Platamonas
Ein Tag der anderen Sorte, herzerfrischend und neu. Ich weiß auch nicht warum, aber allein die Tatsache, dass Sonntag war, entspannte mich, auch wenn es eine sehr arbeitsintensive Zeit war, die sehr aufschlussreich verlief.
Ohne große Eile stand ich auf, las ein wenig in meinem Roman von Nedim Gürsel, der mich beinahe perfekt auf Istanbul vorbereitet und in den ich mich eine ganze Weile lang habe hineinlesen müssen, bevor ich mich auf die wundervolle Welt dieses Schriftstellers einlassen konnte. Zwar spielt der Roman zwischen den beiden Welten Venedig – Istanbul, von denen ich eine leider schon hinter mir habe, aber ich sage lieber, dass ich die andere noch vor mir habe. Nach Venedig komme ich sowieso immer noch einmal, das ist einfach eine Tatsache.
Ich habe hier Glück, alles ist da, Strom und Internet, um genau zu sein. Das ermöglichte mir heute einige Recherchen. Ich machte mich auf die Reise, um meine eigene Sprache neu zu entdecken. Ich weiß, dass ich zwar mit der Rechtschreibung nicht auf Kriegsfuß stehe, jedoch alles andere als sattelfest bin. Es wird Zeit, das zu ändern, denn fehlerfreies Schreiben ist Grundvoraussetzung für Erfolg. Ein winziger Fehler auf der ersten Seite und der Text wird abgelehnt. Es ist sozusagen der erste Eindruck, der keinen Fehler enthalten darf. Ich halte das zwar für engstirnig, aber so ist die kleinkarierte Welt nun mal. Da ich nicht bereit bin, Hunderte von Euro für eine einfache Korrektur zu zahlen, muss ich es jetzt wirklich lernen, meine Texte weitestgehend von Fehlern zu befreien. Eine Welt übrigens, die mich heute einige Male sehr erstaunt hat.
Dank Online-Tests versuchte ich mich an einigen Grammatikübungen. Es stellte sich heraus, dass ich vieles richtig mache, doch bei Weitem nicht alles. Getrennt oder zusammen, groß oder klein, das sind immer wieder die gleichen Fragen. Heute habe ich mich damit auseinandergesetzt und muss feststellen, dass es eine Unmenge an winzigen Regeln und Ausnahmen gibt. Die werde ich alle lernen, habe ich mir vorgenommen. Allerdings stehe ich dieser Aktion auch etwas skeptisch gegenüber, denn mal ehrlich, wer entscheidet denn so etwas? Vieles kommt mir unnötig und kompliziert vor, auch wenn es jetzt mehr Kann-Regeln gibt, die ich sehr befürworte. Am Ende ist es aber egal, denn ob ich nun zustimme oder nicht, wird die Allgemeinheit und meine Leser nicht interessieren, Fehlerfreiheit heißt daher die Devise.
Der Roman liegt nun definitiv in den letzten Zügen. Dabei habe ich festgestellt, dass meine Gedanken bereits um die Fortsetzung kreisen. Eigentlich müsste ich weiterschreiben, denn den Schwung möchte ich eigentlich nicht verlieren, aber dieser Roman ist in sich selbst noch zu unschlüssig. Am liebsten würde ich einen Mittelweg finden, Überarbeitung und Weiterschreiben in einem, dabei weiß ich aber nicht, wie ich das mit der Reise in Einklang bringen soll, denn die würde leiden. Erstmal werde ich einige Tage hier verbringen, mal sehen, wie weit ich komme. Heute stand noch ganz im Zeichen des Schlusses, der sich nun wirklich abzeichnet. Dabei habe ich beinahe unbemerkt die 100.000-Wort-Marke überschritten. Das ist für mich ein Grund zu feiern, denn auch wenn noch viel zu tun bleibt, ist es ein echter Meilenstein.
Trotz der Tatsache, dass mein Aktionsradius heute nur wenige Meter betrug, die weiteste Strecke war die zum Strand für eine Schreibsession, habe ich dennoch viel erlebt. Natürlich fehlt mir noch die Routine und ich muss gestehen auch Möglichkeit, mir selbst einen gehörigen Kick zu geben, um die Überarbeitung zu beginnen. Doch das werde ich in den nächsten Tagen schon fertigbringen. Und nebenbei an meinen orthografischen und grammatikalischen Fähigkeiten arbeiten, denn nichts ist so wirksam wie die beständige Wiederholung und Weiterentwicklung. Das ist wie bei Vokabeln, irgendwann sind sie so oft gebraucht, dass sie im Wortschatz stecken, so tief drin, dass sie sprudeln wie ein Wasserfall und man nicht mehr nachdenken muss. So etwas dauert und ich habe 40 Jahre versäumt. Zeit wird es also, denn wer weiß, was sich noch für Möglichkeiten damit auftun. Und dass ich es in kurzer Zeit zur Meisterschaft bringen kann, das weiß ich. Denn nichts ist unmöglich, wenn man am Ball bleibt.
Der Ort selbst, Platamonas, scheint absolut geeignet für das Arbeiten zu sein. Leider befindet sich auf dem Platz auch ein bayrischer Rentner, der mir ein wenig die Ruhe raubt. Nicht weil ich es schlimm finde, wenn jemand zum Reden stehen bleibt. Es sind die Dinge, die er sagt. Er spricht von Hitler wie von einem Heiligen, von verkommener Moral in Deutschland, weil Homosexuelle Kinder großziehen dürfen, und weiteren Quatsch. Früher hätte ich gelächelt und genickt, aber damit ist es vorbei. Schluss mit der Höflichkeit vor dem Alter, wenn jemand einen solchen Quatsch erzählt, gehört ihm widersprochen. Das tat ich mit Vehemenz… und schockte den alten Knaben wohl so sehr, dass ich ab jetzt meine Ruhe haben werde. Aber mal ganz ehrlich, wann klärt sich dieses Problem der Alt-Nazis eigentlich endlich biologisch? Zeit wäre es.