Donoussa und Naxos

Es waren stille Tage, die wir verlebt haben. Am 15. haben wir nichts weiter gemacht, außer am Strand zu sitzen, nochmals durch Stavros zu bummeln und ein Café zu besuchen. Damit ist im Grunde alles gesagt. Wenn ich nicht doch in vielem noch Erlebnisse sehen würde, die es lohnen, aufgeschrieben zu werden.
Am Morgen wollte ich unser Fährticket für den nächsten Tag buchen. Klappte natürlich nicht, weil es nicht mehr Morgen, sondern eher schon Mittag war. Die Taverne, deren Wirt auch unser Studio-Host ist, teilte uns mit, dass er keine Tickets verkaufen würde. Wir hatten irgendwo gelesen, dass er diesen Service anbietet, außerdem befindet sich auch ein Schild am Restaurant, aber es war eben so, wie es war. Das kleine Büro in der „Stadt“ hatte nur morgens geöffnet und am späten Nachmittag wieder. Also verschoben wir den Kauf der Tickets auf später.
Irgendwie hatte ich auch immer das Gefühl, dass wir noch einen Tag länger bleiben könnten, hätte aber partout nicht gewusst, was ich hier hätte machen sollen. Eine Option wäre es zumindest gewesen, Fähren hätte es auch am Tag später noch gegeben. Doch schien mir die Option, schon am nächsten Tag nach Naxos zu fahren, besser. Außerdem mochte ich unsere Unterkunft hier nicht. Es mag sein, dass es schönere Zimmer als unsere gibt, aber unseres war wirklich nur zweite Wahl. Es roch unangenehm und es wurde nicht geputzt, was dazu führte, dass der Boden bald von feinem Sand bedeckt war und die Papierkörbe überquollen. Nicht sehr schön. Also wollte ich alles dran setzen, bald abzufahren.
Um 17:30 also, oder ein bisschen später, fand ich mich am kleinen Büro ein, hatte kurz die Befürchtung, dass es geschlossen haben könnte, aber das war zum Glück nicht der Fall. Stattdessen hatte sich schon eine kleine „Schlange“ gebildet, bestehend aus einem uralten Engländer, der im Büro um ein Ticket verhandelte, und eine Italienerin, die nervös an der Tür wartete. Das geht hier, wie ich finde, schon als Schlange durch.
Der Engländer jedenfalls schien nicht recht zu wissen, was er wollte. Die Verkäuferin, eine etwa 13-jährige mit rudimentärem Englisch, schien auch nicht gerade zu helfen. Die Italienerin teilte mir genervt mit, dass das alles schon 20 Minuten dauerte. Tatsächlich fragte die Verkäuferin eigentlich normale Fragen, verstand aber selten die Antworten. Ein Zettel, an die Kunden verteilt, hätte helfen können, um Namen, Geburtsdatum und Telefonnummern aufzuschreiben. Aber auf diese Idee kam sie nicht.
Die Italienerin, die dann, als der Engländer endlich alles erledigt hatte, half auch nicht gerade, weil sie alles, was das Kind in den PC tippte, wiederholt haben wollte. Es waren schlichtweg Kommunikationsprobleme.
Mittlerweile war ich aus irgendeinem Grund so nervös, dass ich, als ich dran war, auch länger brauchte, als ich gedacht hatte. Von mir wollte das Kind nämlich noch den Impfpass gezeigt bekommen. In meiner Nervosität hatte ich vergessen, dass ich das Smartphone dabei hatte, wo sich alles notwendige abgespeichert befand. Aber auf diese Idee kam ich nun nicht. Ich versicherte also so eifrig und überzeugend wie möglich, dass alles seine Richtigkeit hatte und sowohl Ehefrau als auch ich regelkonform geimpft wären. Misstrauisch betrachtete mich das Mädchen, dass eine gewisse Macht auszuüben schien. Schließlich ließ sie mir diese bürokratische Ungenauigkeit durchgehen. Und machte auch nur einen Fehler, den aber gleich zweimal, indem sie unserer beider Namen auf den Tickets falsch geschrieben hatte. Aus Erfahrung weiß ich, dass so etwas absolut keine Rolle spielt, ich bin schon einmal mit dem Wohnmobil mit falsch eingetipptem Kennzeichen von Igoumenitsa nach Italien übergesetzt. Das würde in Deutschland ganz sicher nicht passieren. Oder durchgehen.
Ich aber hatte endlich irgendwann die beiden Tickets, konnte also zurück zum Studio und dann die Unterkunft in Naxos buchen.
Also war alles geregelt. Von Spontanität aber hatte dieser Urlaub nichts mehr. Einfach abfahren, ankommen, mit Hotelanbietern, die einen an der Fähre abfangen verhandeln – das alles scheint passé.
Am Abend gönnten wir uns noch ein Glas Wein und ein Aperol Spritz in der netten Bar oberhalb des Hafens. Die Aussicht war hervorragend, bezaubernd, würde ich sagen. So sehr, dass ich vergessen habe, sie zu fotografieren, was allerdings in der Nacht sowieso kaum funktioniert hätte. Ich habe nur eine mittelmäßige Digicam und ein günstiges China-Phone, dessen Kamera den Lichtverhältnissen garantiert nicht gewachsen ist. Es war ausgesprochen mild, vielleicht die erste milde Nacht in diesem Urlaub. Tatsächlich wurde es wärmer, pünktlich also zum Ende der Reise, zumindest für Ehefrau Nina.
