31.08. Letzter Flug nach Mykonos

Es war eine einfache Angelegenheit, so dachten wir. Um 6 Uhr morgens ging der letzte Flug in diesem Jahr, direkt von Berlin nach Mykonos, also ein Katzensprung auf die Kykladen, ohne Umweg über Athen und Piräus. Mal davon abgesehen, dass Easyjet erst unser Gepäck nach Mallorca schicken wollte (wohl falsch ausgeschildert), doch schließlich hielten wir glücklich unsere Habseligkeiten in der kleinen Halle am Flughafen auf Mykonos in der Hand.
Woran ich mich noch immer lebhaft erinnere, war das Rennen zur Fähre.
Wir wollten nicht auf Mykonos bleiben, das wir beide im Jahr zuvor besucht hatten und das uns, Dank der Kreuzfahrtschiffe, zu lebhaft und auch zu preisintensiv war. Wir hatten zwei Möglichkeiten, Fähren nach Paros zu nehmen. Einerseits eine teure Fast Ferry um 16 Uhr, andererseits eine spottbillige Blue Star um vor 12 Uhr.
Das Problem: Es war bereits zehn nach elf, als wir das Flughafengebäude auf Mykonos verlassen hatten. Busse zum Hafen gab es nicht. Taxen waren alle bereits fort. Unser Gepäck war leider erst sehr spät auf dem Laufband erschienen.
Nach und nach trudelten Taxen ein, die die Schlange vor dem Taxistand nur langsam auflösten.
Das war ein verrückter ambivalenter Zustand: Auf der einen Seite hatten wir es extrem eilig, auf der anderen keine Möglichkeit, irgendetwas zu beschleunigen. Unruhe und Ruhe zur gleichen Zeit.
Schließlich waren wir an der Reihe. Wir hatten Minuten Zeit bis zum Ablegen der Fähre. Der Fahrer war ein Schlawiner, denn er nutzte die Gunst der Stunde. 20 Euro nahm er für die vier Kilometer und die wenigen Minuten, die diese Fahrt dauerte. Für Diskussionen hatten wir keine Zeit.
Tatsächlich lag die Fähre noch am Kai. Die Verkäuferin im Tickethaus 100 Meter entfernt bewegte sich unglaublich schnell. Sie buchte und kassierte fast gleichzeitig.
Schon wirbelten die Schiffsmotoren das Wasser auf, die Matrosen machten sich daran, die dicken Seile abzuziehen, als wir schließlich an Bord der Blue Star hechteten.
Dabei waren wir nicht die letzten, noch immer kamen Taxen an, die Leute wurden nun auch ohne Ticket an Bord genommen. Offensichtlich konnte man auch hier bezahlen. Wussten wir nicht.
Oben auf dem Deck dann atmeten wir endlich auf. Es war eine ungewöhnliche Hetze, die wir aus diesem Teil der Welt nicht kannten.
Jetzt aber waren wir da. Zwar noch nicht auf dem letztendlichen Ziel, sondern auf dem Weg dahin. Aber das war gut genug.

Wir erreichten Paros innerhalb kürzester Zeit, ich glaube ungefähr eine Stunde waren wir auf der Blue Star unterwegs. Mit der Fast Ferry wären wir 15 Minuten schneller gewesen, die wäre aber erst vier Stunden später gefahren.
Ich liebe es, besonders auf Paros einzufahren. Der Hafen kommt erst spät in Sicht, wenn man schon eine Weile an der Insel vorbeifährt. Mein Blick schweift immer zum Kloster hoch oben über Parikia, die gleichzeitig Inselhauptstadt ist. Ich komme in unregelmäßigen Abständen seit 1994 hierher.

Die erste Nacht verbrachten wir in Parikia selbst, bevor wir die restliche Zeit, gut eine Woche, nach Naoussa übersiedeln würden. Hat sich irgendwie so ergeben, ich glaube, die Ferienwohnung im kleinen Fischerdorf im Norden war noch nicht frei.
Mir machte das nichts, ich mag Parikia gerne. Es ist größer, es gibt mehr zu beobachten. Aber letztlich überhaupt kein Vergleich mit dem lieblichen Naoussa.

02.09. Kolimbithres

Am 01.09. habe ich keine Fotos gemacht. Ich erinnere mich, dass wir am Morgen in aller Ruhe ein Bus von Parikia nach Naoussa nahmen und dann einige Zeit in dem Gewirr des Fischerdorfes umhergeirrt sind, bevor wir unsere Unterkunft gefunden hatten.
Sie war nett, nichts außergewöhnliches, aber etwas außerhalb des oft ziemlich beschallten Zentrums. Der Blick aber auf das Dorf und das Meer war beachtlich. Mal sehen, ob ich noch Fotos finde.

Da ein Tageshighlight auf den Kykladen für uns oft in einem Bummel in Naoussa und einem Besuch eines Cafés besteht, haben wir das sicher am 01.09. auch so gemacht.

