Es ist kein guter Tag heute.
Gestern habe ich vom Tod einer ehemaligen Kommilitonin gehört.
Laetitia Blanchard.
Ich weiß nicht, wie lange ich sprachlos vor dem PC gesessen habe, um diese Nachricht zu verdauen.
Eines aber war sofort da: Erinnerungen. Erinnerungen an Rennes in der Bretagne, wo ich mit ihr ein halbes Jahr lang studiert habe. Sie war die beste Freundin meiner besten Freundin Laurence und auch wenn ich nicht sagen würde, dass wir besonders eng verbunden waren, so entsinne ich mich doch sehr lebhaft an sie. Sie war eine stille Frau, ein bisschen melancholisch vielleicht. Und ein Mensch, der wohl niemals in der Lage war, auch nur einen schlimmen Gedanken über jemand anders zu hegen. Ich sage das nicht als billige Stereotype, sie war wirklich so. Intelligent und zuvorkommend hat sie ihre offensichtliche Überlegenheit in vielen Belangen nie in den Vordergrund gedrückt. Sondern hat geduldig gewartet, bis sie an der Reihe war zu sprechen. Um uns andere dann meist ziemlich rasch zu überzeugen. Ich spreche hier von Teamarbeiten, die auf der Sup de Co, wo ich zwei Semester studieren durfte, zum Uni-Alltag gehörten.
Nach dem Studium sahen wir uns nicht oft. Zur Hochzeit von Laurence und Julien (ebenfalls ein Kommilitone) 2003 in der Nähe von Brest natürlich. Und zum 30. von Laurence 2005 in Paris. Ich glaube, das war das letzte Mal. Ist lange her.

Ich habe mich, trotz der langen Zeit, versucht, an Laetitia zu erinnern. Das Gedächtnis spielt mir ja auch sonst oft Streiche.
Daher sind es merkwürdige Einzelheiten, an die ich denken muss.
Laetitia liebte Peugot und wollte unbedingt einen 206. Wir haben sie damit manchmal aufgezogen. Auf sanft-ironische Weise.
Auch an ihre Art, eine gewisse Wut zu spielen, ein sarkastisches Grollen aus dem Bauch heraus, das so unecht war, weil es einfach nicht zu ihr passte, erinnere ich mich und muss schmunzeln. Die wild verdrehten Augen lassen das Bild im Nachhinein noch komischer wirken.
Sie mochte eine merkwürdige Gestalt, die auch an der Sup de Co studierte, mit dem Namen „Serge“. Eine nie erfüllte, schmachtende Liebe. Wahrscheinlich nicht mehr als ein Schwarm.
Ich kann mich aber erinnern, dass ich glücklich war, als ich hörte, dass sie, Jahre später, geheiratet hatte. Ich wusste, dass sie ein Kind hatte, erfuhr aber erst gestern, dass es zwei Töchter waren, Liz (10) und Eva (6). Ich weiß nicht, worüber ich gestern trauriger war: Dass sie gestorben ist oder dass die beiden Kinder und ihr Ehemann von nun an alleine durch das Leben gehen, die Kinder ohne Mutter aufwachsen müssen.
Dieser unendliche Verlust muss drückend auf der jungen Familie lasten. Und ich hoffe, dass sie es irgendwie schaffen, mit dieser Situation umzugehen.

Laetitia war nicht alt. 43 Jahre, um genau zu sein. Kein Alter, um zu sterben.
Ich wusste nicht, dass sie krank war. War sie auch nicht lange. Erst im Juni war der Hautkrebs entdeckt worden. Hautkrebs. Daran stirbt man so schnell?
Anscheinend.
Dass mir dabei egoistischerweise einfiel, dass mein letztes Hautscreening schon sieben Jahre zurückliegt, ist nur Teil der bizarren Art, alles auf sich selbst zu beziehen.

Gestern hat mir Laurence ein Bild von Laetitia geschickt. Es ist aus dem letzten Jahr, aufgenommen in London, wo sie ebenfalls studiert hat.
Sie sieht darauf noch so aus wie 1998. Natürlich ist sie älter und bestimmt auch weiser. Aber sie sieht glücklich. Fast ein bisschen verschmitzt.

Wir haben uns Jahre nicht gesehen.
Und trotzdem wird sie mir fehlen.
Ich weiß nicht, was sie für ein Leben geführt hat, ob sie erreicht hat, was sie wollte.
Vielleicht ist das aber auch in dem Moment des Abschieds nicht mehr so wichtig.
Es bleibt jetzt nur noch eines zu sagen:
Tschüß Laetitia.
Es war wirklich schön, dich gekannt zu haben.

Laetitia Blanchard