Voll sch … sch … sch … schade

Man muss es sich wirklich leisten können.
Ich meine, nicht nur finanziell.
Auch gesundheitlich.
Und moralisch.
Wie sonst könnte man sich sonst jeden Morgen ohne Schmerzen aus dem Bett wälzen und in den Spiegel schauen?
Denn um Scheintote handelt es sich ja nicht, sondern um lebendige Menschen. Lebendig? Wahrscheinlich.
Denkend? Ganz sicher nicht.
Aber dazu später.
Jetzt mal einige Fakten am Freitag: In den USA gab es gestern mehr als 60.000 neue Corona-Fälle. In Brasilien sah es kaum besser aus, auch wenn man den Zahlen kaum trauen kann. Trotzdem sterben dort immer mehr Menschen am Virus. Großbritannien hält den Spitzenplatz bei Fällen und Toten in Europa (das es zum Glück bald verlässt, ich setze die EU mit Europa gleich). In Indien geht die Tendenz ebenfalls steil nach oben. Und in der Türkei? Dort fälscht der Schwiegersohn Erdogans seit geraumer Zeit die Statistiken, um andere Länder dazu zu bewegen, die Reisewarnung dorthin aufzuheben. Zum Glück ohne Erfolg. Denn in der Türkei gibt es bei Fällen eine Zwangsbehandlung mit dem ebenso schädlichen Hydroxychloroquin.
Alle diese Länder vereint eine simple Tatsache: Sie werden von rechtsextremen Populisten geführt.
Vollkommen egal, wie sie heißen, ob Trump, Modi, Erdogan, Johnson oder Bolsonaro. Sie alle haben das Virus am Anfang ignoriert. Manche sind dann umgeschwenkt, als es schon zu spät war. Andere sind bei ihrer Ignoranz geblieben, stellen sich gegen Wissenschaftler und Experten. In den USA hört sich der Präsident nicht einmal mehr an, was sein führender Virologe zu sagen hat. In Großbritannien riet ein durchgeknallter Berater dem Prime Minister, die Herdenimmunität anzustreben. Mit entsprechendem „Erfolg“. Tausende starben, besonders in Pflegeheimen.
In Brasilien ist es noch schimmer, hier feiert der Präsident seine „Immunität“ gegen das Virus. Nun ist er selbst erkrankt und es gibt nicht wenige, die hoffen, dass Corona sich auch mal den ersten Skalp unter solchen Leuten holt. Boris Johnson, britischer Premier, hat die Erkrankung ja überlebt. Nicht dass er seine verlogene Politik verändert hätte.

Nun aber zum eigentlichen Thema.
Das Problem in demokratischen Systemen sind nicht die Egomanen, die gewählt werden. Die sind, wie sie sind, für alle sichtbar, für alle durchschaubar, denn sie können sich nicht verstellen. Das Problem ist etwas anderes.
Es sind die Menschen, die diese Leute wählen.
Mal im Ernst, hat jemand gedacht, dass ein Donald Trump Politik kann? Oder dass Boris Johnson plötzlich ehrlich wird, nachdem er sein ganzes Leben lang zu seinem Nutzen gelogen hat? Oder dass Modi, ein extremer Nationalist, plötzlich eine gütige Seite entwickelt?
Sollte jemand das gedacht haben, halte ich das für, sagen wir, intellektuell herausgefordert. Menschen mit Augen und Ohren konnten sehen und hören, Überraschungen gab es keine.
Besonders in der Krise offenbaren sich die Narzissten und Lügner als das, was sie sind. Als Kaiser ohne Kleider. Stumpf stehen sie da, wissen nicht, was sie tun sollen. Ihre Talente, andere durch Lügen zu überzeugen, funktionieren nicht mehr, weil die Fakten einfach eindeutig gegen sie sprechen. Selbst bei vielen geistig minderbemittelten Wählern sickert genau langsam durch, wenn auch nur sehr langsam.
Und doch sind es diese Leute, die ich verantwortlich mache. Nicht die Trumps, Erdogans, Modis.
Nein.
Der anonyme Wähler, der irgendwie denkt, dass ein Multi-Milliardär (wahrscheinlich, aber sicher ist es nicht) die Sorgen vom kleinen Mann versteht oder dass ein Eton-Boy die Sprache von einfachen Arbeitern spricht, muss sich seiner Verantwortung stellen.
Man kann immer sagen, dass er getäuscht wurde. Dass die Medien schuld sind. Oder dass er es nicht besser wusste.
Aber das lasse ich selten gelten. In den USA kann man sich rundum informieren. In Großbritannien ebenfalls. Ich gebe zu, dass es in der Türkei etwas schwieriger ist, weil die Pressefreiheit nicht mehr existiert. In Brasilien ist es ebenfalls nicht leicht, ist das System doch bereits ziemlich zersetzt.

Ich will nicht zu weit greifen, denn in Europa stehen diese Schergen ebenfalls vor der Tür. Höcke, Salivini, Le Pen, um die vielleicht Wichtigsten zu nennen. Auch denen rennen einige nach. Zu unserem Glück sind sie noch nicht weit gekommen. Denn in dieser Corona-Krise hätten sie ebenso versagt, wie ihre extremen Brüder im Geiste in den USA, Großbritannien, Indien und übrigens auch Russland.
Wie sagte ich am Anfang des Artikels?
Populisten muss man sich leisten können. Gesundheitlich und finanziell. Das ist natürlich Unsinn.
Denn niemand kann es sich leisten.
Und ich hoffe, dass die meisten langsam beginnen, das einzusehen.
Optimistisch bin ich aber nicht.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.