Am 02.09. waren wir abenteuerlustig und haben ein Fischerboot zum Strand von Kolimbithres genommen. Mir gefiel es dort, besonders die bizarrem Felsformationen. Es gibt dort auch eine schöne Taverne.
Mehr ist gar nicht zu erzählen. Es ist Urlaubszeit. Und die haben wir offensichtlich genossen.

03.09. Naoussa

Ich liebe es, morgens früh aufzustehen, um Brot zu holen.
Dabei nehme ich oft die Kamera mit. Ein Ort wie Naoussa, der auch um diese Jahreszeit noch immer ziemlich gut besucht ist, scheint dann vollkommen still. Es ist angenehm, denn die Temperaturen in den Nächten unterscheiden sich kaum von den Tagestemperaturen, meist knapp unter 20 Grad.
Der perfekte Zeitpunkt also, um die Stimmung in dem fast leeren Fischerdorf einzufangen. Die Touristen schlafen alle noch, die Fischer hingegen nicht. Die sortieren ihren Fang, hängen die Octopusse zum Trocknen auf.
Es ist schön, durch die leeren Gassen zu schlendern. Man sieht so viel, das sonst gar nicht auffällt.

04.09. Parikia

Nach einem sehr ruhigen Kykladen-Morgen nahmen wir gegen Mittag den Bus nach Parikia. Ich liebe es, durch die kleine Stadt zu schlendern, die im Gegensatz zu Naoussa beinahe eine kleine „Metropole“ ist. Zumindest für kykladische Verhältnisse. Hier kann man sich im Gewirr der Gassen verlieren. Ich finde es auch angenehm, ein bisschen zu shoppen. So ganz andere Dinge als in Berlin. Badelatschen aussuchen. Ich meine, mal ehrlich, so etwas ist doch sonst komplette Zeitverschwendung. Hier aber gehört es dazu. Havaianas oder Quicksilver? Es ist zu heiß, um eine Entscheidung zu treffen.
Der Takt des Lebens ist vollkommen anders. Die Geschwindigkeit senkt sich mit dem ersten Betreten einer Kykladen-Insel. Alles kann, nichts muss. Gar nichts. Es ist in Ordnung, stundenlang im Café zu sitzen. Niemand wird sich daran stören.
Vielleicht fahre ich deshalb so gerne her, weil ich mich sonst so gerne hetze. Hier geht das nicht. Einfach per Definition vier Gänge nach unten schalten.
Und die Seele baumeln lassen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir danach noch eine Stunde am Strand waren. Aber da mache ich gewöhnlich keine Fotos.

Monastiri

05.09. Strand von Monastiri

Auch an diesem Morgen ging ich auf Foto-Tour. Trotz der Tatsache, dass Naoussa relativ klein ist, entdeckte ich immer wieder neue Motive. Und auch bekannte. Langweilig war mir nie, es ist ein himmlisch-stiller Ort voll von mysteriöser Stimmungen, besonders ganz früh.
Auch die Fischer waren wieder da, fleißig wie immer.

Als Ehefrau Nina endlich wach und aufbruchbereit war, entschieden wir, an einen anderen Strand zu fahren, wieder mit einem kleinen Boot. Monastiri liegt gegenüber von Naoussa, vielleicht 20 Minuten mit der kleinen Nuckelpinne. Es ist ein schöner Strand, an dem man Sonnenschirm und Liegen mieten kann.
Ich aber mochte nicht sehr lange liegen, also lief ich los. Nur eine kurze Wanderung zum Leuchtturm auf der anderen Seite der Hügelkette. Ich erinnere mich, dass es sehr heiß war. Und dass ich schlechtes Schuhwerk dabei hatte, wahrscheinlich nur Flip-Flops. Oder Trekkingsandalen? Ich weiß es nicht mehr, beides aber wäre unpassend gewesen, denn die Wege sind steinig. Und manchmal ziemlich rutschig.
Trotzdem war es kurzweilig und brachte mir schöne Fotos von der Gegend.
Irgendwann gegen späten Nachmittag fuhren wir dann zurück nach Naoussa und besuchten noch ein Café, das wir immer frequentieren, wenn wir hier sind. Stamm-Café? Ja, eines von ungefähr einem halben Dutzend.
Und am Abend gingen wir dann essen. Ebenfalls in ein Restaurant, das wir immer aufsuchen, wenn wir hier sind. Neben einigen anderen.

06.09. Naoussa

Wieder ein Tag ohne großen Aktionsradius.
Den Morgen nutzte ich wieder für Fotos. Erstaunlich. Immer wieder sah ich etwas Neues.
Ansonsten gingen wir einmal zu einem anderen Strand. Meist sind wir am Piperi Beach, ein Stück einfacher Strand, der nicht bewirtet wird, aber den Vorteil hat, dass es natürlichen Schatten gibt. Wir sind dort immer zufrieden, es gibt auch ein Café/Restaurant, so dass man sich kaum rühren muss.
An diesem Tag liefen wir zum Agioi Anargyroi Beach beim Kalypso Hotel. Es gefiel uns nicht besonders gut. Also gingen wir wieder zum anderen. Und das war es im Grunde schon.
Ist doch schön, oder?
Kein Stress.
Erholung pur.