Der Kellner jedenfalls teilte uns mit, dass in wenigen Tagen die Saison hier enden würde. Restaurants und Bars würden schließen, zumindest die meisten. Es sah nicht so aus, zumindest die Tavernen wirkten noch sehr voll. Ich habe den Aufenthalt hier nicht als Nach-Saison empfunden, weiß aber nicht, wie es hier im August aussieht. Viele Studios waren jedenfalls bereits geschlossen, als wir angekommen sind. Ich denke, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird, die griechische Saison wird länger dauern. Weil Griechenland Gewinner der Krise ist. Es ist so voll wie noch nie hier. Und man merkt es auch.

Am nächsten Morgen fuhren wir ab.
Mein Faltrad hatte ich schon am Vorabend am Hafen abgestellt, pünktlich zur Abfahrt fiel die Kette heraus. Wahrscheinlich hat sich die Schaltung verstellt, denn ich kann den ersten Gang nicht mehr benutzen. Das ist ärgerlich, weil ich nicht weiß, wie ich hier die Berge hochkommen will. Vielleicht ist das Gerät auch nicht zu einer Tour wie dieser geeignet, wir werden sehen. In Kreta werde ich schlauer sein. Dann werde ich auch mehr fahren. Und habe vielleicht auch Zugang zu Fahrradhändlern, die sich das Ding mal ansehen können. Etwas stimmt nicht. Aber ich kenne mich nicht genug aus.
Die Fähre, eine Blue Star, kam pünktlich. Alles lief glatt, unser Impfzertifikat wollten die Mitarbeiter aber sehen. Das wird ernst genommen, auch wenn sie es nicht gescannt haben. Wer es also fälschen will, würde damit wahrscheinlich meistens durchkommen.
Um acht Uhr morgens fuhren wir ab, kurz nach neun waren wir bereits in Naxos. Ich klappte das Rad auf, verfrachtete etwas Gepäck darauf, dann machten wir uns auf den Weg zum Hotel. Einen Kilometer entfernt lag es in Richtung Strand. Es war kein sehr schöner Spaziergang, weil auch hier die Straßen kaum dafür gemacht sind, ein Rad zu schieben, geschweige denn es zu fahren. Ich habe ein wenig die Befürchtung, dass das alles schwierig werden wird, aber das habe ich schon geschrieben.
Das Zimmer war natürlich noch nicht fertig, sicher waren auch die Gäste noch nicht abgefahren. Aber das kann man gegen zehn Uhr morgens auch nicht verlangen. Also stellten wir das Gepäck ab und machten uns auf den Weg zurück in die Stadt, die uns fürchterlich überforderte. Mehr als eine Woche waren wir auf den gemächlichen kleinen Kykladen unterwegs gewesen. Der Trubel und das Gewusel in Naxos Town war jetzt mehr, als wir ertragen konnten. Wir lunchten also in Ruhe, waren kurz am Strand, der besetzt war mit Rentnern. Die Saison endet also doch langsam. Gegen Eins dann bezogen wir unser Zimmer. Und waren vollkommen erschöpft. Ich weiß auch nicht warum. Wir hatten kaum etwas unternommen. Trotzdem machten wir uns nachmittags nochmals auf den Weg zur Stadt, dort besuchten wir das Labyrinth, also die Altstadt, ein Gewirr aus Gassen und Stufen, herrlich kykladisch. Alle Häuser sind weiß getüncht, oft sieht man das typische Blau. Postkartenmotive eben. Keine Ahnung, ob das alles wirklich einmal so ausgesehen hat, aber der Stil hat sich jetzt verselbstständigt. Er ist jetzt da und geht auch nicht mehr. Alles, was neu gebaut wird, wird ebenso gestrichen.
Nach diesem Besuch gingen wir nur noch einkaufen, ich kochte abends eine Kleinigkeit, um halb Neun aber fielen wir auf das Bett. Halb Neun. Eigentlich wollten wir noch ein wenig Naxos am Abend genießen, aber das fiel aus. Ich war etwas enttäuscht, aber so müde, dass es sowieso nicht gegangen wäre. Vielleicht war es am Tag zu heiß gewesen, vielleicht hatten wir doch mehr gemacht, als ich gedacht hatte, vielleicht hatten uns auch die Eindrücke übermannt. Ich weiß es nicht. Ehefrau Nina aber ging es genauso. Sie äußerte am nächsten Tag den Verdacht, dass wir Covid haben könnten und die Müdigkeit unser einziges Symptom darstellen würde. Ich hatte diesen Gedanken auch schon, fand und finde ihn aber töricht. Long Covid also ohne andere Symptome? Ich denke nicht. Reisen ist manchmal anstrengend. Besonders Reisetage, auch wenn die Fahrt letztlich nur kurz gewesen ist.
Morgen bricht unser letzter Tag auf der Reise an, bevor sich unsere Wege trennen werden. Ehefrau Nina fährt zurück nach Piräus, dann am nächsten Tag nach Berlin, ich fahre weiter nach Kreta, nach Heraklion, später dann weiter zu anderen Orten. Eine echte Reise eben.
Aber einen Tag haben wir noch.
Wir werden ihn sicher ruhig angehen. Kykladen-Stil eben.
Und so sollte es auch sein.