Rückflug nach Berlin

Die Nacht war schlimm. Ich schlief kaum, vermisste den Camper schon jetzt. Wie es aussieht, werde ich nie wieder in ihm schlafen, nie wieder dort kochen, nie wieder arbeiten. Das erste Mal bekam ich damit ein echtes Problem. Gegen halb sieben entschied ich mich, den Versuch des Schlafens sein zu lassen. Auch das Frühstück konnte mich nicht wirklich erfreuen, einzig die intensive Sonne, die sich anschickte, gerade aufzugehen, tröstete mich ein wenig.

Schon um halb acht machte ich mich auf den Weg zur Werkstatt. An den Gedanken, ein Taxi zu nehmen, konnte ich mich nicht gewöhnen, also lief ich den Weg, immer mit meinem Rollkoffer hinten dran. Drei Kilometer, nicht die schönste Strecke. In jedem Fall fand ich die Werkstatt recht schnell, die sich natürlich im hintersten Winkel eines nicht gerade ansehnlichen Gewerbegebietes versteckte.

Dort stand sie. Ich erkannte ihr blaues Dach schon von Weitem. Die offene Motorhaube schien zu weinen und auch mir steckte ein schwerer Klos im Hals. Hier würde ich sie zurücklassen. Schlimmer noch war der Moment, als ich eintrat. Es war kalt, das Bett ungemacht, unordentlich, ganz so, als wäre ich gerade aufgestanden. Bloß nicht nachdenken, alles packen, was mir einfiel. Papiere, Trüffel für Nina, mein Laguiole-Korkenzieher. Dann Klamotten. Die meisten sind auf der Fahrt schlichtweg vergangen, so dass ich nur die nötigsten in den Koffer schmiss. Der war schon nach kurzer Zeit voll. Hatte ich noch die Hoffnung gehegt, die Tajine mit einzupacken, wurde diese schon im Ansatz zerstört. Etwas Sperriges würde niemals mehr hineinpassen. Die meisten Souvenirs mussten somit zurückbleiben. Als ich mit diesem unglückseligen Packen einigermaßen fertig war, räumte ich noch ein wenig auf. Wenigstens das Bett machte ich, schmiss einige verderbliche Lebensmittel weg. Zum Glück erinnerte ich mich an ein Stück Putenbrust, das wohl den Camper von allein bewegen würde, wenn ich noch ein paar Tage gewartet hätte.

Es war sehr schwierig, das alles hinter mir zu lassen. Für die Zehn-Minuten-Analyse zahlte ich 90 Euro. Happig. Nicht nur wegen der schlechten Nachrichten. Um ganz ehrlich zu sein, ich werde den Camper nach Caputh schleppen lassen. Vielleicht fällt Nico etwas ein. Mein kreativer Mechaniker hat bislang immer eine Lösung gefunden. Und vielleicht ist es auch nicht so schlimm, wie man denkt, denn gegen die Diagnose des italienischen Mechanikers spricht einiges. Er sagt, dass sich das Kühlwasser mit dem Öl vermischt hat, dadurch sei der Motor überhitzt. Vielleicht. Der Ölstand jedoch ist haargenau so wie vor dem Geschehnis. Ich möchte mir nicht zu viele Hoffnungen machen, jedoch ist eine zweite Meinung, vor allem von meinem Mechaniker des Vertrauens, immer wichtig. Und da der ADAC das Auto ohnehin nach Berlin schleppen lässt, verliere ich nichts dabei.

Der Abschied war am Ende dennoch emotional. Ich riss mich zusammen. Wenigstens hatte der Mechaniker den Anstand, die Motorhaube zu schließen. Es war wie das Zudrücken der Augen eines Toten. Ein letzter Respektsbeweis.
Dann war ich wieder auf der Straße, am Ende meines Weges angekommen, zumindest beinahe. Hatte ich heute Morgen noch beinahe bereut, einen Flug gewählt zu haben, war ich jetzt dennoch froh darüber. Eine Bahnfahrt war mir eigentlich angebrachter erschienen. Die langsame Gewöhnung daran, dass die Reise zu Ende ist. Doch letztlich machen ein paar Stunden auch nichts mehr. Was vielleicht am Schwersten wiegt, ist die Tatsache, dass ich meine Schwester nun nicht sehen werde. Brutal sind wir durch die Umstände getrennt worden. Vielleicht lasse ich mir etwas einfallen.
Trotz des Schocks freute sich Nina natürlich, dass ich nun einige Wochen eher wieder nach Berlin komme.

Im Grunde habe ich Glück. Glück, dass es jetzt erst geschehen ist. Am Ende, wirklich nur wenige Wochen vor meiner Rückkehr. Ich habe den gesamten europäischen Mittelmeerraum gesehen, war in Afrika und Asien. Mein Gejammer könnte undankbar klingen, aber das ist nur die erste Reaktion, das Loslassen des Istzustandes. Wie würde der Engländer sagen? „It was a hell of a ride“. Und tief in meinem Herzen bin ich wie noch nie befriedigt. Öfter als einmal bin ich an meine Grenzen gelangt, konnte diese verschieben. Vor allem bin ich gelassener. Ich habe einen Traum gelebt, habe ihn verwirklicht und in diesen zehn Monaten mehr gesehen, als manch anderer in seinem ganzen Leben. Das halte ich mir immer vor Augen.
Und jetzt, da ich am Flughafen sitze, weiß ich, dass ein Abschnitt zu Ende geht. Doch ein Ende birgt immer auch einen Anfang. Und wenn ich ganz tief in mich hinein horche, dann freue ich mich auch darauf. Es war Zeit dafür. Und zwar angezeigt durch einen Knall. Vielleicht war der Knall nicht der, den ich mir gewünscht habe, wer sieht schon gerne den Motor seines Autos in Rauch aufgehen, aber so ist es nun einmal. Das Schicksal spült mich jetzt zurück nach Berlin. In die Wohnung, in der ich aufgewachsen bin. Allein das ist schon Grund zum Feiern.

Dieses Journal werde ich noch etwas weiterführen, auch um zu dokumentieren, wie es mir nach der Fahrt ergeht. Es bleibt sicher noch einige Zeit spannend. Und wie sagt man im Sport so schön?
Nach der Reise ist vor der Reise.
Irgendwann in der Zukunft sehen wir uns in Syrien, Jordanien und Ägypten wieder. Wenn alles gut läuft.