Stoffe, Teppiche und Kissenbezüge anboten. Ich war nicht Teil der Zielgruppe, also ließen mich die Türken in Ruhe. Zwei ältere englische Damen hatten nicht so viel Glück, allerdings waren sie ohnehin auf Shoppingtour.
Sie sprachen ein fantastisches Englisch mit gehobenem Akzent.
„Look darling. Isn’t it lovely?“
„Oh yes. How wonderful.“
Ich liebte es, blieb sogar in sicherer Entfernung stehen, um die Szene noch etwas zu beobachten. Leider wurde ich durch das Auftauchen der „Touts“ gestört, die sowohl die Damen als auch mich plötzlich in Angriff nahmen. Also setzte ich mein gelerntes Lächeln auf und zog meiner Wege. Die Engländerinnen sah ich später mit riesigen Einkaufstüten.

Auf der Promenade wurde ich beinahe von einem Paraglider umgesegelt. Mehrere Unternehmen bieten diese Touren an, ihre Landeplätze sind kaum sichtbar auf den Gehwegen aufgezeichnet. Ich hatte jedenfalls ein mulmiges Gefühl, einen gewaltigen Schirm mit einigem Tempo auf mich zufliegen zu sehen. Ich glaube, dem Piloten ging es ähnlich wie mir. Zum Glück verfehlten wir uns letztlich um einige Meter. Das hätte sicher wehgetan.
Mehr brachte ich bislang nicht zustande und es sieht nicht so aus, als ob ich noch mehr Energie für weitere Aktionen aufbringen würde. In der Nähe ist eine Geisterstadt, zu der ich morgen laufen will. Auch Fethiye ist in der Nähe, allerdings sieht die Beschreibung im Rough Guide nicht so einladend aus. Lieber verbringe ich hier auf dieser Halbinsel einige Tage, die Landschaft sieht spektakulär aus und vielleicht schaffe ich es auf einen der Berge, auch wenn ich leider keine Wanderkarte in Ölüdeniz gefunden habe. Den morgigen Tag werde ich sicher früher beginnen, um genug Zeit zum Laufen zu haben. Und sicher geht es mir dann körperlich besser. Denn heute habe ich nun wirklich mehr als genug ausgeruht.