Fahrt zurück nach Domme

Ich wusste, dass ich einen anstrengenden Tag vor mir hatte. Laut Googe Maps lagen 43 Km vor mir, dazu mehr als 500 Höhenmeter, die mir ganz besonders schwer fallen. Aber so wollte ich nicht denken. Vom Cricket habe ich gelernt, dass man Projekte oder wie jetzt, Reisestrecken, einfach in Abschnitte aufteilt. Sonst läuft man Gefahr, vollkommen von der Aufgabe überwältigt zu werden. So mache ich es übrigens auch beim Schreiben. Mit Vorgaben, wann ich wo sein möchte, fällt es mir leichter, einen Roman zu vollenden. Aber zurück zum Thema. Heute also war Wendetag. Ab heute geht es wieder zurück. Schon recht früh war ich auf den Beinen, ließ mir aber Zeit. Warum auch nicht? Ich würde vier, vielleicht fünf Stunden unterwegs sein, da spielt es kaum eine Rolle, ob ich um acht oder neun losfahren würde. Letztlich fuhr ich um halb zehn. So kann man sich täuschen. Sobald ich Wifi habe, verspäte ich mich, weil ich dies und das nachschauen muss. Alles Unsinn, aber so ist es.

Der erste Teil der Strecke war mir bekannt. Recht gemächlich radelte ich nach St. Sozy, das ich ja nun kannte. Dort bog ich ab in Richtung Souillac. Es gibt merere Strecken dorthin, aber über Lacave wollte ich nicht fahren. Das kannte ich schon. Von St. Sozy aus begann der Aufstieg, also schob ich. Ich schob lange, sicher drei Kilometer weit. Ich stelle fest, dass ich jeglichen Stolz abgelegt habe. Ich schaffe es nicht zu fahren, also mache ich es so, dass ich es anders schaffe. Es war nicht so, dass ich nicht vorankam. Nur eben langsamer. Ich denke, dass ich trotzdem an die fünf Kilometer in der Stunde zustande bringe, beinahe also Wandertempo. Allerdings merkte ich die gestrige Wanderung in den Beinen. Gestern hatte ich noch angegeben. Nun aber stellte ich fest, dass ich mich doch besser ausgeruht hätte. Aber es war so ein schöner Tag, den wollte ich nicht mit solchen Überlegungen entwürdigen.
Irgendwann hatte ich jedenfalls den Scheitelpunkt erreicht, eine kurze Strecke radelte ich wirklich, bis ich an die Kreuzung Souillac – Martel kam. Von hier aus ging es abwärts. Ich muss gestehen, dass es mir manchmal Angst und Bange wird, wenn ich wie auf einen Abgrund zurase. Auch traue ich den Bremsen des absoluten Billig-Fahrrades wenig. Also sorge ich dafür, möglichst wenig Fahrt aufzunehmen, kein einfaches Unterfangen an steilen Stellen.

Lange Rede, ich gelangte zügig nach Souillac. Die bekannte Stadt reizte mich wenig. Im Hinterkopf sagte ich mir, dass ich immer wieder unterbrechen könnte, hier absteigen. Aber mir ist Souillac nicht besonders gut in Erinnerung. Also ließ ich es schnell hinter mir. Außerdem war ich erst seit gut einer Stunde unterwegs. Wie sieht das denn aus, wenn ich jetzt schon pausieren würde?

Der nächste Abschnitt stellte Carlux dar, nochmals 15 Km entfernt. Oder auch nur 10, die Schilder widersprachen sich oft. Mir war es egal, ohne größere Steigungen legte ich die Strecke zurück. Carlux erreichte ich nicht, das liegt etwas höher und befindet sich genau genommen nicht auf der Strecke. Die Flussstraße, wie ich sie nennen möchte, verließ ich deswegen nicht.

Hinter Carlux machte ich Pause. Es ist das erste Mal, dass ich eine Etappe unterbreche. Ich hatte es mir aber vorgenommen. Ich stellte fest, dass ich nach diesen 20 Minuten sehr schwer wieder in Gang kam. Meine Beine taten mir weh, die Muskeln schienen hart und unbeweglich. Vielleicht also keine so gute Idee mit der Pause.

Es wurde jetzt tatsächlich anstrengend. Nicht dass die Strecke schwierig war, meine Verfassung schien einfach nicht die beste. Kein Wunder also, dass ich mich irgendwie verfuhr. Jedenfalls stand ich irgendwann auf einer Brücke über die Dordogne. Ich wusste aber, dass die einzige Brücke, die ich überqueren musste, diejenige in Domme war, mein heutiges Ziel. Also wieder zurück. Irgendwie hatte ich panische Angst davor, zu weit zu fahren und in Sarlat herauszukommen. Diese Gefahr bestand aber nicht. Seit Carlux fuhr ich übrigens auf einem Radweg. Sehr angenehm. Kurz hatte ich wieder den Eindruck, falsch zu sein, fand dann aber den richtigen Weg. Jetzt mühte ich mich mächtig ab, um voranzukommen. Bald bog ich ab in Richtung Montfort. Auf diesem Weg drohte mir eine Steigung den letzten Atem zu nehmen. Ich erreichte den Boucle de Monfort schiebender Weise, dort hielt ich an. Es ist immer wieder fantastisch, dass eine anstrengende Tour mich doch immer irgendwie belohnt. Die Aussicht auf das Schloss und auf das Tal ist einmalig von hier aus. Ganz großartig.
Ich wusste nun, dass es nur noch wenige Kilometer waren. Vielleicht fiel es mir deshalb so schwer. Selbst die geringsten Steigungen waren nun schon zu viel. Fast ohne es wahrzunehmen fuhr ich durch Montfort. Ich meine, mich zu erinnern, dass ein gewisser Simon de Montfort nicht unschuldig daran war, die Katharer ausgerottet zu haben. Ich kann mich irren. Sein Schloss ist jedenfalls sehenswert, zumindest aus der Ferne.
Ich erreichte bald Gefilde, die ich kannte. Die Straße zwischen Domme und Sarlat. Es waren noch wenige Kilometer. Wieder musste ich schieben. Andere Radfahrer verspotteten mich. Mir war es egal. Grimmig packte ich den Lenker und trottete voran.

Endlich gelangte ich auf dem Campingplatz in Domme an. Der war noch immer nicht auf. Erst am 15.6. Morgen. Ich überlegte nicht lange. Sicher, ich hätte auf den schönen Platz bei La Roc fahren können. Aber da bin ich auf dieser Reise schon fünf Tage lang untergekommen. Also fuhr ich ein Stück zurück Richtung Sarlat. Dort checkte ich um 14 Uhr ein. 15 Euro die Nacht. Sehr teuer für ein winziges Zelt und mich, zumal ein dicker Caravan mit zwei Personen eben soviel kostet. Nun hat es mich also einmal erwischt. Normalweise recherchiere ich besser, um solche ungünstigen „forfeits“ zu vermeiden.

Aber ich konnte nicht mehr.

Zu guter Letzt saß ich im TV-Zimmer, schrieb und schaute nebenbei das Eröffnungsspiel der WM. Es war langweilig, auch wenn fünf Tore fielen.
Die WM ist mir generell nicht mehr so wichtig. Leider ist sie wie alles heutzutage hochpolitisch. Die Begeisterung geht bei mir dabei vollkommen verloren. Sei es drum.

Morgen macht der andere Campingplatz auf. Ich fahr einfach wieder vorbei, das dritte Mal. Vielleicht ist er dann auf. Sicher bin ich nicht.

 

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