Voll Endzeit

Nein, nicht wegen Corona.
Wegen Karstadt in Tempelhof.
Ich habe mir das Elend gerade angesehen..
Noch einmal zur Information: Die Filiale soll angeblich schließen. Laut den Schildern, die überall aufgehängt sind, geschieht das auch. Irgendwann. Nichts Genaues weiß man bekanntlich nicht, also nichts Neues beim Dinosaurier der Einzelhandelserlebnisshoppings im Stil der 80er. Tatsächlich aber ist alles irgendwie reduziert. Mal 10, mal 20 %. Manchmal auch 15. Ein System gibt es nicht, zumindest keines, das für mich erkennbar ist.
Ich war aber nicht zum Shoppen dort. Ich wolle schnuppern, wie es sich anfühlt. Statt allerdings eine gewisse Form der Trauer zu bemerken, verspürte ich einen Buzz. Endzeitstimmung?
Sicher.
Besonders bei den Kunden, die zahlreich die Filiale überschwemmten. So viele Menschen habe ich selten hier gesehen. Wie die Geier aber stürzen sie sich auf die Fleischtöpfe der reduzierten Ware.
Der Witz ist allerdings: Das Meiste ist teurer als sonst üblich zu der Jahreszeit. Es ist immerhin Sommerschlussverkauf. Sommerkleidung ist jetzt normalerweise um ca. 30% reduziert, immerhin ist diese tolle Jahreszeit fast vorbei (oh Schreck, das fällt mir jetzt erst auf). Die Sachen aber werden für 15 % weniger verkauft. Oder sogar nur 10%. Ware, die etwas heruntergesetzt ist, ist sowieso von den Abschlägen ausgenommen.
Außerdem hab ich das Gefühl, dass aus dem ganzen Bundesgebiet alles hierher geschafft worden ist, was niemand sonst haben will. Ähnlich also wie die Convidioten am letzten Samstag in Berlin, die hier demonstrieren mussten.
Und was macht der Tempelhofer?
Er stürmt den Laden und kauft alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Eine Hektik überall, es fehlte nicht viel und Leute hätten sich um Dinge geprügelt, von denen sie noch am Morgen nicht wussten, dass sie sie überhaupt benötigen würden.

Und dann dämmerte es mir: Wir in Tempelhof hätten diese Karstadt-Filiale eigentlich wirklich verdient. Die Shopper, die hier unterwegs waren, sind mit Sicherheit nicht dieselben, die bei Amazon genau hinsehen, was sie bestellen. Es sind die, die einfach nehmen, was da ist. So wie man es auch in den 80ern gemacht hat, in Ermangelung an Alternativen eben. Karstadt ist sozusagen eine Zeitkapsel, die Leute anzieht, die ebenfalls dort stecken geblieben sind.
Denn: So shoppt man heute einfach nicht mehr. Man verlässt dazu nicht einmal das Haus. Hier aber, im Bezirk, im Kiez, der mich regelmäßig an eine winzige Kleinstadt im Ruhrgebiet, also nicht etwas Cooles wie in Bayern oder Württemberg mit altem Stadtkern, erinnert, ist so etwas noch möglich.
Die Frage lautet jetzt natürlich: Wer braucht wen dringender? Die Leute die Filiale oder die Filiale die Leute?
Wir werden diese Frage nicht beantworten können.
Denn in den Nachrichten im Tagesspiegel heute steht, dass die Filiale in Tempelhof noch zehn Jahre bestehen bleibt. Ich traute meinen Augen kaum, als ich das gerade lesen musste.
Was geschieht nun eigentlich mit den ganzen Schildern, die auf die Schließung hinweisen? Und mit den Rabattschildern? Obwohl, hätte ich etwas zu sagen, würde ich die stehen lassen, weiterhin unverkäufliches Zeug her ankarren und es anbieten, für weiterhin 10, 15 oder 20 % weniger. Endlich hat dieser Dinosaurier des Einzelhandels seine Klientel gefunden, die er vor etlichen Jahrzehnten verloren hat.
Wäre doch schade, wenn er sie wieder aufgeben würde.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.(neue Folgen ab Ende August)