07.09. Naoussa

Endlich habe ich mal den Piperi Beach abgelichtet. Die Fotos sind nicht besonders gut geworden, aber der Eindruck zählt.
Ansonsten verging auch dieser Tag ohne große Höhepunkte. Strand, Café, Duschen, Ausruhen, Essengehen.

08.09. Lefkes

Im Inland, 250 Meter hoch in den Bergen, liegt das malerische Dorf Lefkes. Ehefrau Nina mochte es nicht so gerne, ich finde es hingegen mindestens interessant. Von Parikia aus gibt es einen Wanderweg, den ich auch schon mal gelaufen bin. An diesem Tag aber nahmen wir von Naoussa aus den Bus.
Wir empfanden Lefkes als recht verschlafen. Also genau so, wie man sich ein kykladisches Dorf vorstellt. Weiß getünchte Häuser in verbrannter Umgebung, nette Tavernen, ein oder zwei Cafés.
Von hier aus beginnt übrigens ein alter byzantinischer Weg nach Prodomos, ein Wanderpfad, der teilweise mit Marmor gepflastert ist und schon seit Jahrhunderten benutzt wird. Wir sind nur ein kleines Stück gelaufen.

09.09. Naoussa

Der letzte gemeinsame Tag.
Wir verbrachten ihn ruhig, so wie so viele andere auch schon. Ein bisschen Strand, Lunch, später ein Kaffee in unserem Lieblingscafé.
Das Dorf wurde langsam ruhiger, die Touristen reisten ab. Morgen auch Ehefrau Nina, während ich noch ein paar Wochen ranhing.
Es ist ein Übergang von der Zweisamkeit in das Alleinsein.
Vom Urlaub zum Reisen.
Es wurde anders. Aber diesen Tag genossen wir noch einmal in altbewährter Art.

10.09. Parikia/Ermoupolis, Syros

Der Tag des Abschieds.
Ich kann mich gut daran erinnern, auch Jahre später noch. Zumindest an die Stimmung in mir.
Ehefrau Ninas Fähre nach Piräus ging recht früh, ich glaube, so gegen zehn Uhr. Wir nahmen rechtzeitig den Bus, tranken dann zusammen am Hafen noch einen Kaffee.
Die Fähre war pünktlich, im hektischen Treiben war Nina schnell verschwunden.
Ich beobachtete die Fähre noch lange. Erst kurvte sie eine Weile in der Bucht vor Parikia umher, dann erreichte sie die Felsen vor dem offenen Meer. Ich stieg derweil etwas höher in der Stadt auf, konnte die Fähre auch danach noch sehen. Bald darauf war sie verschwunden.
Ich erinnere mich gut an das ambivalente Gefühl: Auf der einen Seite stand der Abschied und das Bewusstsein, dass die gemeinsame Zeit nun beendet war. Auf der anderen Seite aber auch das Neue, Unbekannte. Die Freiheit, Dinge auch mal anders machen zu können, ohne Rücksicht. Ich finde nicht, dass es ein Widerspruch ist. Beides hat schöne Seiten. Und auf die muss ich mich konzentrieren.
An diesem Tag aber wandelte ich nochmals auf ausgetretenen Pfaden. Ich schlenderte durch die Gassen von Parikia, sah mir die aus Tempelstücken zusammengesetzte Festung an, dann die einmalige Kirche Panagia Ekatontapyliani, die Kirche der Hundert Pforten. Die ältesten Teile dieses Baus stammen aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. Auf den Kykladen ist es ein herausragendes Gebäude, das sich an der Hagia Sophia in Istanbul orientiert. Natürlich ist es kleiner.
Irgendwann gegen Mittag fuhr ich gefangen in dieser merkwürdigen Stimmung zurück nach Naoussa. Auch hier spazierte ich die leeren Gassen entlang. Touristen waren kaum noch zu entdecken, es ist generell eine grandiose Zeit, hier zu reisen (wenige Jahre später muss ich sagen, dass sich alles weiter nach hinten verschiebt. Noch Mitte September ist es im Allgemeinen ziemlich voll. Danach wird es besser).
Ich fotografierte auch wesentlich mehr, was in der Natur der Sache liegt. Wenn ich allein reise, ist das selbstverständlich. Ich lief sogar zum venezianischen Fort und machte Fotos, lichtete auch den Hafen nochmals ab.
Dann war der Zeitpunkt des Abschieds gekommen. Ich holte meine Sachen aus der Unterkunft und fuhr zurück nach Parikia, wo mich meine Fähre nach Syros am späten Nachmittag erwartete.
Erst gegen Abend kam ich in Ermoupolis an. Mehr als ein Spaziergang durch die beachtlich große Stadt unternahm ich allerdings nicht.
Es war der Beginn einer großartigen Zeit.