Voll einsam

Vier Monate ist es her.
Vier.
Seit Mitte März.
Seit dieser Zeit befanden wir uns hier zu Hause. Ehefrau Nina war im Home Office. Ich bin es ja ohnehin. Trotzdem war nach Mitte März alles anders. Meine heilige Ruhe gab es nicht mehr. Von diesem Zeitpunkt an fanden hier Video-Meetings statt, Trainings, lange Telefonate um wichtige erdgebundene Komplexprobleme (eine Wortkreation, da mir die Fachterminologie von Ehefrau Ninas Arbeitgeber ohnehin fremd ist, habe ich mal etwas anderes erfunden, das für mich ebenso keinen Sinn ergibt. Kleiner Spaß).
Alles war gestört.
Meine Morgenroutine, mein Mittagsritual, selbst das Auslaufen des Tages am Feierabend.
Besonders die beiden Katzen litten. Eigentlich nur eine, die nervöse Daisy, die sich wochenlang nicht damit abfinden wollte, dass sich jetzt zwei Personen hier aufhielten. Sie zeigte das durch aufbrausenden Enthusiasmus beim Jagen von zusammengeklebten Zigarettenfiltern (unbenutzt), ihr Lieblingsspielzeug. Dies tat sie oft bis zur totalen Erschöpfung. Und selbst danach fand sie oft keine Ruhe.
Die andere hingegen, die zahnlose Lilly, nutze die Situation gehörig aus. Streicheleinheiten und Leckerli. So kennen wir sie.
Für mich war es eigentlich nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte. Ich erfand für mich eine andere Arbeitsroutine, änderte auch meine Projekte ein wenig und hielt mich sowieso auch mal für längere Zeiten in der Datsche in Brandenburg auf, was weniger mit Ninas Home Office zu tun hatte, als eher mit dem Drang, im Frühling und Sommer mal etwas anderes sehen zu können, nun da meine Griechenlandreise ausgefallen war.

Das alles hat sich nun gestern geändert.
Ehefrau Nina hat zum ersten Mal seit vier Monaten wieder den Dienst am Potsdamer Platz angetreten. Morgens verließ sie das Haus um kurz nach sieben. Die Katzen wunderten sich. Die zahnlose Lilly vermisste die Streicheleinheiten, die sie sich kurz von mir holte, bevor sie entschied, dass alles nicht richtig war. Die nervöse Daisy hingegen legte sich rasch hin und genoss die Stille.
Und ich?
Ich empfand es als eigenartig.
Plötzlich war kaum etwas übrig von meiner umgestellten Arbeitsroutine. Ich schlunzte vor mich hin, tippte hier etwas, verbesserte dort, aber eine wirkliche Effizienz schien sich nicht einstellen zu wollen. Gegen Mittag gab ich auf und entschied, den Tag besser zu organisatorischen Dingen zu nutzen. Allemal besser als so zu tun, als würde ich etwas Sinnvolles arbeiten.

Die Sache ist: Heute ist Ehefrau Nina wieder zu Hause. Es ist ein langsames Übergleiten in den normalen Bürobetrieb, drei Tage die Woche bleibt sie zu Hause. Prompt rast die nervöse Daisy wieder durch die Gegend und hat sich heute Morgen sogar mächtig übergeben. Nun übertreibt sie aber.
Komisch, wie schnell wir uns an den Corona-Alltag gewöhnt haben. Und wie eigenartig es ist, diese Routine wieder loszulassen.
Es geschieht langsam und ohne Hektik.
Mal sehen, ob Daisy sich beruhigt.
Es scheint so, dass sie am meisten leidet.
Ein wahres Routine-Wunder.

Hier ein Link zum Coronavirus-Update mit Prof. Drosten.(neue Folgen ab Ende August)