Valencia

Ich habe das Gefühl als wäre diese Reise zu einer Art Halt gekommen. Zwar bin ich heute Morgen weiter gefahren, Valencia ist nur wenige Kilometer entfernt, doch ist etwas geschehen, dass ich nicht beschreiben kann. Wahrscheinlich ist es die Tatsache, dass ich noch nicht entscheiden habe, wie ich weiter vorgehen möchte. Mein gestriger Gedanke, nach Madrid zu fahren, scheint mir heute abwegig. Barcelona ist nur noch 400 Kilometer entfernt, stellt gleichzeitig fast schon das Ende meiner spanischen Reise dar. Ich habe mein Tempo dennoch sichtlich verlangsamt, bereits den zweiten Tag in Folge weiß ich nur wenig zu berichten, denn im Grunde habe ich nicht viel getan außer 180 Kilometer weiter zu fahren und danach am Strand spazieren zu gehen. Aus irgendeinem Grund fehlte mir die Energie, in die Stadt zu fahren, ich habe es nicht erlaubt, mich von ihren Reizen anziehen zu lassen. Das kenne ich eigentlich nicht von mir, solche Schwächen erlaube ich mir im Allgemeinen nicht. Wenn ich mich nicht besser kennen würde, würde ich sagen, es handelt sich um eine winzige Depression, von der ich nicht weiß, woher sie kommt, denn, auch wenn ich mich frei fühlen müsste, schaffe ich es im Moment nicht, Freude zu empfinden. Vielleicht ist es eine gewisse Reisemüdigkeit, auch eine Überreizung halte ich für möglich, doch im Grunde habe ich schon seit vielen Tagen nicht mehr viel unternommen. Selbst Städte wie Murcia nur mehr als halbherzig besichtigt. So empfinde ich es zumindest in diesem Augenblick. Morgen ist ein neuer Tag, ich habe mir viel vorgenommen. Morgens schreiben, dann Besichtigen, wieder schreiben, wieder besichtigen, das Journal schreiben. Es ist ein nahezu irrwitziger Plan, der schon an das Ausquetschen meiner Hirnzellen grenzt, doch vielleicht schaffe ich es so, diese kleine Schwächephase zu überwinden: Arbeit und Vergnügen zu vereinen. Im Grunde ist das schon seit Jahren mein Ziel, noch nie habe ich es wirklich geschafft. Zwar konnte ich eine gewisse Disziplin entwickeln, nach der ich einiges vorzuweisen habe, doch bin ich noch weit von diesem Zustand entfernt, nur noch das zu tun, was ich möchte und damit meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Sozusagen aufzuhören mit Malochen und anfangen mit dem Spaß, der kreativ ist und Dinge erschafft. Schöne Dinge, die auch andere mögen. Ich weiß, das klingt alles noch unausgewogen, doch das ist doch der Sinn einer Existenz. Mit ganzem Herzen etwas zu machen, das man selbst als wichtig erachtet.

Ich habe Menschen nie verstanden, die es anders tun, die nur einer Arbeit nachgehen, um Geld zu verdienen, meinetwegen auch viel Geld. So etwas halte ich für Zeitverschwendung, weil man etwas tut, was man eigentlich nicht tun will, Vollendung in etwas suchen, das einem nicht wichtig ist. Was dabei herauskommt, habe ich leider viel zu oft gesehen, nämlich innere Unzufriedenheit, Unruhe, auch Festklammern an Bereiche, nur um die eigene „Wichtigkeit“ zu verteidigen, anstatt sich neuen Aufgaben zu stellen. Doch das ist Mythos, denn ich habe noch keine Antwort auf das dringende Problem, wie man herausfindet, ob man auf dem richtigen Weg ist oder nicht. Vielleicht gibt es einen Grund, warum ich es gerade heute schreibe, vielleicht ist mein Innehalten auf dieser Fahrt darin zu suchen, dass ich etwas falsch mache, das ich zwar spüre, aber mir selbst nicht eingestehen möchte. Ich werde jedenfalls erst einmal weitermachen mit meinem Experiment, viel schreiben, viel erleben und hoffe, dass die Freude wiederkommt.
Ich komme mir gerade sehr jämmerlich vor, nach dem Luxus, mir diese Reise zu gönnen, bin ich immer noch nicht zufrieden. Aber das liegt in meiner Natur, erst wenn es perfekt ist, erst, wenn ich das Glück selbst gefunden habe, werde ich sicher ein zufriedener Mensch sein. Bis das der Fall ist, werde ich weiter suchen und überall, wo ich kann, das Glücklichsein finden, und es dann hoffentlich sehen. Denn eigentlich ist es überall, man muss es nur entdecken.

Heute wird nicht mehr geschehen, vielleicht noch ein kurzer Gang zum Meer, doch es ist abgekühlt und sieht das erste Mal seit Tagen wieder nach Regen aus. Jedenfalls vermisse ich die Sonne, die mich jetzt regelmäßiger begleitet hat. Sie versteckt sich wieder. Eigentlich schade.