Man, war das kalt heute Nacht.
Meine leichte Pyjama-Hose hält vielleicht im Süden warm, nicht aber hier. Irgendwann am frühen Morgen entschied ich mich dann für das Unmögliche: Ich zog meine Wanderhose an. Und Socken. Ich hasse es. So etwas Unbequemes. Kein Wunder, dass ich danach kaum ein Auge zutun konnte. Leichter Schlaf, noch dazu viel zu lange. Als ich es dann doch irgendwann aus dem Bett schaffte, um das Zelt zu verlassen, sah ich meinen Atem, der in dicken Dampfschwaden gen Himmel stieg. Leute, es ist Ende Mai. Nicht Februar.
Zuviel ist zuviel.
Ich habe verstanden, dass ich investieren muss. Eigentlich der perfekte Tag dazu. Samstag, mein dritter Tag hier, in einem eventlosen Ort, also relativ gesehen. Zumindest blieb nicht mehr viel, zu tun. Warum also den Tag nicht für Besorgungen nutzen? Ich überlegte auch, mir einen neuen Kocher zuzulegen. Meiner scheint nur noch lauwarm zu brennen.
Also nahm ich den Bus vor dem Campingplatz, der mich in ein Gewerbegebiet brachte, samt Hypermarché und – vor allem – Décathlon. Der Sport-Discounter. Der Lidl der körperlichen Bewegung. Der in Deutschland nur langsam Einzug hält (Anmerkung vier Jahre später: Das ist jetzt anders). Dafür aber extrem erfolgreich. Sicher nichts für Leute, die auf Expeditionen gehen wollen. Aber wer will das schon? Schreibe ich hier und kaufe bei Globetrotter, dem Mercedes der Outdoor-Ausrüster. Zumindest das Meiste. Heute aber reichte auch Décathlon. Warme Sachen können die auch. Ohne mein Reisebudget zu stark zu belasten, das dieser Tage aus unerfindlichen Gründen dahinschmilzt wie Eis im Hochsommer (in Sizilien, in Berlin würde es vielleicht gar nicht schmelzen). Eine solche Besorgungsfahrt ist immer eine Angelegenheit eines halben Tages. Denn als der Bus mich abgesetzt hatte, musste ich noch anderthalb Kilometer laufen, immer an einer stark frequentierten Straße entlang. Nicht sehr angenehm, aber nicht zu ändern.

Was ich bei Décathlon mag, ist die Tatsache, dass es Waren für jeden Geldbeutel gibt. Vielleicht nicht die absolute Oberklasse, zumindest aber auch Mittelklasseware, die für mich im Moment völlig ausreicht. Auch dient mir ein solcher Laden immer dafür, mich ausgiebig umzusehen. Seile, Karabiner, Segeltuch, was auch immer. Oft habe ich Ideen, die ich bei diversen kleinen Projekten zu Hause umsetzen kann. Ob beim Nähen oder Bauen. So verbrachte ich eine glückliche Stunde, begrabbelte alles, was ich in die Finger bekam, sah mir Nähte an oder zog an Stoff, um zu sehen, wie dehnbar er ist. Dabei vergaß ich fast, weshalb ich hergekommen war. Als es mir wieder einfiel, fand ich schnell, was ich suchte. Eine Art Fleece-Unterwäsche wird allen anstehenden kalten Nächten den Garaus machen. Eine günstige Angelegenheit noch dazu. Einen passenden Kocher hingegen fand ich nicht.

Auch am Hypermarché kam ich nicht vorbei. Diese Erfindungen der Konsumindustrie sind allerdings viel zu groß für mich. Ich brauche vielleicht fünf oder sechs Artikel. Millionen werden angeboten. So etwas ist doch ein Ding der Unmöglichkeit. Viel zu viel Zeit ging bei der Suche verloren.
Letztlich schaffte ich es nach 30 Minuten, diesen Hypermarché zu verlassen, dank des Selbst-Check-Outs, das die meist enormen Wartezeiten an französischen Kassen drastisch verkürzt.

Weg zum Forte du Cabellou

Und doch war es bereits halb drei, als ich endlich wieder am Zeltplatz war. Es sollte noch beinahe bis zum Abend dauern, bis ich mich wieder auf den Weg machte. Ganz ehrlich, vom vielen Laufen der letzten Tage teilen mir meine Beine langsam mit, dass eine Pause angemessen wäre. Also nahm ich mir gegen Abend einen Spaziergang vor. Daraus wurde dann doch noch eine kleine Wanderung. Ich hatte eigentlich nur vor, den GR34 in die andere Richtung zu laufen. Dabei fand ich keine Grenze, sondern lief, bis ich das Fort du Cabellou erreicht hatte, eine Art natürliches Ziel. Wieder also war ich einige Kilometer gelaufen. Dadurch musste ich meine Schreibsession einen Tag verschieben, denn wegen meiner Faulenzerei und unnützen Einkaufstour fand ich dazu kaum noch Energie. Also holte ich das heute, einen Tag später, für zwei Tage nach. Völlig egal, denn es regnete in Strömen. Aber dazu erst morgen.

Die Zeit fliegt förmlich dahin. Ich würde sie gerne festhalten, noch mehr aus ihr machen. Aber so ist das wahrscheinlich ab einem gewissen Alter. Alles geht etwas langsamer und doch schneller vorbei. Irgendwann kommt der Augenblick, da ich verstehen werde, dass jetzt andere, jüngere, dran sind, etwas auf die Beine zu stellen. Vielleicht ist der Zeitpunkt sogar schon gekommen. Es würde aber auch heißen, dass ich aufhören müsste. Alles Quatsch also. Dinge haben ja noch nicht einmal richtig angefangen. Wieso sollten sie also zu Ende gehen?