Fahrt nach Aegiali, Amorgos

21.09.

Ich hatte es schon einmal geschrieben: Es war das Jahr, in dem ich fast überall Katzen „adoptierte“. Nein, ich habe sie nicht mit nach Hause genommen, aber ich habe mich fast überall mit einer angefreundet. Hier, auf dem Maragas Camping, war es Phylisis, eine stolze Katzendame, die mir oft Gesellschaft leistete.
Es war am Ende wirklich schwer, mich von ihr zu trennen. Zu einzigartig sind diese Wesen, zu viel Charakter haben sie. Jede ist vollkommen anders. Und bei jeder kann man unendlich viel über Kommunikation lernen.
Phylisis jedenfalls musste ich zurücklassen. Als ich an diesem Tag das Zelt abbaute, wich sie nicht von meiner Seite. Am Ende dann, als ich abfahrtbereit war, schaute sie mich aus ihrem Versteck im Unterholz an.
Es war schon ziemlich herzzerreißend.
So als ob sie das alles schon hundert mal erlebt hatte. Stimmt sicher auch.
Letztlich aber arrangieren sich Katzen immer.

Mit dem Bus fuhr ich schließlich nach Naxos Stadt, wo ich die Express Skopelitis betrat. Es war später Nachmittag, die Fahrt nach Aegiali würde Stunden dauern. Die Skopelitis fährt die sog. Kleinen Kykladen an, also Inseln, die von den großen Fähren gemieden werden. Aus diesem Grund wird sie subventioniert, weil sich das Anfahren eigentlich nicht lohnt. Ein Ticket kostet daher nur fünf oder acht Euro, soweit ich mich erinnere.
Jedenfalls hielten wir bei der angenehmen Überfahrt bei allen kleinen Inseln an. Iraklia, Schinoussa, Danoussa, bevor wir endlich spät abends in Aegiali auf Amorgos ankamen.
Es war nur ein kurzer Weg zum Campingplatz, der fast leer war.
So schön. Und fast am Meer.
Ich aber unternahm nicht mehr viel, war vollkommen erledigt. Überfahrten sind immer anstrengend. Auch wenn man nur herumsitzt.

22.09.

Ankommen.
Das war das heutige Ziel.
Der Ort? Praktisch Neuland für mich. Vor einigen Jahren war ich schon einmal da gewesen, aber nur einige Stunden. Damals fand ich ihn nicht so interessant, aber das sollte sich ändern.
Langsames Ankommen, so würde ich es an diesem Tag beschreiben.
Die Überfahrt vom Vortag hatte ich noch in den Knochen. Im Dunkeln hatte ich mein Billig-Zelt von Decathlon aufgebaut. Eine schnelle Angelegenheit. Das Schöne ist: Auf griechischen Campingplätzen gibt es fast immer Stühle und Tische für die Camper. Und das zahlreich. Ein ungewohnter Luxus.
Diesen Tag also nutzte ich, um die Umgebung auszukundschaften. Der Strand von Aegiali ist ausgesprochen angenehm. Nicht zu groß, aber auch nicht klein. Mit natürlichem Schatten, so wie ich es brauche. Die kleine Stadt ist überschaubar, es gibt einige Tavernen und sogar eine Art Ausgeh-Viertel, will heißen: einige Bars am anderen Ende des Ortes.
Schön ist auch, dass sich Aegiali an einen Berg schmiegt. Hier folgte ich dem Pfad nach oben, hatte bald wundervolle Aussichten auf den Strand und das kleine Dorf, auch auf die anderen Orte in der Nähe, Tholaria und das alte Aegiali in den Bergen. Der Ort um den Hafen herum ist sicher neu, die Leute früher wohnten aufgrund der Bedrohung durch Piraten nie am Meer selbst.
Immer weiter stieg ich nach oben, bis ich keine Lust mehr hatte.
Auch war es ausgesprochen windig, ein Umstand, der sich während meines gesamten Aufenthalts hier nicht ändern sollte. Fast schon scharf zeckte der Meltemi auf der Haut, auch wenn es nie kalt wurde. Es zehrte trotzdem ganz schön.
Den Nachmittag verbrachte ich dann bei einem Frappé in einem Café.
Sehr schön.
Ich war angekommen.

24.09.

