Drepano

Der Himmel über dem beeindruckenden Kastell heute Morgen sah finster aus. Lila – grau, die Bergspitzen drum herum waren kaum zu sehen, denn sie lagen in den tief liegenden Wolken. Der Campingplatzbesitzer hatte kaum Mitleid mit den Urlaubern, sagte mir, dass es seit Monaten nicht mehr geregnet habe und es nun wirklich Zeit wäre. Recht hat er. Also packte ich alles so schnell es ging zusammen. Habe ich schon erzählt, was für eine komische Sippe der deutsche Urlauber ist? Mit jedem anderen Europäer lässt es sich leichter ins Gespräch kommen. Besonders das deutsche Pärchen an sich ist eine kurze Bemerkung wert. Ich habe das Gefühl, dass sie sich generell völlig genügen, Eindringlinge, und dazu gehören bereits Blicke, sind generell unerwünscht. Ich glaube nicht, dass ich auch nur ein einziges Mal auf dieser Fahrt mit einem Teil eines deutschen Pärchens auch nur ein einziges Wort gewechselt habe. Oft wird nicht einmal gegrüßt, nur gestarrt, was natürlich ein Grüßen meinerseits nach sich zieht, das dann geflissentlich ignoriert wird. So auch gestern, auch wenn ich mit einer allein-reisenden Heidelbergerin ins Gespräch kam. Sie war ein bisschen verrückt, aber das gehört sicher als Religionswissenschaftlerin dazu.

Ich fuhr durch Sparta einfach nur hindurch, eine moderne, nichtssagende Stadt mitten im Plateau. Die antike Stadt soll kaum noch vorhanden sein, ich machte mir nicht die Mühe zu suchen. Die Fahrt selbst war wieder ein Erlebnis. Der Peloponnes ist zerklüftet, an manchen Stellen so unzugänglich, dass ich mich wieder an die Texte erinnere, die ich früher, vor mehr als 15 Jahren gelesen habe. Ich glaube, nirgends sonst wären Stadtstaaten in dieser Form möglich gewesen. Geschützt durch die Anatomie der Gegend, abgeschieden und isoliert konnten sich sicher nur hier jene Formen der Staatsgebilde entwicklen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Tyrannen herrschten neben Demokraten, Oligarchen neben Königen, oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt in anderen Städten. Erst heute, bei meiner Fahrt, konnte ich verstehen warum das so möglich gewesen ist. Dabei ist das Terrain überaus interessant, sicher kann man hier wundervolle Wandertouren unternehmen. Doch dann blickte ich wieder auf den Himmel in meinem Rückspiegel und jede Motivation in diese Richtung verschwand mit dem immer düster werdenden Himmel. Ich passierte Tripoli, das ich als Zentrum des Peloponnes bezeichnen würde, zumindest das geografische. Als ich ein Aldi-Schild sah, musste ich sofort anhalten. Keine Ahnung warum, Fliegen werden ja auch von menschlichem Abfall angezogen, anders kann ich es nicht bildlich darstellen. Denn um ehrlich zu sein, lohnt sich ein Besuch beim historischsten aller Discounter weder in Deutschland noch in Griechenland. Aber das soll jeder selbst entscheiden. Die Straße hier wurde immer schlechter und enger, auch überholten mich viele Fahrzeuge, deren Fahrer mich anscheinend immer aufs Wüsteste beschimpften. Mir wurden Fäuste gezeigt, flache Hände, die gegen die Türen geschlagen wurden. Dabei war ich mir kein Fehler bewusst, außer dem, einfach anwesend zu sein. Aber vielleicht genügte das schon. Ein Hindernis auf Rädern sozusagen. Liebe Griechen, es ist nicht schön, grundlos verflucht zu werden. Nicht, dass das jemals einer von euch lesen wird.

Dann endlich tauchte das Meer vor mir auf. Aus vielen Metern Höhe bekam ich es zu sehen und hatte gar nicht realisiert, dass ich mich so hoch über dem Meeresspiegel befand. Hier wand ich mich wieder einen mächtigen Abhang hinunter, der eigentlich Freude bereitete, wenn ich nicht vergessen hätte, die Werkzeugkiste hinten zu sichern, die nun munter in der Gegend umherrutschte. Als ich endlich am Meer angekommen war, hatte ich auch keine Lust mehr, sie zu befestigen, es musste jetzt auch so gehen. An mehreren interessant klingenden Ausgrabungen fuhr ich vorbei, an den Zyklopenmauern Tiryns zum Beispiel, jenen typischen mykenischen Bauwerken, die wie Puzzlesteine zusammengesetzt sind. Ich hatte das schon einmal beschrieben. Durch Nafplio fuhr ich ebenfalls hindurch, es schien mir eine moderne und interessante Stadt, aber das werde ich morgen genauer erkunden. Bei Drepano fuhr ich einen Campingplatz an, hier holte mich das Wetter endgültig ein. Aber warum auch nicht? Ich schaute auf das Meer, das ich vom Camper aus gut sehen kann. Das ist mit Sicherheit keine Zeitverschwendung, der Regen fiel hart und ausdauernd, aber nach einer Stunde war der Spuk vorbei, sofort zeigte sich die Sonne wieder. So kann man es sich doch gefallen lassen, dachte ich mir.

Ich werde in den nächsten Tagen wählen müssen, denn die gesamte Trümmertour möchte ich nicht machen. Vielleicht Epidauros und Korinth, eventuell noch Mykene, dann ist aber genug. Schließlich wartet Athen noch, auch wenn ich mich dort nicht auf die antiken Bauwerke, die ich allesamt schon kenne, konzentrieren werde. Ich mache es einfach so, wie ich Lust habe. Ist ohnehin besser so.