Fahrt nach Troja

Ein typischer Fahrtag. Ich hatte kaum damit gerechnet, doch letztlich war ich den ganzen Tag unterwegs. Schon früh brach ich auf, vor neun. Der Rhythmus, den ich in den vergangenen Tagen entwickelt habe, tut mir gut, früh Aufstehen, arbeiten, dann Reisen, später wieder arbeiten. Alles im Rahmen des ständigen Pendelns nach Istanbul. So macht es wirklich Spaß und ich habe das Gefühl, effizient zu sein. Und am Ende der Fahrt wird etwas stehen, einige Werke, die ich während der Reise erstellt habe. So kann auch niemand behaupten, dass es ein Jahr Urlaub war, was ich immer wieder von einigen Seiten höre.

Heute allerdings blieb für das Schreiben wenig Zeit. Mehr als 350 Kilometer fuhr ich, immer auf der Landstraße entlang. Die Strecke kannte ich schon, denn im Grunde fuhr ich wieder in Richtung Griechenland. Selten habe ich so viele Mausefallen gesehen. Einmal wurde ich sogar angehalten. Als der Polizist sah, dass es sich bei der alten Kiste um ein deutsches Fahrzeug handelte, winkte er mich freundlich weiter. Der Fahrer des türkischen Transporters vor mir hatte nicht so viel Glück. Er hatte mich vorher bei Überholverbot passiert, in einem ziemlich waghalsigen Manöver, das hier aber üblich ist.
In Galipoli suchte ich nach dem im Rough Guide erwähnten Campingplatz. Den fand ich nicht, auch gefiel mir die Stadt nicht, so dass ich mich entschloss weiterzufahren. Ich hatte den Eindruck, dass es in diesem Teil des Landes stürmischer ist als anderswo. Der Wind ist das Element, das ich am wenigsten leiden kann. So war es letztlich nicht verwunderlich, dass ich meinen Weg so lange fortsetzte, bis ich nicht mehr weiter konnte. Sprich ich hatte den Fährhafen erreicht. 25 Lira und ich durfte sofort aufs Schiff fahren. Vor mir stand ein Heidelberger, eigentlich Mannheimer, einer, den man im heutigen Deutschland als „Deutschen mit Migrationshintergrund“ bezeichnen würde. Er schwäbelte beachtlich, ein Prima-Kerl, der mich sofort seiner türkischen Freundin und Nichte vorstellte. Wenn ich mir die derzeitige traurige Sarazin-Debatte vorstelle, kann ich immer wieder mit dem Kopf schütteln. Wahrscheinlich wissen die meisten nicht, wovon sie reden. Ich erlebe es hier täglich.

Die Überfahrt dauerte nicht lange, denn die Meerenge hier ist ungefähr 1300 Meter breit, auch wenn wir einem Tanker aus Richtung Istanbul ausweichen mussten. Dann hatte ich es geschafft. Diesmal empfand ich mehr bei dem Gedanken, auf asiatischem Boden zu stehen, vielleicht, weil ich diesmal endgültig übergesetzt hatte. Auch war eine natürliche Grenze überschritten, die mich vorher anscheinend mehr beschäftigt hatte, als mir bewusst war. Hier stand ich also, in Canakkale, einem tristen Soldatenort und grinste über beide Ohren. Dass ich hier nicht bleiben wollte, war allerdings auch klar. Also fuhr ich dorthin, wo es mich auf natürliche Weise hinzog: Troja. Und da bin ich, nur wenige Hundert Meter von der antiken Stadt entfernt, in der die Heldensagen schlechthin ihren Ursprung genommen haben. Nachdem ich Mykene gesehen habe, der Ort, an dem die Archaier gelebt haben, sehe ich nun die Stadt ihrer Gegner, der Trojaner, die mir immer schon sympathischer waren. Das geht allerdings auf die Einflussnahme meiner Mutter zurück, deren Kindheitsidol Hektor war. Girlie Crash. So allerdings bin ich seit frühster Kindheit beeinflusst. Macht nichts, der Konflikt fand vor 3200 Jahren statt. Da darf ich mir erlauben, parteiisch zu sein.

Hier, auf dem Campingplatz, befolgte ich den Rat des englischen Paares, dass ich vor zwei Tagen getroffen habe. Beim Preis immer fragen: Is this the best you can do? Ich bekam auf Anhieb einen Nachlass von 30 auf 20 Lira. Ich war einverstanden, hätte sicher noch weiter herunterhandeln können. Das nächste Mal. Ganz orientalisch eben.
Morgen werde ich wieder in mein Schema verfallen und die verlorene Arbeit von heute aufholen. Und natürlich die Ausgrabungsstätte besuchen.