05.09.

Ich erinnere mich an eine anstrengende Überfahrt am Tag zuvor.
Das Problem, wenn man sich auf Sifnos befindet: Wie komme ich von der Route Piräus – Serifos – Sifnos – Milos wieder herunter?
Es gab damals nur eine nennenswerte Verbindung, mit der „Artemis“ hinüber nach Paros. Und von dort dann dorthin, wo man hin möchte. Wir wollten gar nicht weiter, sondern auf Paros bleiben. Doch die Fahrt von Sifnos nach Paros war eine elend langsame. Stunden verbrachten wir auf dem Seelenverkäufer, der auch noch mehrere Stunden zu spät losfuhr. Wir erreichten Parikia also erst spät abends, mussten von dort nach Naoussa, wo wir ein kleines Studio-Appartement in den Außenbezirken reserviert hatten. Es war nicht leicht zu finden, doch Dank der stets hilfsbereiten Griechen waren wir irgendwann doch angekommen.
Am nächsten Morgen erkundeten wir Naoussa. Immer wieder schön, hier zu sein, obwohl es langsam hipp wird. Die Bars werden zahlreicher und teurer, die Restaurants exklusiver. Und, vor allem, die Insel wird voller. Vor einigen Jahren noch war Anfang September hier Schluss mit der Hauptsaison. Nicht jetzt. In den Straßen stapelten sich die Leute. Bei diesem Aufenthalt wurde mir klar, dass ich langsam Abschied nehmen musste von Paros, um mir eine andere Insel zu suchen. Mit Sifnos hatte ich bereits Ersatz. Und eine andere sollte ich bald finden. Aber dazu später.
Natürlich war es herrlich, wieder hier zu sein. Die Gassen sind zauberhaft, das Meer in Naoussa immer präsent und die Zeit vergeht kykladisch, will heißen: gemächlich.
Wir besuchten den Strand Piperi und auch Agii Anargyri, den wir allerdings nicht so mögen. Malerisch liegt er trotzdem, so dass ich einige Fotos schießen konnte.

06.09.

Und ein Besuch der Inselhauptstadt Parikia.
Ehefrau Nina beeindruckt sie nicht besonders, ich hingegen mag die Geschäftigkeit des größten Ortes auf der Insel. „Geschäftigkeit“ ist vielleicht zu viel der Hektik und trifft die Atmosphäre nicht. Das Tempo der Leute ist auch nicht viel anders, nur herrscht etwas mehr Gewimmel, was darauf zurückzuführen ist, dass Paros neben Naxos eine Art Transport-Hub darstellt, von hier aus also viele Fähren in allerlei Richtungen unterwegs sind.
Auch ist Parikia für einen Kykladenort recht groß, daher schlendert man grundsätzlich etwas länger als anderswo. Langweilig wird es dabei selten. Oder gar nicht.
Faszinierend finde ich immer die antiken Bauteile, die man überall sehen kann, integriert in die Gebäude, die darauf folgten. Hier eine Säule, dort ein Kapitell, manchmal auch ganze Marmorblöcke, aus denen Häuser gebaut sind.
Natürlich mussten Leute sich damals etwas einfallen lassen. Und warum nicht umgestürzte Gotteshäuser versunkener Religionen wiederverwerten? War ja nicht verboten.
Damals zumindest nicht.

08.09.

