Voll ungeduldig
Ein weiteres Corona-Wochenende ist vorüber.
Und die Zahlen steigen wieder, so wie die Experten es vorhergesagt haben. Seit heute Morgen befindet sich Berlin über dem Wert von 200 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. Das müsste eigentlich ein „Ausgangsverbot“ nach sich ziehen, wir dürfen uns nur noch 15 Kilometer von Berlin fortbewegen.
Der Witz dabei ist, dass Berlin als Gesamtgebilde betrachtet wird, also könnte ich mich von der Stadtgrenze noch 15 Kilometer entfernen.
Was ein solches Verbot bringen soll, ist mir nicht ganz ersichtlich, wahrscheinlich ist es eher für diejenigen gedacht, die in den letzten Wochen Ausflugsorte regelrecht überrannt haben. Ich allerdings kann noch bis nach Gräbendorf fahren, wo sich unser Garten befindet. Um den Frauensee allerdings, der nicht weit davon entfernt ist, kann ich nicht mehr wandern, denn dort verläuft die 15-Kilometer-Grenze. Aber das sind im Augenblick alles theoretische Denkansätze, denn ich möchte gar nicht in den Garten fahren. Zwar wäre es dringend notwendig, war ich doch schon zwei Monate nicht mehr dort, doch ist es nun wirklich nicht gerade sinnvoll, sich in eine gefüllte S-Bahn zu setzen.
Es stimmt mich allgemein ein wenig traurig, dass sich alles gerade so negativ entwickelt. Vorbei scheint die Euphorie um den Impfstoff. Auch weil es mit den Impfungen so schleppend vorangeht. Das ist wahrscheinlich normal, werden doch 80 Millionen Menschen in Deutschland oder 450 Millionen Menschen in der EU nicht so schnell geimpft, aber das Gefühl der Eile und der Frustration verschwindet deshalb trotzdem nicht.
Am Wochenende habe ich zwei ausgedehnte Spaziergänge unternommen. Es war herrlich, auch wegen der Kälte. Dabei hatte ich gestern ein ziemlich unbekanntes Ziel: die Lindenhof-Siedlung in Tempelhof. Es ist manchmal merkwürdig, was man doch in seiner unmittelbaren Umgebung finden kann. Bei der Siedlung handelt es sich um eine architektonische Kreation einer Siedlung aus den 20ern des letzten Jahrhunderts, die günstigen Wohnraum schaffen sollte, dabei aber auch künstlerische Aspekte und Lebensqualität mit einschloss. Niemand anderes als Bruno Taut, der Erbauer der Hufeisensiedlung in Britz, war daran beteiligt. Die Hufeisensiedlung ist bekannter, vielleicht auch, weil die Lidenhofsiedlung zu weiten Teilen während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde und nur ein Teil davon in zeitgenössischem Stil wieder erbaut wurde. Tatsächlich ist die Siedlung dadurch uneinheitlich, die Plattenbauten am Ende wollen sich einfach nicht in das Gesamtkonzept fügen.
Trotzdem stellt sie ein schönes Ziel dar. Viele der typischen Reihenhäuser sind zu dem Siedlungsteich und der anschließenden Parklandschaft hin ausgerichtet. Es ist beinahe so, als ob man eine andere Welt inmitten der Großstadt betritt. Der Witz dabei: Bruno Taut war zwar kein Bauhaus-Architekt, hat das Bauhaus sogar oft kritisiert, hat aber trotzdem das Konzept aus seriellen Entwürfen und Individualität perfekt umgesetzt. Wer hier wen beeinflusst hat, steht dabei in den Sternen.
Es ist angenehm, wie ich finde, nicht weit fahren zu müssen, um Kunst und Architektur entdecken zu können. Besonders in Zeiten wie diesen. Ich bedauere es etwas, keine Fotos gemacht zu haben. Irgendwie bin ich nicht auf die Idee gekommen, ziemlich blöd, weil ich eigentlich über alles schreibe. Besonders jetzt, da schon ein kleiner Ausflug zum Wochenend-Highlight werden kann.
Wenn es jedenfalls wieder wärmer ist, habe ich mir vorgenommen, mal Tauts Haus in Dahlewitz zu besuchen, das sich leider in Privatbesitz befindet. Ich möchte nur einen unschuldigen Blick über den Zaun werfen. Ich hoffe, dass das die derzeitigen Besitzer nicht zu sehr stört.
Ist sicher nicht einfach, in einem Denkmal zu wohnen.
Dann werde ich auch meine DigiCam mitnehmen. Zur Einstimmung aber habe ich ein Youtube-Video gefunden.
Viel Spaß damit.