Voll ungewohnt gewöhnlich

Au man, schon 5 Tage nicht mehr geschrieben. Zumindest nicht für den Corona-Blog.
Trotzdem ist es bezeichnend. Ist das Thema schon zu abgedroschen? Eigentlich nicht.

Ich habe vor einigen Monaten ein Buch gelesen, Utopia for Realists. Neben ausgesprochen interessanten Thesen zur Wirtschaft und zur Verteilung des Reichtums auf der Welt hat Rutger Bregman sich auch Gedanken zum Thema „neue Ideen“ gemacht.
Es ging ungefähr so: Menschen stehen wie allen Veränderungen auch neuen Ideen erst einmal skeptisch gegenüber. Sie brauchen eine Weile, bis sie sich langsam damit abfinden und sich mit neuen Situationen arrangieren können. Ich kann das an mir selbst gut nachvollziehen, brauche auch ich manchmal etwas Zeit, um meinen eigenen Platz in einer veränderten Umgebung zu finden. Dabei kann das neue durchaus eine Veränderung im Zimmer sein oder eine andere familiäre Situation wie zum Beispiel auch ein kurzfristiger Besuch meiner Schwester. Also selbst undramatische Angelegenheit erfordern oft unsere Aufmerksamkeit und wir müssen daran arbeiten, sie umzusetzen.
Und das sind ja nur die kleinen Dinge. Rutger redet natürlich von den großen. Er spricht vom bedingungslosen Grundeinkommen, vom Klimaschutz und dem veränderten Verhalten von uns allen.
Corona steht dabei jetzt natürlich ebenfalls ganz oben auf der Liste. Und siehe da, Leute arrangieren sich. Anfangs waren alle in einer Schockstarre gefangen, wussten kaum, wie sie mit der Situation umgehen sollten. Jetzt aber werden wir alle kühner. Manche vielleicht auch unvorsichtig, aber die meisten lernen, mit dem Abstand und den Änderungen im Alltag umzugehen. Unsere größte Eigenschaft, nämlich Veränderungen zu verdauen und sie auch positiv zu nutzen, zeigen wir gerade in Europa auf vorbildliche Art. Anderswo auf der Welt sieht es anders aus, aber das soll nicht das Thema sein. Wir in Deutschland sind dabei mit die die Ersten, die auch die Wirtschaft in Gänze wieder eröffnen. Natürlich immer noch eingeschränkt, weil das Virus eben nicht verschwindet. Aber man erkennt es langsam, weiß, was man tun kann, um sich nicht anzustecken. Die Veränderung, die wir vor zehn Wochen noch alle gefürchtet haben, haben sich in unserem Alltag etabliert. Sie haben dadurch einen großen Teil ihres Schreckens verloren. Das, was vor zehn Wochen noch vollkommen ungewöhnlich war, ist inzwischen Normalität.
Und das wird so weitergehen. Wir werden auch weiter Lösungen finden. Sei es in den Schulen, sei es in den Kindergärten. Und sei es bei Reisen. Denn alles das wird nicht stillstehen. Vielleicht werden wir uns dieses Jahr noch behindern lassen, aber nächstes Jahr sicher nicht. Dazu ist der menschliche Geist viel zu unruhig, viel zu kreativ, um solche Dinge einfach mit sich geschehen zu lassen.
Auch wenn ich glaube, dass wir irgendwann einen Impfstoff haben werden, werden wir uns nicht das Leben vermiesen lassen.
Schon gar nicht auf Dauer.
An die Idee des Social Distancing haben wir uns mit Bravour gewöhnt und leben es. Das werden wir ausweiten, überall dort, wo wir hinkommen. Dabei müssen es nicht die Plastikscheiben zwischen den Strandliegen sein. Abstand reicht vollkommen. Vielleicht werden Leute noch mehr in die Nebensaison ausweichen, die sich eventuell in den warmen Ländern verlängern könnte. Es gibt schließlich keinen Grund, warum man nicht noch im Oktober auf die Kykladen fahren sollte. 22 Grad warm ist es dann noch, habe ich selbst erlebt, manchmal noch heißer. Herrliche Temperaturen, vor allem ist das Meer noch warm. In der Türkei habe ich selbst im November noch fast 30 Grad erlebt, aber das war bei Silifke, also schon ziemlich weit im Süden.
Und was die Schulen angeht: die müssen weiter digitalisiert werden. Technische Aufrüstung. Vielleicht muss es nicht immer der Lehrer sein, der alles vorbetet. Bei der Erwachsenenbildung geht es ja schon ganz gut.
Das alles ersetzt natürlich nicht das Beisammensein der Kinder. Aber darum müssen sich andere kümmern.
Wir haben halt keine und ich kann nicht alles alleine lösen.

Und aus aktuellem Anlass:
hier mal ein kleiner Aufruf für die Streithammel in meiner Umgebung: Jetzt reißt euch mal ein bisschen zusammen.
Das Leben besteht aus Kompromissen. Ihr müsst miteinander auskommen. Geht jetzt eben nicht anders. Bemüht euch also mal. Wir haben nur uns.
Die, die es betrifft, werden schon wissen, von wem ich rede. Obwohl ich nicht weiß, ob wirklich alle mitlesen.
Meine Güte.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.