Voll abgehärtet

Es gibt manchmal Tage, an denen mir kaum etwas einfällt.
Heute ist einer dieser Augenblicke. Schon seit einer Stunde sitze ich vor dem PC und überlege, worüber ich schreiben könnte. Dabei fiel mir nicht auf, dass es genau das ist, was ich heute thematisieren muss. Nämlich der Frage nachzugehen, warum das so ist.

Fassen wir mal zusammen: Es gibt genug Themen. Und zwar so viele, dass es mir schwerfällt, alle zu benennen. Zum Beispiel kokettiert der Noch-Präsident der Vereinigten Staaten damit, sich selbst und seine Familie zu begnadigen. Warum und wofür bleibt sein Geheimnis, wahrscheinlich gilt das als Generalvollmacht, sollte er doch einmal auf der 5th Avenue jemanden erschießen wollen.
Außerdem hat er noch eine dreiviertel Stunde lang eine Rede gehalten, in der er es geschafft hat, nicht ein einziges wahres Wort zu sagen. Wahrscheinlich der letzte Versuch seines Coups, um doch noch die Präsidentschaft zu behalten.
Dann ist der Pfizer/BioNTech-Impfstoff gestern in Großbritannien zugelassen worden, ernsthaft mit Sprüchen wie: „Britain leads the charge against the virus“ (mit einem Impfstoff, entwickelt von einer amerikanischen Firma in deutschen Laboren, geführt von einem türkischstämmigen Wissenschaftler deutscher Nationalität, schon spannend, wie sich Internationalität bewehrt) und „Brexit has allowed us to move forward with the certification of the vaccine“, übrigens unter Zuhilfenahme von EU-Gesetzen und Prozeduren und zu einer Zeit, in der GB noch nicht einmal wirklich aus der EU ausgetreten ist.
Verlogener Patriotismus.
Der Kurz-Kanzler hat gestern übrigens die Grenzen zu Österreich geschlossen. Die Skilifte bleiben allerdings geöffnet, vielen Dank, das alles nur einige Stunden, nachdem ich meinen gestrigen Artikel veröffentlicht hatte. Der bleibt jetzt als mahnendes Beispiel stehen, wie schnell sich die Dinge entwickeln können.
Außerdem hängt der kleine Timmy (9) auf drei Metern Höhe über einem defekten Trampolin fest. Das ist unangenehm.
Das passiert also, wenn sich Nachrichten aus seriösen Medien langsam denen aus Satire-Magazinen wie dem Postillon ähneln. Meine Realität verschwimmt allmählich mit meiner Fantasiewelt.

Fakt ist, dass mich nichts mehr wirklich bewegt. In den letzten Jahren hat der Wahnsinn den Aufregungsfaktor derartig ausgelaugt, dass mir häufig bei den horrendesten Ereignissen nur noch ein Schulterzucken einfällt. Ein müdes Lächeln vielleicht. Und das in Zeiten der Pandemie, bei denen mich die Verhaltensweisen von bestimmten Personengruppen auch kaum noch tangieren.
Nun, es tangiert mich schon. Wenn ich sie im Supermarkt treffen muss. Aber ich vermeide es, wo ich kann.
In Internet jedenfalls bin ich dazu übergegangen, diese Schergen nur noch zu veräppeln. Humor ist eine große Waffe gegen rechte Verschwörungstheoretiker, die sich nicht nur gegenüber Fakten resistent zeigen, sondern auch gegen Humor.
Im Ernst, ich habe noch nie eine Gruppe Menschen gesehen, die derartig spaßbefreit durch’s Leben geht. Ich schaue mir das seit einigen Jahren an, nicht erst seit Corona. Generell gilt, dass Rechte gerne andere verspotten, wenn sie selbst allerdings Ziel dieses Spottes werden, regelmäßig an die Decke gehen. Die Taktik des Spottes also wirkt fast immer. Und kann gerne derbe, fein oder kaum zu merken ausfallen. Denn mit besonders viel Feinsinn sind diese Leute selten ausgestattet. Wohl aber diejenigen, die zuhören. In jedem Fall halte ich diese Taktik für besser, als all die Lügen zu widerlegen. Und das aus einem Grund: Es sind einfach zu viele Lügen. Und Leute, die diese Lügen glauben, sind meines Erachtens sowieso nicht mehr zu retten.
Anders sieht es aus bei Zweiflern, also Leuten, die sich noch nicht sicher sind. Die muss man sachte abholen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass es diese Gruppe in Zeiten wie dieser kaum noch gibt. Das Überangebot an Lügen ist einfach zu groß, die Welt zu komplex, der Intellekt zu niedrig. Ich habe den Eindruck, als ob alles nur noch schwarz und weiß ist. Entweder oder. Lüge oder Wahrheit.

In jedem Fall habe ich noch ein bisschen Spaß mit Covidioten, Reichsbürgern, Rechtsextremen. Es ist allerdings ein flacher Spaß, der kaum Befriedigung bringt. Denn erstens ist es zu einfach, zweitens schlichtweg zu gefährlich.
Ich bin jedenfalls gespannt darauf, wie es weitergeht. Die nächsten Wochen werden entscheidend für den Lauf der Welt allgemein.
Und auch wenn ich dunkle Wolken am Horizont sehen, vor allem in Deutschland, hoffe ich doch darauf, dass ein starker Wind diese vertreiben kann.
Mal sehen.