Berlin

Entgegen aller Vorsätze und Ankündigungen habe ich einige Tage nicht geschrieben. Ich würde gerne sagen, dass ich viel zu tun hatte, was auch stimmt und deshalb zeitlich nicht in der Lage war. Das stimmt nicht. Als ich endlich einmal aufatmete, nachdem ich mich körperlich ziemlich angestrengt hatte, kamen die Eindrücke der Reise wieder. Anders als während der Fahrt, als ich jede Sekunde nur als solche erlebte, befinde ich mich jetzt meist in der Vergangenheit. Dann kamen die Depressionen, die mir jeden verbliebenen Rest Energie nahmen und noch immer nehmen. Ich versuche zurzeit, von Tag zu Tag zu leben, um wieder so gut es geht hineinzupassen.
Auch für Nina ist es schwierig, schwieriger sicher, als sie gedacht hätte. Wir haben uns beide, also nicht nur ich, an ein selbstständiges Leben ohne einander gewöhnt. Der Effekt ist, dass wir nebeneinander existieren, wobei die riesige Wohnung ihres dazu tut, um das zu begünstigen. Von einer Art Alltag sind wir meilenweit entfernt.

Gestern sah ich das erste Mal seit Italien die Sonne wieder. Auch dieses Grau, das als Markenzeichen für Berlin stehen könnte, hilft zurzeit nicht. Trotzdem, die hellen Strahlen taten gut. Auch heute, am Morgen des achten Tages nach meiner Rückkehr, habe ich Hoffnungen, dass es schönes Wetter werden wird. Es hilft ein wenig, mit der Traurigkeit umzugehen.
Am Samstag und Sonntag waren wir bei meinem Bruder eingeladen. Ich erinnere mich daran, am Tisch gesessen und mir alltägliche Kleinigkeiten angehört zu haben. Ich selbst allerdings war unfähig, diese Unterhaltung an mich zu reißen, was nach einem Erlebnis wie diesem eigentlich völlig normal gewesen wäre. Als gegen Ende des Abends meine Schwägerin versuchte, mir einige Geheimnisse zu entlocken, saß ich da, wie zu Stein erstarrt, unfähig darüber zu reden.

Vielleicht ist auch das der Grund, dass ich viele Menschen und Freunde noch nicht kontaktiert habe. Ich möchte es nicht. Wie kann ich die Erlebnisse von zehn Monaten in wenigen Minuten zusammenfassen? Natürlich, wäre ich ein publikumswirksamer Mensch müsste ich mir die Standardphrasen zurechtlegen. Aber wozu? Es ist doch viel schöner, sich nach und nach zu erinnern, dann zu erzählen, wenn es in die Unterhaltung passt.

Auf der anderen Seite scheint diese Reise andere Menschen zu erdrücken. Allein die Tatsache, dass ich so etwas überhaupt gemacht habe, scheint ihnen nicht greifbar. Wäre es anders, hätten sie es nicht nötig gehabt, so nervös die Unterhaltung an sich zu ziehen, sondern mir überlassen.
Vielleicht ist es gut so.
Auf jeden Fall war das rührige Wochenende im Alltag derjenigen, die ich damals zurückgelassen habe, zu viel. Ich merke, wenig Berührungspunkte zu haben. Auch das ist eine Erkenntnis, die ich nicht so ohne Weiteres erwartet hatte.
Wir werden sehen, was sonst noch kommt. Mein Plan ist jedenfalls, in dieser Wohnung so schnell wie möglich eine Spur an Ordnung zu schaffen, damit ich in eine Arbeitsroutine übergehen kann, die mir immer guttut. Auch muss ich mich langsam wieder an den Gedanken gewöhnen, etwas Geld zu verdienen. Eigentlich habe ich im Laufe des Jahres einige Ideen aufgeschrieben, die ich nun hervorholen kann. Ganz sicher möchte ich mich noch ein halbes Jahr als Schriftsteller versuchen. Danach werden wir sehen.