Strandtag.
Zumindest für Ehefrau Nina.
Ich ging erst einmal mit, zum Piperi Beach, der zwar nicht der Schönste ist, doch immerhin natürlichen Schatten bietet, in Griechenland nicht selbstverständlich.
Nach einer halben Stunde jedoch entschied ich mich dazu, ein bisschen wandern/spazieren zu gehen. Ehefrau Nina blieb liegen,.
Mich hingegen zog es in Richtung Norden. Ich kraxelte um die Felsen herum, vorbei am Sea House, dann weiter auf der Straße in Richtung Kolimbithres.
Es war nicht unbedingt der schönste Spaziergang, doch konnte ich mich nicht erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein.
Letztlich erreichte ich mein Ziel, die Ausgrabungsstätte Koukounaries.
Es ist erhebend, einen solchen Ort erkunden zu können. Menschen wohnten hier schon in der Jungsteinzeit. Höhepunkt der Siedlungsgeschichte stellt wohl die Siedlung aus mykenischer Zeit dar, ca. 12. Jahrhundert vor Christus. Schon deshalb lohnt sich doch ein Besuch.
Ich muss zugeben, es ist schwer zu erkennen.
Einige Mauern sind aufgestapelt, ob sie echt sind, mochte ich nicht beurteilen. Letztlich ist es auch egal. Manchmal zählt der Gedanke, dass Menschen einen Ort so lange bewohnt haben.
Wie so oft bei solchen Orten ist die Aussicht das eigentlich herrlichste. Oben auf dem Hügel konnte ich das Meer bewundern, die Bucht vor Naoussa und natürlich die eigenartigen Felsen von Kolimbithres. Es war ein kleines Abenteuer.
Und ein Einsames, denn niemanden interessieren diese Ruinen. Mir konnte es recht sein.
Es war die letzte echte Aktion auf Paros. Denn Fotos habe ich von den nächsten Tagen nicht. Ich erinnere mich, dass wir meine Schwester und ihren Partner trafen, die ebenfalls für ein paar Tage auf den Kykladen unterwegs waren. Wohl alles kein Zufall, aber egal.

11.09.

Tag des Abschieds.
Ehefrau Nina musste nach Hause. Der Witz ist, dass ihr zwei Wochen immer reichen. Ich hingegen bin nach solch kurzer Zeit vielleicht gerade mal an einem Ort angekommen. Habe mich eingelebt.

Letztlich begann natürlich ein vollkommen neuer Reiseabschnitt.
Von jetzt an übernachtete ich auf Campingplätzen. Und auch die Tagesrhythmen waren andere.
Wir genossen aber noch den Tag zusammen, denn die Fast Ferry ging erst um 15 Uhr. So hatten wir Zeit, uns in Parikia aufzuhalten, noch einen letzten Kaffee zu trinken, bevor Nina dann aufbrechen musste.
Ich hingegen war auf dem Campingplatz Kouala in Parikia untergekommen, etwas heruntergekommen, aber sehr stadtnah.
Immerhin etwas.

12.09.

Tag eins im neuen Reisezeitalter.
Und es war nicht so viel anders, nur ein bisschen aktiver.
An diesem Tag wanderte ich nämlich nur ein bisschen. Und zwar zum äußeren Ende der Bucht vor Parikia, zur Kapelle Agios Fokas.
Eine schöne kleine Wanderung immer am Meer entlang, vorbei an mehreren Stränden, viele davon ziemlich einsam. An diesem Tag merkte ich, dass die Saison nun wirklich langsam dem Ende entgegen geht. Viele Liegen in den Anlagen waren frei, manche davon vollkommen verlassen. Es sollte in den nächsten Wochen noch einsamer werden.

Mein Ziel, die kleine Kapelle, erreichte ich nach einer Stunde Fußweg. Ich hatte einen herrlichen Blick auf den Hafen und die sich dahinter auftürmenden Berge. Außerdem entdeckte ich ein Denkmal mit einer Inschrift. Erst am Abend recherchierte ich, was es damit auf sich hatte. Zu meinem Erstaunen las ich von einem Schiffsunglück, einer Fähre, die hier im Jahr 2000 die Fähre Express Samina verunglückt ist. Ich hatte noch nie von diesem Unfall gehört, aber er war so fürchterlich, dass Dutzende von Menschen ertranken. Eine eigenartige Vorstellung, ist dieser Ort hier doch so friedlich. Auch fand diese Havarie im September statt, nur einige Tage nach diesem Datum, also noch immer im Spätsommer. Nicht etwa im Winter, wenn Stürme nicht selten sind. Einmal mehr also eine Erinnerung daran, dass überall auf der Welt Schreckliches geschehen kann. Zu jeder Zeit.
Nicht, dass ich mich davon beeinflussen lasse. Man kann nicht mit Angst durchs Leben gehen. Dumm muss man aber auch nicht sein.
Die kleine Wanderung hingegen habe ich an diesem Tag genossen. Nicht zu viel und nicht zu wenig.

