Voll Schnelltest-Fiasko
Es ist eigentlich kaum zu glauben.
Noch vor einigen Tagen kam ich gut zurecht mit der Situation. Zumindest einigermaßen. Aber auch ich erreiche langsam einen Punkt, an dem ich die Geduld verliere.
Was ist geschehen?
Schnelltests. Sind geschehen. Oder auch nicht.
Unser Gesundheitsminister hat versprochen, jedem Bürger einen Gratis-Corona-Schnelltest pro Woche zu geben. So weit das Versprechen. Nun hat Berlin gehandelt, es sind 16 kleinere Schnelltestzentren eröffnet worden, für die man Termine im Internet buchen kann und vier etwas größere, die man ohne Termin besuchen kann. Ich habe gestern Morgen das erste Mal nachgesehen, ob ich einen Termin bekomme. In Tempelhof, wo ich wohne. Den schnellsten Termin gab es im Januar 2022. Alle anderen waren ausgebucht. Schnell ist ja anscheinend auslegungssache.
In anderen Bezirken sah es besser aus, dort hätte es zumindest gestern noch Termine für nächste Woche gegeben. Diese Woche war schon ausgebucht. Es sollen laut der Medien gestern 10.000 Termine gebucht worden sein.
Der Witz aber ist: Berlin hat 3,7 Millionen Einwohner. Und denen hat man einmal wöchentlich einen Corona-Schnelltest versprochen. Wie um alles in der Welt man das machen konnte, ist mir vollkommen rätselhaft. Ich gebe zu, dass es eine gewaltige Hausnummer ist, so viele Tests durchführen zu lassen, aber es ist ja nicht so, dass diese Pandemie nun von heute auf morgen über uns hineingebrochen ist. Seit einem Jahr wütet sie. Ein Jahr, das man hätte nutzen können, um sich zumindest in der Theorie auf Testszenarien vorzubereiten. Geschehen ist … nichts.
Wir gönnen uns in Deutschland eine Verwaltung, bestehend aus Staatsbeamten, die für nichts anderes zuständig sind, als die Verwaltung, Organisation und Ordnung von bürokratischen Prozessen. Sowohl das Impfen als auch diese Schnelltests gehören meines Erachtens dazu.
Ich habe jetzt lange zugesehen. Habe gute Miene zu einem Spiel gemacht, das ganz sicher nicht immer gut gewesen ist. Aber ich bin es jetzt leid, diese ganzen Versäumnisse weiter zu verteidigen. Do the math, heißt es so schön. Rechne doch einfach mal durch. Vergleiche 10.000 Termine mit dem, was gebraucht wird, nämlich mehr als drei Millionen. Und dann überlege dir, ob du so ein Versprechen abgeben willst. Ich bin mir nicht sicher, wie die Situation bundesweit aussieht, Berichte darüber gibt es nicht, aber wenn es nicht einmal eine Großstadt wie Berlin schafft, wo die Wege viel kürzer sind als auf dem Land, Schnelltests zu organisieren, wie soll es dann überhaupt funktionieren?
Dabei weiß ich nicht einmal, was schlimmer ist: eine Verwaltung, die es nach einem Jahr Pandemie nicht schafft, das Wesentliche zu organisieren oder ein Minister, der viel verspricht und kaum etwas liefert. Vielleicht ist es Letzteres, werden doch Erwartungen geweckt, die immer wieder enttäuscht werden. Und das ist der große Fehler. Ich würde es Borisierung der Politik nennen, benannt nach dem derzeitigen ziemlich unfähigen Premierminister von Großbritannien. Der verspricht auch immer viel zu viel und muss öfter als ihm lieb ist, eingestehen, dass es nicht funktioniert. Der Unterschied aber ist, dass diese Entwicklung in Deutschland noch bestraft wird. Die Umfragen bescheinigen der CDU sinkenden Zuspruch, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie ich erhofft habe und den sie verdient hätten.
So stehen wir jetzt also da. Ich hoffe inständig, dass sich alles bessert. Olaf Scholz hat versprochen, 10 Millionen Impfungen pro Woche durchzuführen. Wie er als Finanzminister dazu kommt, weiß ich nicht, ich hoffe aber, dass er jetzt liefern kann. 10 Millionen wären das, was man als Gamechanger bezeichnen würde. Wir wären bis zum September wirklich alle durchgeimpft, das Leben wieder weitgehend normal.
Im September sind Wahlen. Ich sehe hier noch viel Bewegung bis dahin.
Ich hoffe, dass sich alles noch zum Guten wendet. Im Augenblick aber bin ich frustriert und unzufrieden. Und nicht mehr bereit dazu, gute Laune zu verbreiten.
Eine Person möchte ich übrigens aus diesem kleinen Wutausbruch herausnehmen: Karl Lauterbach. Lauterbach ist ein Politiker, der nicht davor zurückschreckt, unbequeme Wahrheiten zu sagen. Er wird dafür angefeindet, weil eben niemand schlechte Nachrichten hören will. Trotzdem erfährt er auch hohe Zustimmung. Besonders weil er eben keine Erwartungen weckt, die er dann enttäuschen muss. Sondern beharrlich auf der wissenschaftlichen Schiene bleibt. Es ist diese Form von Ehrlichkeit, mit der sich dieser Frust bei mir nicht so angestaut hätte.
Ich hoffe, dass Menschen das nicht vergessen. Es ist wichtig zu erkennen, wer die Wahrheit gesagt und wer gelogen hat, nur um gewählt zu werden.