Voll Karma

Ich wusste es.
Ich wollte eigentlich keine politischen Themen bearbeiten, aber heute muss ich dieses Gebiet zumindest einmal streifen.
Also nochmal: Ich wusste es.
Eines der Alpha-Tiere, die uns mit ihrer Anwesenheit nerven, musste es ja erwischen. Ich habe mich in den letzten Wochen oft gefragt wen. Trump? Bolsonaro? Salvini? Orban? Kaczyński?
Jedem dieser sackaufblasenden Möchtegern-Diktatoren wünschte ich vor dieser Krise die Pest an den Hals. Und nun hat einer von ihnen den Virus eingefangen.
Keiner von denen, die ich bereits erwähnt habe.
Sondern Boris Johnson.
Alexander de Pfeffel, seines Zeichens ehemaliger Bürgermeister von London, ehemaliger Times-“Journalist“, der seinen Job verloren hat, weil er zu oft gelogen hat, und Hauptakteur beim Brexit.

„Boris“, wie dieser nette Mensch bei seinen viel zu zahlreichen Wählern genannt wird, hat sich in den letzten Jahren an die Spitze der Regierung laviert. Die Wahrheit hat er dabei mehr als einmal zerfleddert. Wer wie ich die lange Saga in der Zeit vom Referendum bis zum tatsächlichen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union verfolgt hat, musste sicher zahllose Male zum Zahnarzt, zu oft hat die Tischplatte herhalten müssen. Immer kräftig beißen, wird dann zwar nicht besser, aber auch nicht schlimmer. Ich kann mich nicht erinnern wie oft ich mich fragte, warum diesem Menschen so viel Glauben geschenkt wurde. Erst von seiner Partei, dann vom Wahlvolk, das ihn im letzten Dezember erdrutschartig im Amt bestätigt hat, nachdem er im Sommer die vorherige Premierministerin May aus dem Amt gedrängt hatte.

Nun, in diesem Jahr hat er seine Taktik nicht verändert. Und es stellte sich heraus, dass Corona nicht so leicht zu überlisten ist wie ein britisches Elektorat. Denn wie viele andere Populisten nahm auch „Boris“ das Virus nicht ernst. Er witzelte, spielte die Gefahr herunter, schwafelte in seiner unnachahmlichen Art so lange, bis auch der letzte Journalist vergessen hatte, warum er eigentlich da war.
Die Krönung dann: Noch Anfang März prahlte er, dass er noch jedem die Hand schüttelte. Als in anderen Ländern schon munter gestorben wurde, als in Deutschland so langsam die Geschäfte schlossen, ging „Boris“ in ein Krankenhaus und sprach mit Corona-Patienten. Und ging dabei auf Tuchfühlung.
Vor einigen Tagen dann wurde bekannt, dass er sich angesteckt hatte, ebenso wie einige Mitglieder seiner Regierungsmannschaft. Vorgestern nun wurde er auf die Intensivstation verlegt. Die Nachrichten wurden bedrohlicher. Er kämpft jetzt um sein Leben, auch wenn diese Tatsache von seinen Leuten heruntergespielt wird. Spin is everything in diesen Zeiten.

Diese Geschichte erinnert mich an griechische Sagen. Ein Held versucht aufzusteigen. Skrupellos und ohne Rücksicht, voller Emotion und mit wenig Verstand, aber oft trickreich. Wir kennen es von Herkules, Ödipus oder Iason.
Aber irgendwann auf seinem Weg beleidigt der Held einen Gott. Und griechische Götter sind unnachgiebig. Sie stürzen jeden, der es wagt, sich ihnen in den Weg zu stellen. Und der Fall ist immer grandios, denn nur jemand, der vorher hoch gestiegen ist, kann wirklich tief fallen.
Nun, „Boris“ ist kein Held. In keiner Weise. Trotzdem ist das, was ihm widerfährt, episch. Tragisch? Vielleicht. Gerecht? In jeden Fall. Denn er hat die Gefahr nicht nur ignoriert, sondern auch noch unsinnigerweise mit ihr gespielt. Dabei hat er nicht nur die Menschen in seiner Regierung gefährdet und wahrscheinlich auch angesteckt, sondern auch seine schwangere Frau, die sich jetzt in Isolation befindet.

Aber so war er schon immer. Noch nie hat er sich auch nur einen Hauch um andere gekümmert. Sein ganzes Leben nicht.
Ich wünsche mir jetzt übrigens nur eines: dass er seine Krankheit übersteht. Ich glaube nicht an Gott oder an eine Fügung, die Sünden nach dem Tod bestraft. Daher will ich, dass „Boris“ noch zu Lebzeiten dafür geradestehen muss für das, was er angerichtet hat.
Und Hand auf’s Herz: Der Virus ist noch Großbritanniens kleinstes Problem. Der Brexit, mit seinen jahrzehntelangen Auswirkungen, wird noch unzählige Opfer fordern. Und deshalb muss auch „Boris“ überleben. Damit die Engländer ihn richten können.

Wie war der Slogan?
Get Brexit done.
Heute ist es eher folgender: Brexit sehen und sterben.
Mal sehen, ob es so weit kommt.
Ich hoffe nicht. Aber nicht aus Sympathie für einen Egomanen.

So, „rant“ beendet. Morgen schreibe ich darüber, wie man einfachen Schokokuchen macht.
Versprochen.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.