13.09.

Ich frage mich manchmal, warum wir uns auf Paros so wenig bewegen.
Bei der Durchsicht der Fotos von diesem Tag aber wurde es mir klar: Die Orte auf dieser herrlichen Kykladen-Insel unterscheiden sich inzwischen kaum noch. Mit Schwester Franziska und Soon-to-be-Schwager Endri machte ich einen Ausflug nach Aliki am südlichen Ende der Insel. Es war mal ein schläfriges Fischerdorf, das ich in den 90ern auch mal besucht hatte. Jetzt aber ist es ein Touristen-Ressort wie jedes andere auch. Charmant? Sicher. Aber nicht unbedingt einzigartig.
Man kann mal hinfahren.
Muss es aber nicht.
Leider habe ich von unserer Weiterfahrt keine Bilder mehr, wir waren noch in Drios, ein netter winziger Ort mit schmalem Strand.
Aber, wie gesagt, keine Fotos davon.
Leider.

14.09.

Es war das Jahr der Katzen.
Ein paar Monate zuvor hatten wir unsere erste Katze Daisy adoptiert, kurz nach dieser Reise spendierten wir ihr eine Gefährtin, Lilly.
Da sowohl Ehefrau Nina und ich das Thema spannend fanden, freundete ich mich in fast jedem Ort mit diesen geheimnisvollen Kreaturen an, die Griechenland zu Tausenden bevölkern.
Auf dem Campingplatz in Parikia war es ein „Ginger“, ein Kater mit rotem Fell und buschigem Schwanz. Ein prachtvolles Exemplar, stolz und elegant. Und freundlich, was nicht immer der Fall ist. Nero und seine Kumpanen fütterte ich. Doch nur er blieb, als das Futter alle war, und leistete mir abends Gesellschaft, bevor es für ihn ins Nachtleben ging.
Das Problem bei solchen Ereignissen: Irgendwann muss man abreisen und die Katze zurücklassen. Und so etwas empfinde ich als ungemein schwer. Ich weiß zwar, dass man diese an die Freiheit gewöhnten Tiere nicht zu Wohnungskatzen machen kann, trotzdem ist der Wunsch, sie alle mitzunehmen zu wollen, riesengroß.
An Nero erinnere ich mich gut. Auf Sifnos war es übrigens Cuddles, den wir sogar ein Jahr später bei Makis auf dem Campingplatz wiedertreffen sollten. Aus dem neugierigen Kitten war ein selbstbewusster Kater geworden.

Aber nun zu diesem Tag.
Ich wanderte von Parikia nach Lefkes.
Vom Meer in die Berge.
Vorbei an den antiken Marmorminen.
Erst einmal aber musste ich den Wanderweg finden. Es war nicht gerade einfach. An der wichtigsten Stelle fehlten nämlich die Wegweiser, so dass ich mich durch Gestrüpp nach oben kämpfen musste. Irgendwann aber fand ich den Weg wieder. Und erreichte eine Art Plateau. Es war eine Landschaft, die ich so nicht erwartet hatte. Beinahe lieblich in der sonst so ruppigen Umgebung.
Vorbei ging es an verdorrten Feldern, bevor ich weiter aufsteigen musste. Hier war der Weg gut zu finden. Auch eine alte byzantinische Brücke erreichte ich, das vertrocknete Flussbett darunter wäre allerdings auch so gut zu durchqueren gewesen. Ob hier wirklich mal Wasser fließt?
Eine halbe Stunde später kam ich in Lefkes an. Viele Fotos habe ich nicht von diesem Bergdorf. Ich war schon öfters hier. Einen besonderen Eindruck hat es auf mich nie gemacht. In den 90ern bin ich mal den byzantinischen Weg dort in Richtung Westküste gewandert. Er endete damals im Nirgendwo. Irgendwann werde ich ihn mal wieder wandern. Warum auch nicht?
An diesem Tag aber reichte mir Lefkes. Einen Kaffee trank ich noch, bevor ich den Bus in Richtung Parikia nahm und in Minuten wieder dort war, wo ich Stunden vorher aufgebrochen war.
So ist das manchmal.