Nach einem Tag Pause nahm ich mir heute eine Wanderung vor.
Kurz hinter dem Campingplatz führt ein Wanderweg nach Tholaria. Er beginnt allerdings eigentlich am Strand, also nahm ich einen kleinen Umweg, fotografierte dabei noch einige Ruinen am Meer, keine Ahnung, was das mal gewesen ist. Dann begann der Aufstieg.
Vorbei ging es an Kapellen und Olivenbäumen, immer einem alten Eselspfad entlang, gut ausgeschildert. Ich stieg höher, bis ich ich Tholaria erreicht hatte. Der Ort hielt mich nicht lange auf, ich schoss einige Fotos, dann lief ich weiter.
Einen Bogen schlagend führte mich der Weg am Hang entlang. Ich erinnere mich gut an den Duft von wilden Kräutern, besonders Salbei und Thymian. Ich sammelte einige Blätter, die ich noch auf dem Campingplatz trocknete und Ehefrau Nina mitbrachte. Sehr angenehm.
Der ständige Wind erfrischte mich, es war auch nicht sehr anstrengend. Mein Blick fiel auf eine verlassene Siedlung im Tal. Meine Neugier war geweckt, ich würde sie an einem anderen Tag erkunden.
Als es Zeit war für eine Rast, erreichte ich die kleine Kirche Agios Nikitas. Ich war erstaunt, dass ich eine kleine Katzenkolonie antraf. Ziemlich kräftig wirkende Geschöpfe, fordernd, doch schüchtern und eigenwillig. Ich hatte damals, wie immer in Griechenland, eine pralle Tüte Trockenfutter dabei. Die war am Ende meines Lunches fast leer. Die Tiere taten so, als ob sie kein Futter bekämen. Sie sahen allerdings nicht so aus. Es war eine nette Pause. Ich war wirklich gut unterhalten.
Als ich fertig war – und die Katzen auch – wanderte ich weiter in Richtung des alten Aegiali. Der Ort macht wirklich einen antiken Eindruck, mit schlängelnden Gassen und krummen Häusern. Hier genehmigte ich mir noch einen Kaffee, was nicht leicht war, denn die meisten Cafés waren schon geschlossen. Die Saison ging wirklich dem Ende entgegen.
Auf einem alten Eselspfad fand ich dann den Weg zurück zum Hafen, wo ich den Sonnenuntergang erlebte. Der schon um kurz nach 17 Uhr begann. Es wird so schnell dunkel um diese Jahreszeit.
Das ist eigenartig.

25.09.

Ein ruhiger Tag.
Manchmal reicht es, sich nur einige Meter zu bewegen, um den Tag trotzdem sinnvoll zu füllen. Daher entschied ich mich dazu, einfach den nördlichen Teil der Bucht von Aegiali in Richtung Westen zu erkunden. Keine lange Wanderung, aber ich war neugierig, wohin mich der Weg führen würde.
Als Erstes erreichte ich, nach dem Überqueren eines Felsens, den Levrossos Beach. Ein wirklich herrliches Flecken Erde. Der Strand ist feinsandig und es gibt natürlichen Schatten in Form von Bäumen. Das Beste aber: ein Café, das so spektakulär liegt, dass ich gleich eine Stunde pausierte. Ein griechischer Kaffee, direkt über dem Strand, auf Balken, in der Ferne die Berge und der kleine Hafenort.

Ich glaube, dass es Nächte gibt, in denen ich mich dorthin träume.
Aber ich riss mich irgendwann los und setzte meinen Weg fort. Ein Trampelpfad führte mich zum nächsten Strand, Psili Ammos.
Er war noch einsamer, lag allerdings ungeschützt am Meer. Also weiter.
Schließlich landete ich am Hochlaka Beach, der vollkommen vereinsamt vor mir lag. Von hier führte der Pfad nicht weiter, ich hatte also das Ende meines Weges am heutigen Tag erreicht.
An diesem Strand hatte es offensichtlich einen wilden Campingplatz gegeben. Eingestürzte Zelte und die Reste von Lebensmitteln lagen herum. Ist es eigentlich zu viel verlangt, seinen Müll mitzunehmen?
Egal.
Der Ort war mir aus irgendeinem Grund unheimlich. Ich sah mich noch ein bisschen um, machte ein paar Fotos, dann entschied ich mich dazu umzukehren. Den Rest des Tages verbrachte ich am Levrossos Beach und im Café.
Wirklich einzigartig.

27.09.

Und wieder wandern.
Dieses Mal lief ich direkt vom Hafen nach Aegiali, auf dem altbekannten Eselspfad. Es war ein herrlicher Tag, sonnig, ein bisschen windig, genau richtig also für eine kleine Tour.
In Aegiali hielt ich mich nicht lange auf, sondern suchte nach einem Weg zum Geisterdorf, das ich vor einigen Tagen auf der Wanderung von Tholaria nach Aegiali gesehen, aber nicht besucht hatte. Eine breite Treppe führte mich dorthin.
Der Witz war: Vielleicht hatte es sich einmal um ein verlassenes Dorf gehandelt. Jetzt aber gab es bereits Häuser, die frisch renoviert schienen. Zwischen Ruinen sozusagen.Vielleicht Sommersitze von Romantikern? Ich sah keinen Menschen. Trotzdem war es ein bisschen abenteuerlich, die Ruinen zu erkunden. Die unebenen Wege führten mich letztlich aber wieder auf den Wanderweg, auf den ich wollte.
Bald erreichte ich die Kirche Agios Nikitas, die ich schon vor zwei Tagen besucht hatte. Ich war wegen der Katzenkolonie da. Freudig wurde ich begrüßt. Also eigentlich nicht ich, sondern das Futter, das ich mitgebracht hatte. Hier verbrachte ich einige Zeit, bevor ich mich losriss.

