Epanomi

Vier Nächte habe ich hier ausgehalten, an einem Ort, bei dem es mir am Ende so vorkam, als wollte der nahe gelegene Olymp ihn einfach so ins Meer zurückschieben, so abgelegen ist er. Die Zeit dort empfinde ich als eine Art Vakuum, nicht wirklich real, vielleicht bin ich dort nicht gealtert, sondern alles ist stehen geblieben. Ich werde es wohl nie erfahren.
Noch in der Nacht begann der Regen, der es geschafft hat, die Welt um mich herum gehörig abzukühlen. Mit ihm endete der Sommer, der Herbst beginnt, der zwar auch schön warm und sonnig werden wird, doch ist es eben nur der Herbst. Oder besser, es ist Herbst, denn er gehört nach dem Frühling zu meinen bevorzugten Jahreszeiten, auch wenn er mit Melancholie und Traurigkeit behaftet ist. Es war heute Morgen so dunkel, dass ich beinahe gar nicht merkte, dass die Nacht vorbei war. Ich schaffte es dennoch, mich vor acht aus dem Bett zu wälzen, immerhin ein kleiner Erfolg. Es ging danach alles recht schnell, vom Platzbetreiber bekam ich einen heißen Tipp, was die Maut anging. Die Griechen kennen die Kassierstellen, fahren kurz vorher von der Autobahn und fahren danach wieder rauf. Ich kann mich daran erinnern, vor vier Tagen, Fahrzeuge, die von der Autobahn abfuhren und mich dann später, nachdem ich viele Euros los war, trotzdem wieder überholten. Das funktionierte heute sehr gut. Das bedeutet aber auch, dass die griechische Maut eine Touristensteuer ist, denn die Einheimischen wissen, wie sie sie umgehen können. Das System ist eben nicht wasserdicht. Trotzdem freute ich mich darüber, eine nicht besonders tief gehende Freude, für die ich später bestraft wurde.

Ich fuhr in Richtung Thessaloniki. Dabei hatte ich mir vorgenommen, an einem interessanten Ort zu halten, so ich ihn denn sehen würde. Es kam aber keiner. Eine verheißungsvolle Stadt hieß Alexandria, aber diese erfüllte nicht, was der Name versprach. Ein moderner, recht hässlicher Ort. Mittlerweile war ich schon seit zwei Stunden unterwegs, hatte gerade 100 Kilometer geschafft. Es ging eigentlich. Thessaloniki lag direkt vor mir, ich überlegte sogar, anzuhalten und erst später zum Campingplatz zu fahren. Warum ich nicht hielt, lag in der Tatsache begründet, dass die Stadt es schafft, mich wirklich zu beeindrucken. Ich fuhr auf dem Autobahnring außen herum und sie streckte sich vor mir, schmiegte sich an die Küste, Häusermeere sozusagen. Hatte ich damit gerechnet, es mit einer Kleinstadt zutun zu haben, wurde ich eines Besseren beleert. Thessaloniki hat – laut Aussage der Rezeptionistin – ca. 2 Millionen Einwohner. Das ist nicht ohne und auch nicht im Vorübergehen zu besichtigen. Als ich das merkte, entschied ich, doch erst zum Platz zu fahren, um vielleicht später den Bus zu nehmen. Es wurde nichts daraus. Denn in dem Gewirr hinter der Stadt fand ich erst den einen Platz nicht. Als ich ihn dann fand, stellte ich fest, dass er sicher schon lange geschlossen ist, denn die Natur hat ihn schon fast zurückerobert. Also fuhr ich weiter, bis zum Städtchen Epanomi, das ich nur mit Mühe fand. Nun begann der Albtraum. Das Navi zeigte mir an, dass es nur wenige Kilometer bis zum Platz waren. Doch die Straße zeigte es mir nicht. Und irgendwie schaffte ich es immer wieder, in die entgegen gesetzte Richtung zu fahren. Mehrmals wendete ich, fuhr wieder durch die engen Gassen, nur um wieder auf der eindeutig falschen Straße zu landen. Die Uhr tickte dabei, die Kilometer ebenfalls. Am Ende fragte ich einfach einen Griechen, der mir eine winzige Straße zeigte, unscheinbar und leicht zu übersehen. An die hielt ich mich, wenige Meter später kam das erste Hinweisschild, sicher hatte ich einige übersehen, und nach 200 Kilometern und mehr als fünf Stunden Fahrt kam ich am späten Nachmittag an. Ich verschwendete nicht einmal einen Gedanken daran, die Stadt heute noch zu besuchen. Nach etwas Ruhe begann ich mit der Arbeit, es wird eine lange Angelegenheit, diese Korrektur. Aber es ging schon besser als gestern, auch wenn ich merke, dass meine Konzentration nach einer Stunde so sehr nachlässt, dass ich aufhören muss. Vielleicht mache ich mehrere Sessions, eine morgens, eine abends, sonst werde ich damit nie fertig. Mal sehen.

Wieder übrigens bin ich direkt am Strand, hier gibt es allerdings nur einige Tavernen. Dafür ist das Feld offener, ich fühle mich nicht so eingeklemmt zwischen Bergen und Meer. Die Sonne scheint auch wieder, wenn auch lange nicht so heiß wie vor einigen Wochen. Mir ist es recht, meine Energie reicht dann länger.
Ansonsten werde ich mindestens morgen, wenn nicht sogar übermorgen auch mit Sightseeing verbringen. Danach aber muss ich mich auf die Arbeit konzentrieren, wenigstens einige Tage lang. Chalkidike scheint mir dazu gut geeignet. Mal sehen, ob sich das bewahrheitet.
Auf jeden Fall strengt mich die Schriftstellerei zur Zeit ziemlich an, ich merke es an der Müdigkeit. Allerdings ist es kein Ausgelaugtsein, sondern eher die Erschöpfung, die ich erlange, wenn ich etwas tue, das mich tief befriedigt. Es ist der richtige Weg. Mag kommen, was wolle.