Voll Berlin

Schon stark, die Hauptstadt.
Nicht so sehr wegen der Pandemie selbst. Oder den Berlinern, die bereits ab und an beginnen, die Sache mit der „sozialen Distanz“ nicht ganz so ernst zu nehmen.
Trotzdem, verglichen mit anderen Hauptstädten weht hier nur ein laues Corona-Lüftchen. Ich kenne niemanden, der bisher krank geworden ist. Das ist jetzt keine großartige Leistung, aber vielleicht ein Zeichen dafür, dass noch genug Leute dieses Virus ernst nehmen.

Berlin.
Ja. Berlin im Sommer ist eigentlich großartig. Menschen hier fangen jeden Sonnenstrahl, sei es im Januar, März oder jetzt im Juni. Das machen sie auch jetzt. Natürlich. Und dazu gibt es auch gefahrlos Gelegenheit.
So selbstverständlich ist das übrigens nicht. Beinahe wäre uns eine große Errungenschaft abhandengekommen, die viele Berliner häufig nutzen und alles in allem großartig finden.
Ich spreche von Tempelhofer Feld. Dieser ehemalige Exerzierplatz aka Flughafen aka Erlebnisbrache (wie einige mürrische Boomer es nennen) fiel praktisch im Jahr 2010 vom Himmel. Natürlich nicht. 2008 startete der letzte Flug, danach dauerte es zwei Jahre, bis das Areal auf Druck der Bevölkerung für den Publikumsverkehr freigegeben wurde. Und seither frei genutzt wird.
Das war natürlich einigen ein Dorn im Auge. Ein ehemaliger Bürgermeister wollte es randbebauen lassen, also ca. 50% mit fünf- bis sechsstöckigen Wohnhäusern verschandeln, dazu noch eine Bürgermeister-Gedenkbücherei mit seinem Namen errichten lassen. Das hätte sicherlich auch geklappt. Überall. Aber nicht hier. Denn die Berliner wehrten sich. Aktivisten organisierten Unterschriftslisten und waren so erfolgreich, dass im Jahr 2014 der Volksentscheid für das Gesetz zur Nichtbebauung des Tempelhofer Feldes stattfinden konnte.
Alle Bezirke, selbst Marzahn und Friedenau, weit, weit weg vom Feld, stimmten für die Erhaltung. Der Bürgermeister verabschiedete sich kurz darauf, der neue war und ist zwar auch ein großer Fan der Randbebauung, hat allerdings schnell verstanden, dass mit Berlinern nicht gut Kirschenessen ist. Manchmal grantelt er aber noch.
So muss das laufen.
Die feuchten Träume der „Investoren“, die schon Millionendeals erwarteten, platzten wie Seifenblasen.
Wir aber, die Berliner, haben jetzt dieses riesige Stück Tempelhofer Freiheit vor uns. Ein Stück Weite. Und das inmitten der Großstadt.
Da waren wir heute mal wieder. Manchmal kann es sehr voll werden, aber an diesem Tag ging es. Die Menschen verlaufen sich auf dem gewaltigen Areal. Wir hatten also unsere Ruhe, konnten uns bei der anschwellenden Hitze in den Schatten legen und abspannen.
Nach dieser Woche, mit ein paar Tausend geschriebenen Worten, einem entworfenen und gebauten Schreibtisch für Homeoffice-Ehefrau Nina und einer gestrichenen Küche bei Schwiegermutter Ellen in der separaten Enklave vor Berlin, Spandau, war es dringend nötiger Müßiggang. Sie ist übrigens gerade auf Reha in Bad Belzig.

Das Feld also. Ein Stück Freiheit zur Corona-Zeit.
Ich hoffe, dass es uns ewig erhalten bleibt.
Denke aber, dass letztlich die Investoren gewinnen werden. Die gewinnen immer.
Aber manchmal müssen sie eben warten. Ein Segen, dass sie damit noch nicht fertig sind.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.