Velika Plateau
Vier Monate bin ich unterwegs. Dieses kleine Jubiläum hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt, aber so etwas kann man sich nicht aussuchen. Es war ein Regentag, wie ich ihn eigentlich so nur aus Berlin kenne. Wenn es einmal angefangen hat, dann regnet es den ganzen Tag, ohne auch nur die leiseste Unterbrechung.
Dabei erwachte ich heute morgen sehr früh, die Sonne schien warm, und ich machte mir Hoffnungen auf einen weiteren Wandertag, obwohl mir die Müdigkeit noch in den schweren Beinen lag. Der gestrige Tag zeigte mir erst heute, wie sehr er mich wirklich geschlaucht hatte. Wenn ich allerdings gekonnt hätte, wäre es mir leicht gefallen.
Aber es kam anders. Der Himmel bezog sich rasch und ich haderte mit mir, ob ich einfach loslaufen, da bleiben oder sogar meine Sachen packen und abfahren sollte. Letztlich traf ich erst einmal die Entscheidung, noch eine Nacht zu bleiben. Ich fragte dann die Einheimische hinterm Tresen, ob es regnen würde. Eine so schnelle und positive Reaktion, die in dem Fall sehr negative Auswirkungen hatte, hatte ich noch nie erlebt. Damit war klar, dass es besser wäre, vielleicht nur einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Doch auch daraus wurde nichts, denn kaum war ich am Camper angelangt, begann es zu regnen. Erst nur leicht, kaum ein Tropfen verirrte sich auf die Transe. Noch hätte ich es ignorieren und einfach loslaufen können. Etwas hielt mich zurück und es war gut so. Binnen einer halben Stunde schüttete es wie aus Eimern, selbst einen Fuß vor die Tür zu setzen, musste ich mir gut überlegen. Ich schaute also von drinnen zu, wie sich der Waldboden langsam in eine Soße aus Matsch und Tannennadeln verwandelte.
Ich habe nichts gegen solche Tage. Sie beruhigen mein Gemüt, das sonst ewig auf Achse ist. Hier gab es rein gar nichts zu tun, ich döste vor mich hin, las viel, versuchte, mir einen Youtube-Stream im Internet anzusehen, schrieb an meiner Geschichte weiter, skizzierte dabei meine Ideen von gestern. Es kann sein, dass ich einen Großteil der Geschichte jetzt im Kasten habe, sie nur noch „reinhacken“ muss. Am Ende des Tages, jetzt also, war ich allerdings völlig fertig, zu viel ungesundes Essen in Form von Schokolade und Chips, zu wenig Gesundes und viel zu wenig Bewegung haben mich rammdösig gemacht. Einen Brief an meinen Onkel, den ich schon seit ca. drei Monaten schreiben will, habe ich immer noch nicht auf die Reihe bekommen, was mir langsam aber sicher auf der Seele brennt.
Allerdings habe ich es geschafft, einen Teil meiner Reise festzulegen, zumindest für die nächsten drei bis vier Wochen. Istrien ist seit heute völlig gestrichen. Die dortigen Campingplätze akzeptieren keine Gäste, die nur kurze Zeit dort ausharren wollen, zumindest nicht in der Hauptsaison. Urlauber ja, Reisende nein, ich bin also nicht willkommen. Wenn das so ist, werde ich die Gegend auch nicht nochmals mit einem Besuch beehren. Die Chancen waren ohnehin relativ gering.
Ich fahre also gemütlich Richtung Zagreb, werde dann einen kurzen Bogen zu einer kroatischen Seenplatte schlagen, deren slawischen Namen ich mir niemals merken werde, dann nach Bosnien abdrehen. Sarajewo und Mostar sind ganz sicher sehenswert. Vielleicht ist es dann auch spät genug, um mich kurz nach Kroatien wagen zu können, in jedem Fall geht es dann weiter nach Montenegro und Albanien, bevor mich dann die Hellenen empfangen dürfen.
Es erscheint mir die natürlichste Strecke.
Auch denke ich oft darüber nach, wie ich die Sache mit den fehlenden Visa anstellen soll – mit Auto oder ohne nach Syrien – oder überhaupt so weit? Abdrehen und vielleicht auf Sizilien überwintern? Einen kurzen Abstecher nach Tunesien?
Fragen über Fragen. Die werde ich aber ganz sicher nicht heute beantworten.
Es bleibt alles spannend, morgen fahre ich weiter. Wohin, wusste ich heute Morgen noch, jetzt habe ich selbst das vergessen. Das kann ja heiter werden mit meinen Plänen.
Kaum einen Tag im Regen versackt, schon funktioniert das Gedächtnis nicht mehr.
Ich mache mich langsam bereit für die Nacht, der Regen ist sehr, sehr laut und ich werde sehen, ob ich schlafen kann. Wenn nicht, macht es auch nichts. Ich habe ein sehr gutes Buch von Arthur Becker (Wodka und Messer. Lied vom Ertrinken), das mich ziemlich in Atem hält.
Wie gesagt, auch solche Tage muss es geben. Komisch nur, dass sie ausgerechnet im Hochsommer vorkommen müssen.