Catania

Es war ein besserer Tag heute. Wie oben ersichtlich begann ich ihn mit dem Nachtrag von gestern. Danach folgte ohne größere Pause die Arbeit am Roman, die mich bis zum Mittag in Atem hielt. Wortwörtlich übrigens, ich finde es selbst spannend, wenn sich eine Geschichte entwickelt. Vor allem weil ich noch nicht weiß, wie sie weiter gehen wird, also ist Konzentration darauf gesorgt. Dann hatte ich frei, atmete tief durch und fühlte mich einfach nur gut. Mittlerweile war es noch wärmer als am Morgen, also beschloss ich, nochmals nach Catania zu laufen. Wieder wanderte ich am Meer entlang, sah mir nochmals den kleinen Hafen an, den Nina und ich entdeckt hatten. Es sind vielleicht nur 200 Meter Strecke, zwischen schönen, alten Häusern entlang. Im Becken liegen meist nur wenige kleine Boote, aber die Catanier haben diesen Streifen bereits für sich entdeckt. Selbst heute waren viele da, die einfach nur die Sonne genossen. Auch gibt es einige Restaurants, schön gelegen mit Aussicht aufs Meer.

Aber mir stand der Sinn heute nach etwas anderem. Ich wollte mir eine Jeans kaufen. Für mich ist so etwas ein echtes Abenteuer, weil ich überhaupt keinen modischen Geschmack habe. Ich hatte mir bereits vor Wochen ein Geschäft ausgeschaut, das mir angemessen erschien. Betrieben von Chinesen, wahrscheinlich direkt aus deren Fabriken. Ich musste etwas suchen, bis ich es wiedergefunden hatte.

Die diesjährige Jeansmode fand ich von Anfang an merkwürdig. Ich kenne meine deutsche Größe zwar, aber ob sie mit der italienischen übereinstimmt, wusste ich nicht. Also suchte ich eine Jeans, die mir gefiel, in Größe 28 und 30 und machte mich ans Anprobieren. Warum zum Teufel ich dachte, dass mir eine 28 passen könnte, weiß ich bis jetzt nicht. Ich fing jedenfalls damit an. Nach wenigen Sekunden stellte ich fest, dass es sich zum einen um eine wirkliche Röhrenjeans handelte, die sich eng an die Beine legt, zum anderen war die Jeans zu klein. Jetzt hatte ich ein wirkliches Dilemma, denn ich kam nicht mehr aus der Hose heraus. Wie eine zweite Haut hatte sie sich um meine Waden gelegt, so wild ich auch zog, sie bewegte sich nur wenig. Es dauerte auf diese Weise sicher eine Minute, bis ich das Ding wieder los war. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was geschehen wäre, wenn ich meiner Eingebung gefolgt und die Jeans gewaltsam über meine Beine gezogen hätte. Wahrscheinlich wäre ein chirurgischer Eingriff notwendig gewesen, um mich zu befreien, einhergehend mit einer teilweisen Enthäutung. Noch einmal davon gekommen. Die 30 passte übrigens, aber war trotzdem zu eng, was meine ohnehin dünnen Beine wie Zahnstocher aussehen ließ.
Inzwischen hatte eine chinesische Mitarbeiterin entdeckt, dass ein Kunde im Laden war, nämlich ich. Sie half mir von nun an, die richtigen Größen zu suchen, bei der bescheidenen Auswahl im Laden hatte sie noch einen vergleichsweise einfachen Job. Nach und nach probierten wir alles durch, aber so recht gefiel mir keine Jeans. Also machte ich es wie alle Männer. Ich entschied mich einfach für die Erste, nur um nicht leer aus dem Laden gehen zu müssen und ebenfalls die Sorge los zu sein. Jetzt bin ich also stolzer Besitzer einer Jeans, die meine dünnen Beine betont und auch keinen Zweifel offen lässt, dass ich einen Hintern habe, mit dem ich getrost auf einer Briefmarke Platz nehmen könnte. Wahrscheinlich ziehe ich sie nie an. Aber das Bedürfnis ist trotzdem befriedigt, ohne viel Zeit in Anspruch zu nehmen. Und das ist eine Menge wert.

Ich schlenderte noch ein wenig durch die Stadt, ging aber nicht wieder ins Zentrum. Warum auch, dort war ich nun schon so oft, dass ich keinen Sinn mehr darin sah. Ich dachte bereits an die Weiterfahrt. Im Kopf ging ich mehrere Optionen durch, die ich nicht alle aufführen möchte, weil ich sicher keine davon wählen werde. Es ist immer so. Wenn ich erst vor Ort bin, ändere ich stets meine Meinung. Jeder, der meine Reise in der Türkei und meine ständig angekündigten Pläne verfolgt hat, weiß das. Es kommt alles anders. Und immer als man denkt. Ich fand einige Lavasteine, die ich als Andenken mitnehmen werde. Der Ätna selbst war recht wolkenverhangen, was mich wunderte. Vielleicht ist es auch immer noch eine Aschewolke.
Bald schon war ich wieder auf dem Campingplatz und räumte etwas auf. Noch immer aber bin ich relativ entschlossen, morgen wieder gen Norden zu fahren. Mal sehen, ob ich das wenigstens einhalten kann.