Ich setzte meine Wanderung fort. Eine sanfte Steigung brachte mich immer höher in Richtung Norden. Eine Ziegenherde kreuzte den Weg. Nicht mehr ganz so scheue Tiere, die sich offensichtlich an Wanderer gewöhnt hatten. Die urige karge Landschaft um mich herum bewunderte ich. Stachelige Heidebüsche zerkratzten meine Beine, aber das gehört wohl bei jeder Wanderung auf den Kykladen dazu.
Schließlich kam ich an meinem heutigen Ziel an: der Kirche Agios Ioannes Theologhos.
Ein prachtvoller flacher Bau, schief gebeugt, Dutzende Male geweißt, mit dicken Steinmauern und unebenem Putz. Ein typisches Ziel einer kykladischen Wanderung.
Hier blieb ich, machte eine Reihe von Fotos. Ganz so einsam, wie es aussieht, war es nicht, eine alte Dame putzte liebevoll die Kirche.
Von hier hätte ich noch weiterwandern können, doch für mich reichte es an diesem Tag. Ich wollte es damals nicht übertreiben.
Heute, da ich es veröffentliche, finde ich es fast schade, dass ich nicht doch zur Kirche Stavros hoch in den Bergen weitergelaufen bin. Die Aussicht auf die Insel muss fantastisch sein. Ich werde es eines Tages nachholen.
Versprochen.

28.09.

Und raus aus dem Dunstkreis.
Irgendwie verbinden sich die Teile der Insel Amorgos nicht besonders gut. Ich war in Aegiali. Doch an diesem Tag musste ich einmal heraus aus dem nördlichen Teil der Insel. Dabei hatte ich einen guten Grund: kein Bargeld mehr. Und der einzige Automat in Aegiali war defekt. Also nahm ich kurzerhand spontan den Bus nach Chora um 10 Uhr 30. Der nächste und letzte würde erst wieder nachmittags fahren.
Die Hauptstadt liegt ca. 15 Kilometer entfernt. Ein kurzer Bustrip. Trotzdem ohne Auto kaum zu erreichen. Leider fahren die Busse sehr selten um diese Jahreszeit.

In Chora angelangt, suchte ich den EC-Automaten. Keine Schwierigkeiten. Dann erkundete ich die Stadt. So einsam war sie mir noch nie erschienen. Ich traf nicht einen Touristen. Cafés waren selten auf, die Stadt wirkte fast verlassen. Für mich aber war es die Gelegenheit, einige Fotos zu schießen. Der Tag war warm, aber sehr windig, fast stürmisch. Und ich stand da mit meinem dünnen T-Shirt. Trotzdem war es nicht kalt, nur etwas unangenehm. Meine sehr dünne Strickjacke jedenfalls lag im Zelt. Mein Ausflug hierher war wirklich sehr spontan gewesen.
Ich lief jedenfalls zu den Windmühlen im Osten der Stadt. Herrliche Aussichten auf Amorgos.
Auf die bekannteste Attraktion der Insel, das Kloster Panagia Hozoviotissa, verspürte ich jedoch keine Lust. Ich war schon zweimal dort gewesen. Stattdessen wollte ich weiter nach Katapola.
Den Weg kannte ich bereits, ein Trampelpfad führte mich die Berge hinunter. Viel zu schnell war ich angekommen.
Hier fragte ich mich, was ich hier eigentlich wollte. Aber letztlich war es egal, wo ich mich aufhielt. Jetzt, da ich schon einmal da war, konnte ich einfach den Tag hier genießen. Ich wanderte durch die Gassen, am Meer entlang, suchte die kleinen Strände auf, ruhte mich aus. Schließlich verbrachte ich eine Stunde oder zwei in einem Café, immer wieder angenehm, bevor ich nochmals eine Runde drehte.
Um 16 Uhr dann ging der letzte Bus zurück nach Aegiali.
Dort kaufte ich dann übrigens das Fährticket, denn meine Zeit auf Amorgos neigte sich dem Ende entgegen.
Kaum zu glauben.
Dabei schien sie doch gerade erst angefangen zu haben.